2 | Böenpfote

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Erstauntes aufschnappen war unter den Katzen zu vernehmen und in all ihren Mienen konnte sie die gleiche Emotion lesen: entsetzten. Lediglich Enzianfährte wirkte anders. Sie war ruhig, sah aus, als hätte sie endlich ein schwieriges Rätsel gelöst und Erkenntnis zeichnete sich in ihrem Gesicht ab.

»Warum?«, fand sie schließlich als erste die Sprache wieder und stellte gleichzeitig die Frage, die jedem auf der Seele brannte. Dabei schaute sie ihre Schülerin mit einem so intensiven Blick an, als würde sie direkt in ihren Geist blicken, durch eine Hülle hindurch in ihr eigenes, ganz persönliches inneres.

Doch es wirkte nicht unangenehm, viel mehr, auf eine seltsame Art und Weise, tröstlich. Als wäre es egal, was sie tat. Für diese Kätzin würde sie immer diejenige bleiben, die sie war.

Böenpfote senkte beschämt den Kopf. Würde sie das erklären, würden die Katzen sie für nichts weiter als eine impulsive Schülerin halten. »Das warum ist fürs erste nebensächlich. Wichtiger ist, dass sie sich bewusst ist, dass sie den Clan verlassen muss, wenn sie sich diesem Schwur verweigert«, unterbrach Klippenstern seine zweite Anführerin.

»Das weiß ich.« Es war Böenpfote egal, dass ihr Anführer nicht zu ihr gesprochen hatte. Es war ihr egal, dass er und gewiss auch andere sie für eine naive Schülerin halten würden. Wichtig war ihr nur, dass jene, die ihr etwas bedeuteten, sie verstanden. Das diese ihre Entscheidung nachvollziehen konnten und sie sie damit nicht von sich wegstieß.

»Ich liebe den Schüler Hyänenpfote aus dem DämmerungsClan«, miaute sie mit fester Stimme, »und finde es falsch, meine Loyalität über mein Herz zu stellen.«

Sofort wurde es totenstill. Die Schülerin suchte den Blick ihrer Mutter, fand ihn und sah Enttäuschung in ihren Augen. Als diese merkte, dass ihre Tochter sie ansah, verdrängte sie diese sofort wieder, doch der Schaden war bereits angerichtet.

Böenpfote hatte gewusst, dass manche sie für dumm und naiv halten würden. Doch das ihre eigene Mutter ebenfalls zu diesen Katzen gehörte, schmerzte mehr als je zuvor etwas geschmerzt hatte. Selbst als ihr Vater starb, hatte sie diese innere Zerrissenheit nicht gespürt, dafür war sie einfach zu jung gewesen. Doch jetzt zu sehen, wie die Katze, die immer an sie geglaubt hatte, dies nicht mehr tat, tat weh.

»Dann geh am Besten zu ihm.« Klippensterns Stimme war kalt, sein Blick hart. »Böenpfote, von diesem Moment an bist du verbannt und kein Mitglied unseres Clans mehr.« Die Schülerin hatte gewusst, was passieren würde. Dennoch war es ein Schock, diese Worte zu hören.

Trotzdem neigte sie zustimmend den Kopf und ging in Richtung Lagereingang. Als sie dort angekommen war, blieb sie noch einmal stehen und schaute zurück. »Mag sein, dass ich nicht bestimmen kann, wem mein Herz gehört. Doch ich kann entscheiden, wen ich belüge und wen nicht.«

»»-»«-««

Tief durchatmen, Böenpfote, du schaffst das, rief die Schülerin sich immer und immer wieder ins Gedächtnis, während sie zum wiederholten Mal einen Blick auf das Land vor ihr warf.

Es sah anders aus, als ihre gewohnte Umgebung, was nicht weiter verwunderlich war. Die Clans lebten in und an einem Moor am Fuße der Berge. Dabei war der BruchsteinClan der einzige Clan, der wirklich in den Bergen lebte.

Da traten drei Katzen des DämmerungsClans in ihr Sichtfeld und nahmen Böenpfote so die Entscheidung ab, wann sie dieses Territorium betreten würde. »Was tust du hier?«, miaute der größte von ihnen misstrauisch. »Wir haben dich beobachtet. Du stehst dort schon eine ganze Weile«, ergänzte eine andere Katze.

»Ich muss mit Häherstern sprechen.« Ihre Stimme war fest und weder in ihr, noch in dem Blick der Kätzin, lag Unsicherheit. Der große Kater nickte, scheinbar hatte sie genau das richtige getan. Die anderen beiden sahen nicht so aus, als würden sie die Entscheidung des hellgrauen gutheißen, widersprachen jedoch nicht.

So ging die Schülerin mit den fremden ins Lager des Clans, um dessen Aufnahme sie bitten würde. Sie wurde flankiert, wodurch es aussehen musste, als wäre sie eine Gefangene, doch Böenpfote wollte sich nicht beklagen, sonst würde es nur noch komplizierter werden.

Als die vier Katzen dann das Lager betraten, fiel erst einmal niemandem auf, dass etwas nicht stimmte, immerhin kamen und gingen täglich Patrouillen.

Doch als der erste Krieger seinen Blick auf sie richtete, war es, als hätte er eine Kettenreaktion ausgelöst. Plötzlich sah jede Katze sie an. Nur jener, bei der die Schülerin dies wirklich wollte, war nirgends zu sehen.

Da bemerkte sie, dass auch der Anführer sie durch seine blauen Augen musterte und Böenpfote wusste, dass sie sich erklären musste, obwohl der Kater nichts gesagt hatte. »Ich möchte mich eurem Clan anschließen«, miaute sie daher und obwohl sie sich alle Mühe gab, gelang es ihr nicht, das Zittern aus ihrer Stimme zu vertreiben.

»Was hat dich zu dem Schluss geführt, dass dieser Clan besser für dich geeignet wäre, als der, in dem du aufgewachsen bist?« Die Ruhe in Hähersterns Stimme beruhigte sie ein wenig und so sprach sie weiter, genau in dem Moment, als ein hellbrauner Kater die Kinderstube verließ.

»Ich liebe Hyänenpfote und möchte mit ihm zusammen sein.« Sofort blitzte Mitleid in den Augen der Katzen auf und Angst bohrte sich in ihr Herz. War dem Kater etwas zugestoßen?

Doch da trat dieser auch in ihr Blickfeld und Erleichterung breitete sich in ihr aus. »Das hättest du nicht tuen sollen.« Dann schmiegte er sich wie zur Erklärung an eine dunkelgraue Kätzin, deren Bauch sich leicht unter dem Gewicht ungeborener Junge wölbte.

Entsetzen und tiefe Trauer mischten sich in ihr und formten sich zu einer Klaue, welche sich um Böenpfotes Herz schloss und langsam zudrückte. »Es tut mir Leid, doch mein Herz gehört Bleifang und unseren zukünftigen Jungen, nicht dir.«

Getuschel breitete sich aus, trotz Hähersterns warnendem Blick. »Riffpfote, bring sie in den Schülerbau«, miaute er daher. Auf seine Worte hin kam ein Kater zu ihr, welcher sie langsam in Richtung eines Baus führte. »Sollte sie sich unserem Clan dennoch anschließen wollen, wird morgen ihre Zeremonie stattfinden.«

Die Schülerin wusste, dass sie ein Mitglied des DämmerungsClans werden musste. Das war ihr so bewusst, wie ihr gebrochenes Herz es ihr war. Dem BruchsteinClan ging Loyalität über alles, daher würden seine Katzen ihr nie verzeihen, was sie heute getan hatte, am wenigsten Klippenstern.

»Sein Name ist übrigens Hyänengeist«, miaute der Kater, der sie zum Bau gebracht hatte zum Abschluss, dann verließ er Böenpfote und ließ sie so allein. Die Kätzin war ihrem zukünftigen Anführer dankbar dafür, ihr einen Moment Ruhe beschafft zu haben. So konnte Böenpfote ihrem Schmerz freie Bahn lassen und nachdenken. Sie war tatsächlich eine dumme und naive Schülerin, denn sie hatte es geschafft, an einem einzigen Tag alles zu verlieren.

Im blassen Schein des IrrlichtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt