Kapitel 25 (Ende erster Teil):

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Zwei Wochen nach den Ereignissen um Kyoto:

Freundlich lächelnd nahm ich der Frau an der Krankenhaus Rezeption meine Unterlagen ab. Und drehte mich zum Ausgang, wo meine Mutter wie wild gestikulierte. Vielleicht wollte sie mir sagen, dass ich mich beeilen solle, oder sie verscheuchte unsichtbare Vögel. Von der Skala aus gesehen, konnten diese Handzeichen alles bedeuten. Ich umklammerte meine Unterlagen noch ein Stück fester, dann schritt ich zu Mama.
»Misaki Schätzchen, wieso hat das so lange gedauert?!« fuhr sie mich sofort an und packte mich am Arm, um mich grob mitzuzerren. Inmitten der Bewegung fiel ihr dann allerdings doch noch ein, dass ich gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen wurde und sie ließ mich sofort wieder los. »Kosaku und Étienne stecken mitten in ihren Umzugsvorbereitungen und deine Schwester hat mich gebeten ihr etwas unter die Arme zu greifen.«

Ah, so ist das also...
Über die zwei Wochen, die ich im Krankenhaus verbringen musste, war Mama die erste Woche furchtbar aufgebracht und hatte mich jeden Tag mehrere Stunden besucht. In der zweiten Woche allerdings waren Koko und Étienne aus Bali zurückgekehrt und von da an besuchte sie mich noch zweimal, wobei jegliche Fragen nach meinem Befinden, sofort umschweifenden Erklärungen über den bevorstehenden Umzug wichen.
Es war ehrlich gesagt ein wenig ermüdend.
Koko selbst hatte mich auch besucht. Drei Mal in der Woche, als sie wieder da waren. Im Gegensatz zu unserer Mutter war sie die Ruhe in Person und einfach nur unfassbar glücklich. Ich gönnte es ihr von Herzen, immerhin war Étienne wirklich nett und sogar bereit in Japan zu leben, obwohl seine Familie so weit weg blieb.

So eine große Liebe ist wirklich wundervoll...
Mein Herz stach bei dem Gedanken an Satoru und ich musste mich zusammen reißen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Wenn ich abwiegen müsste was schwerer wog: Zwei gebrochene Rippen und reihenweise Prellungen gegen ausgereiften Liebeskummer, dann hatte mir letzterer deutlich mehr Nächte vermiest. Ich hatte von ihm nichts mehr gehört. Natürlich war das mein ausdrücklicher Wunsch gewesen, aber in dieser ersten Woche konnte ich kaum anders, als alles zu bereuen. Meine Gedanken waren überflutet von seinen Küssen und die Wärme seiner Umarmung, als er mich gehen ließ.

Als ich meine Mutter vom Krankenhaus aus angerufen hatte und ihr unter Tränen beichten musste, dass wir uns getrennt hätten und dass ich kurz darauf ungünstig von einer Reling gestürzt war, war sie überraschend verständnisvoll und entgegen meiner Erwartung fragte sie nicht zuerst nach den genauen Umständen, sondern wie es mir gehe. Natürlich holte sie den Rest bei ihrem ersten Besuch gründlich nach, aber in diesem Moment war ich froh, sie als Mutter zu haben. Bei der Gelegenheit erfuhr ich auch, dass Tomoki und Erika sich ebenfalls getrennt hatten und das anscheinend auch nicht im Guten. Leider wusste sie keine genauen Details, obwohl ich mir sicher war da einige beisteuern zu können.

»Misaki! Komm jetzt!« rief Mama über den Parkplatz hinweg, während ich hinter ihr her trottete. Obwohl meine Verletzungen gut geheilt waren, meinten die Ärzte ich solle vorerst unnötigen Sport vermeiden, also tat ich genau das.
»Ich darf nicht rennen!« schrie ich ihr daher zurück und behielt mein Tempo bei. Meine Mutter simulierte nun Migräne, indem sie drei Finger gegen ihre Stirn presste, aber zumindest stehen blieb. Anscheinend hatte sie unser Auto erreicht.
Rasch holte ich zu ihr auf.
»Bin da.«
»Schön, dann steig ein.«

Unsere Aufgabe beim Ach-so-großen-Umzug bestand hauptsächlich darin Koko und Étienne auszureden wirklich alles mitzunehmen. Beide wollten mir nicht zumuten schwere Sachen zu tragen, also verbrachte ich meine Zeit damit ihre Sammlung an Kröten-Büchern und anderen biologischen Schnickschnack, ordentlich in eine passende Kiste zu stapeln.
Keine anstrengende Arbeit, aber zugegeben etwas eintönig. Das Einzige, was einem hierbei stressen konnte war Étienne, der ständig den Raum betrat, den ich gerade eigentlich für mich hatte, sich kurz umsah und dann mich anstarrte, als würde ich hier nicht reinpassen.
Beim dritten Mal wurde es mir dann doch zu bunt. Normal würde ich sein Verhalten auf Kokos Schwangerschaft und den ganzen anderen Stress schieben, aber wenn er nicht auch noch sie damit wuschig machen wollte, empfand ich es als meine schwesterliche Pflicht ihn kurz zurechtzuweisen.

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt