Am nächsten Tag meide ich Essad in der Schule, obwohl es mir damit wahrscheinlich genau so schlecht geht, wie wenn ich mich der Peinlichkeit von gestern Abend einfach stellen würde.
Ich sitze im Klassenraum neben ihm und vermisse ihn, obwohl er so nah bei mir sitzt, dass sich unsere Schultern beinahe berühren.
Er sucht immer wieder das Gespräch, doch ich antworte ihm nur neutral und das Nötigste. Keine Spur von der Vertrautheit, die wir sonst teilen.
Es hat mich verletzt, dass er mich so plötzlich abgewiesen hat und ich habe Angst davor, dass er mich jetzt nicht mehr will.
Ich habe das Gefühl, als würde mich eine unsichtbare Mauer von ihm trennen. In meinem Kopf toben Gedanken wie ein Sturm, während mein Herz sich gleichzeitig nach ihm sehnt und sich vor der Unsicherheit fürchtet.
Yara bemerkt sofort, dass etwas nicht stimmt und nimmt mich in der ersten Pause beiseite. "Maus, was ist los? Du bist heute so anders", fragt sie mich besorgt, während wir durch den Flur laufen.
Ich zwinge mich zu einem halbherzigen Lächeln. "Es ist nichts, wirklich. Ich bin nur müde", antworte ich mit leiser Stimme. Ich war schon immer eine miserable Lügnerin.
Yara mustert mich skeptisch an, ihre Augen zugekniffen. Sie zieht die Stirn kraus, als ob sie die Lüge in meinen Worten herauslesen könnte. "Hast du dich mit Essad gestritten oder so?", hakt sie nach.
Ich schüttele den Kopf. Ich weiß, dass sie mir nicht glaubt, aber sie lässt es gut sein. "Okay, aber wenn du reden möchtest, bin ich da", sagt sie schließlich und drückt kurz meine Hand.
Trotz ihrer Worte fühle ich mich allein. Mein Blick schweift sehnsüchtig über den Schulhof zu Essad, der mit Nihat und Oktay lacht und an seiner Zigarette zieht. Das Lachen auf seinem Gesicht versetzt meinem Herzen einen Stich.
Im dem Moment schaut er auf, sein Blick trifft genau den meinen. Kurz schauen wir uns nur in die Augen, der Lärm der Schüler um mich herum scheint zu verstummen, dann setzt er sich in Bewegung und kommt auf mich zu.
Ich versteife mich und meine Hände werden feucht.
Essad kommt vor mir zum Stehen, sein muskulöser Körper versteckt unter einer schwarzen Jeans, einem kuscheligen, grauen Hoodie und einem langen, schwarzen Daunenmantel von Nike, den er offen trägt.
"Shalia, können wir kurz reden?" Seine Stimme ist ruhig, aber ich spüre die Dringlichkeit darin.
Ich nicke zögerlich, entschuldige mich bei meiner besten Freundin und folge ihm in eine ruhigere Ecke des Schulhofs, abseits des Trubels.
Der Wind trägt den Duft von frisch gemähtem Gras der kleinen Rasenfläche zu uns herüber und die Wintersonne wärmt mein Gesicht, während mein warmer Atem in der kalten Luft kondensiert.
Essad dreht sich zu mir um, seine Augen suchen meinen Blick, seine Augenbrauen heben sich fragend. "Was ist los mit dir?"
"Nichts. Ist einfach nicht mein Tag."
Er legt den Kopf schief, sein Blick bohrt sich stechend in meine Augen. "Lüg mich nicht an."
Ich senke meinen Blick, unfähig, seine Intensität zu ertragen, und schüttele einfach nur den Kopf.
Ich sehe, wie sich seine Kiefermuskeln anspannen und er seine Lippen zu einem schmalen Strich presst. Seine Hände verkrampfen sich, die Fingerknöchel treten weiß hervor. Er ist sauer auf mich. Es schmerzt, ihn so zu sehen, und noch mehr schmerzt es, ihn anzulügen.
Er atmet tief ein, sein Brustkorb hebt und senkt sich sichtbar. Wie immer versucht er sich zu kontrollieren. Sein Blick fixiert mich, seine braunen Augen lodern.
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Süß wie Baklava
Ficção AdolescenteNael und Shalia kennen sich seit dem Kindergarten, denn genauso lange ist Nael schon der beste Freund ihres älteren Bruders Zayn. Deshalb treffen die beiden sich auch heimlich, als ihnen klar wird, dass sie mehr füreinander empfinden als Freundschaf...