Am nächsten Morgen weigere ich mich, in der Uni zu erscheinen. Doch meine Abwesenheit wäre gar nicht nötig gewesen, da ich im Nachhinein durch Eden herausgefunden habe, dass auch Noah nicht in der Uni war. Auch sonst habe ich über den ganzen Tag hinweg nichts von Noah mitbekommen, wir haben uns weder gesehen, noch telefoniert oder geschrieben. Es ist, als wären wir beide vom Erdboden verschluckt.Ich habe den Tag damit verbracht, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich es nur zu der Situation auf der Party kommen lassen konnte und habe mich dafür geschämt, dass Noah sich dazu genötigt gefühlt hat, mich zu küssen.
Ich verzweifle fast an meinen Schuldgefühlen, da ich gar nicht wissen will, wie Clara darauf reagieren wird. Wird Noah es ihr sagen? Oder hält er es für etwas so unwichtiges und so beiläufiges, dass er es für sich behält? Oder wird er ganz einfach schweigen, damit Clara nichts falsch versteht, schließlich hatten die beiden sich schon einmal wegen mir gestritten.
Ich bin schuld daran, dass Probleme in ihrer Beziehung entstehen.
Ich bin so unglaublich wütend auf mich selbst, so wütend war ich schon lange nicht mehr auf irgendwen.
Selbst meine Eltern haben gemerkt, dass es mir nicht gut geht, doch sie hatten glücklicherweise genug Respekt vor meinen Gefühlen, da sie mich nicht bedrängt haben, als ich nicht mit der Sprache rausgerückt bin. Dafür bin ich den beiden wirklich sehr dankbar.
Auch Eden hat verstanden, dass ich nicht über die Party sprechen möchte. Nachdem ich mich gestern in ihren Armen ausgeheult habe, habe ich die ganze Rückfahrt über kein Wort mehr von mir gegeben. Nicht, dass es nötig gewesen wäre, denn es hat sowieso absolute Stille im Auto geherrscht. Noah war mit den Gedanken ganz wo anders und offensichtlich wütend, doch wer kann es ihm verübeln.
Gott sei Dank hat er nicht bemerkt, dass ich geweint habe.
Das wäre nämlich der letzte Stoß für mich ins Verderben gewesen...
Ein Klopfen an meiner Zimmertür reißt mich aus meiner Verzweiflung und ich sehe auf. "Ja?", frage ich, als niemand spricht.
"Kann ich rein?"
Ich erschaudere bei dem Klang der bekannten Stimme. Ich setze mich steif im Bett auf und richte mein Oberteil, bevor ich Noah reinrufe.
Er betritt zögerlich mein Zimmer und schließt die Tür hinter sich, ehe er auf mich zukommt. Er schnappt sich den Stuhl von meinem Schreibtisch und schiebt diesen in die Nähe meines Bettes, um sich dann hinzusetzten. Während Noah mich betrachtet, wirkt er, als wäre ihm unbehaglich. Er seufzt, als er merkt, dass ich nicht Anstalt mache, das Gespräch zu beginnen und räuspert sich.
"Ich wollte nur Mal vorbeischauen... Wegen gestern... Die Situation hat mich ein wenig bedrückt und ich denke, dir geht es nicht anders", beginnt er und ich muss mich zusammenreißen, um nicht erneut zu Weinen zu beginnen.
Statt diesem Bedürfnis nachzugeben, straffe ich die Schultern und nicke dann schwach. "Ja... mich hat die Sache auch nicht losgelassen." Ich sehe Noah an und merke, dass er mir nicht richtig in die Augen schauen kann. Und das tut so weh, dass ich kurz den Atem anhalten muss. "Noah... du weißt... dass das gestern mein erster..." Ich atme tief durch, "mein erster..." Ich schaffe es nicht, meinen Satz zu beenden, doch das brauche ich auch nicht, da Noah das Wort ergreift.
"Ich weiß, Lindy. Es tut mir leid..."
Ich schließe für einen Moment die Augen. Mein Herz brennt wie verrückt. "Ich schäme mich so dafür, wie ich drauf war. Ich hätte nicht so viel trinken dürfen. Du... Du brauchst dich für nichts entschuldigen. Ich meine, ich habe dich regelrecht dazu gezwungen, mir in der Situation zu helfen..."
Noah räuspert sich. "Ich... Ich hätte das niemals getan, aber als Lewis auf dich zugekommen ist, dachte ich, dass du deinen ersten Kuss sicher nicht ihm schenken willst. Ich dachte... Scheiße, ich weiß nichtmal. was genau ich mir dabei gedacht habe..." Er verzieht das Gesicht, als wäre die Erinnerung an den Kuss wie Gift für ihn.
Ich kralle meine Finger in meine Bettwäsche. "Es... es tut mir leid, dass du dich dazu gezwungen gefühlt hast..."
Als Noah merkt, wie sehr mich das mitnimmt, lehnt er sich vor und sieht mich das erste mal direkt an. Seine Augen fangen die meine und es scheint, als würde ich in seinem Blick ertrinken. "Sag sowas nicht, Lindy. Ich hätte mit dem Gewissen, dass du mit einen von diesen dreckigen und komischen Kerlen deinen ersten Kuss erlebt hättest, nicht klarkommen können. Zumindest würde ich mir das nicht verzeihen..."
Ich atme tief durch. "Was... was hat Clara dazu gesagt?"
Noah weicht meinem Blick aus. "Ich habe es ihr nicht erzählt."
"Wieso nicht?"
Nun bin ich hellhörig.
Noah zuckt mit den Schultern. "Ich weiß, dass sie ausrasten würde. Es ist besser, wenn sie es nicht weiß. Zumal es eh nicht der Rede wert war."
Autsch.
Das tat weh. Mehr als jede andere Sache, die ich je von jemanden gesagt bekommen habe. Es tut so weh, dass ich Angst habe, dass Noah mir in meinem Gesicht anmerken kann, wie ich für ihn empfinde.
"Wie geht es dir eigentlich? Hattest du einen starken Kater?" Noah versucht das Thema in eine andere Richtung zu lenken, doch mein Herz zieht trotzdem wie verrückt.
"Naja, es ging...", antworte ich leise.
"Ich verstehe echt nicht, was dich dazu gebracht hat, so viel zu trinken. Das tust du sonst doch auch nie." Noah sucht meinen Blick, doch ich schaffe es einfach nicht, ihn jetzt anzusehen.
"Ich... Ich kann mich nicht mehr erinnern. Nochmals, sorry", sage ich deshalb, da ich will, dass dieses Thema endet.
Ich spüre, wie Noah seine Hand auf mein Knie legt und zucke kaum merklich zusammen. Als ich den Kopf hebe, treffen unsere Blicke erneut aufeinander. "Entschuldige dich nicht dafür. Lewis hätte das nicht ausnutzen dürfen, dass du wegen dem Alkohol gefügig warst. Ich... ich hätte bei dir sein müssen. Ich war beschäftigt damit, die ganzen Fremden aus der Wohnung zu schmeißen. Ich frage mich noch immer, welcher Bastard all die Leute gerufen und reingelassen hat..."
Ich seufze. "Das frage ich mich auch..."
Noah steht auf, was mich dazu bringt, ihn anzusehen. "Gut, ich will dich nicht unnötig wach halten, es ist schon spät und du bist sicher müde. Wir sehen uns dann morgen in der Uni?" Noah schenkt mir ein Lächeln. Aber irgendwie scheint es, als würde es seine Augen nicht ganz erreichen.
Ich versuche mich daran, es zu erwidern, obwohl die Tränen hinter meinen Augen nur darauf warten, wie ein Bach auszubrechen. "Ja... bis morgen."
Noah sieht noch einmal zurück, bevor er das Zimmer verlässt und mein Herzschlag setzt aus. "Gute Nacht, Lindy."
"Gute Nacht, Noah", flüstere ich noch, als er das Zimmer verlässt und die Tür hinter sich zuzieht.
Nun bin ich alleine und als hätten meine Tränen nur auf diesen Moment gewartet, treten sie an die Oberfläche. Und das Weinen hört erst dann auf, als ich vor Müdigkeit einschlafe.
A/N:Ich freue mich wieder mit einem Kapitel da zu sein ❤️
Was sagt ihr zu der Situation?
Wie geht es euch sonst so?
Wir lesen uns hoffentlich bald wieder
🫶🏼

DU LIEST GERADE
Friendzone ✓
Romantik"Lindy..." Seine Stimme ist rau und weht wie ein Sandsturm über meine Lippen. "Wenn du mich noch einmal so ansiehst, besteht die Gefahr, dass ich vergesse, dass wir beste Freunde sind... Das darf niemals passieren."