22 - Palast, Morgensaal

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Es lag eine Anspannung in der Luft, die Maya kurzatmig machte. Ein Streichquartett spielte leichte Melodien und Tänze, der Duft von Kaffee und Tee hing in der Luft und es war eine verhältnismäßig kleine Gesellschaft. Nichts im Vergleich zu den Bällen, die der Sommer mit sich bringen würde. Das war Absicht, da war sie sich sicher. Nicht viele Menschen hatten bisher den Beweis für das Gerücht gesehen, das sich im Adel breit gemacht hatte. Ein Gerücht, das so unmöglich war, dass Maya nur die Augen verdreht hatte, als Aday es ihr erzählt hatte. Maya betrat hinter der Hohepriesterin und neben ihrem Bruder den hohen Raum. Große blaue Vögel schmückten die Decke, meisterhaft gezeichnet. Ihre Schwingen schienen das Blau der Kleider zu spiegeln, die die Damen des Königsadels trugen. Die Hohe hatte kein Wort zu Maja gesprochen, seit sie zu ihrer Formation gestoßen waren. Sie waren nicht viele Ordensmitglieder heute morgen. Nur die Adelen Geschwister in ihren jeweiligen Positionen und drei Priesterinnen. Maja warf einen verstohlenen Blick nach links. Drei weitere Frauen begleiteten sie, die keine Priesterinnen waren. Zwei junge adlige Damen wichen zurück, als sie die Drillinge sahen. Maya konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Im Kontrast zu den blassen schmalen Priesterinnen, wirkte das Dreigestirn aus Gardistinnen, das die Hohe schützte, noch brutaler. Aday hatte erzählt, dass sein schlimmster Tag im Atheneum unter Coria Nocturnas Supervision stattgefunden hatte. Mehr hatte er dazu nie gesagt. Dass die drei Gardistinnen in ihren weißen Uniformen hier waren, gab den Ton des Morgens an. Während der König junge Adelstöchter und -söhne eingeladen hatte, um die Stimmung aufzulockern, war die Hohe offenkundig bereit für einen Kampf. 

„Interessante Gästewahl", murmelte Aday ihr zu. Maya nickte, doch ihr Blick lag nur auf dem Gastgeber. Bis eben hatte der König mit einer Frau gesprochen und dabei sogar gelächelt. Beim Anblick der Hohen und ihrer Begleiter hatte er sich aus dem Gespräch verabschiedet und das Lächeln war verschwunden. Die Geschwister flüsterten nicht mehr untereinander. Hätte das Quartett nicht gespielt, wäre es totenstill geworden im Raum, während der Alessandrini Monarch auf die Hohepriesterin zukam. Maya stand nah genug, um ihr Gespräch mit anzuhören.

„Eine Armee zu einem Tanz?", fragte er, nachdem er sich vor ihr verneigt hatte.

„Wein zu einer Hinrichtung", konterte die Hohe. Maya hatte ihr erzählt, wie der König ihnen zugeprostet hatte über den toten Körper des Assassinen.

„Wir sollten uns in meinem Richtssaal treffen und nicht zu einem Essen", sagte die Hohe sanft. „Ich fürchte bei dem Gedanken an Hinrichtungen vergeht mir der Appetit."

„Das eine schließt das andere nicht aus."

„Ihr werdet mich nicht durch Musik und Waffeln besänftigen. Ich bin nicht Eure Frau."

Der König nahm die Beleidigung hin.

„Tut mir die Ehre", er deutet in Richtung der Tafel. „Sagt mir, wie ich Euch besänftigen kann."

Maya und Aday warfen sich einen Blick zu.

„Gefährlich", flüsterte Aday, sobald sie Hohe sich in Bewegung setzte. Er hatte Recht. So offenkundig provokativ gingen die beiden normalerweise nicht miteinander um. Es war beinahe kindisch. Die Geschwister setzten sich an die Tafel, aber das letzte, an das Maja dachte, war Essen.

„Schubert", murmelte ihr Bruder. „Ist das sein ernst?"

„Nichts hiervon ist so gut gemeint, wie es scheint."

Eine Bedienstete goß Ascob Kaffee ein und wurde rot, als er sie kurz ansah. Die Hohe und der König standen auf dem Balkon und sprachen miteinander, während der Rest der Versammlung so tat, als würden sie davon rein gar nichts mitbekommen. Normalerweise wäre Maya näher am Geschehen, vielleicht sogar in Hörweite. Nicht, nachdem sie selbst der Grund für diesen Schlamasel war. Der Zweck dieses Treffens war nicht das Frühstück oder die Musik, er war rein politisch. Das wussten sie alle.

Skythief - Gefallene Sterne [2024 Version]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt