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Rüya war noch immer in Gedanken versunken, als wir das Krankenhaus verließen. Ich konnte sehen, wie die Sorge um das bevorstehende Gespräch mit ihrem Vater sie belastete.

„Habe ich das jetzt richtig verstanden? Dein Vater benutzt eine falsche Identität, alles über ihn war gelogen..." fragte ich leise auf dem Weg zu ihr nach Hause.

Rüya nickte. „Ich habe dich in diesem Thema angelogen, weil ich es dir nicht sagen konnte, es tut mir leid..."

Es entstand wieder eine Stille.

Ich hätte nie gedacht, dass Rüya mir so etwas verschweigen oder mich überhaupt anlügen würde... Sie hätte mir auch nichts sagen können, da ich ja nicht direkt Fragen über ihr Leben gestellt habe, als wir uns kennengelernt haben. 

Sie hat mir einfach Dinge über sich erzählt, und für einen Moment ging mir durch den Kopf: vielleicht hat sie mich bei mehreren Themen belogen. Das hat mich verletzt und ließ mich erkennen, dass ich sie eigentlich kaum kannte. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, schob Rüya ihre Gedanken zur Seite und sah mich an. 

Ihre Augen waren müde, aber entschlossen. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dich angelogen habe," sagte sie leise. „Es ist nur... die Sache mit meinem Vater ist kompliziert..."

Ich nickte langsam, versuchte ihre Worte zu verarbeiten. „Ich verstehe..."

Rüya seufzte und nahm meine Hand. „irgendwann werde ich dir alles erklären, dann verstehst du auch wieso ich es dir nicht sagen konnte..."

„Tamam (okay) Rüya..." antwortete ich und zog meine Hand aus ihrer.

Als wir schließlich bei ihrem Haus ankamen stellte sie den Motor ab und Rüya sah mich ernst an: „er kennt dich schon, nicht das du dich wunderst..."

Meine Mimik sagte schon
genug als eine Antwort.

Auf dem Weg ins Haus fühlte ich mich wie in einem Spionagefilm, bei dem ich plötzlich eine Hauptrolle spielte, von der ich nicht wusste, dass ich sie übernommen hatte.

Eigentlich wollte der Vater von Rüya erst morgen früh vorbeischauen aber es war wohl dringender als erwartet. Rüya öffnete die Tür zu ihrem Haus und ich folgte ihr.

„Setz dich doch schon mal ins Wohnzimmer, ich mache uns schnell einen Tee..." sagte Rüya, während sie in die Küche verschwand.

Ich blieb einen Moment unschlüssig stehen, dann setzte ich mich auf das dunkle Ledersofa. Meine Gedanken rasten. Rüya hatte mir nicht wirklich viel von ihrem Vater erzählt, aber das, was ich jetzt wusste, stellte alles, was ich von ihr zu wissen glaubte, in Frage. Die Minuten zogen sich hin, und das leise Klirren von Tassen und Löffeln aus der Küche war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Schließlich kam Rüya zurück, in ihren Händen ein Tablett mit einer Teekanne und zwei Tassen. Sie stellte es auf den niedrigen Glastisch vor mir ab und setzte sich dann auf die Sofakante, einen ganzen Stück weit von mir entfernt, um sich entspannt zu fühlen.

„Er wird bald da sein..." sagte sie und vermied meinen Blick.

Ich nickte nur und griff nach einer Tasse. Der heiße Dampf stieg auf und wärmte mein Gesicht, aber die Kälte in meinem Inneren blieb bestehen.

Was sollte ich von diesem Treffen erwarten?
Was für ein Mensch war Rüya's Vater wirklich?

Es vergingen keine fünf Minuten, als ich plötzlich ein leises Klopfen an der Tür hörte. Rüya zuckte leicht zusammen und stellte ihre Tasse hastig ab. Sie ging zur Tür und ich hörte wie sie leise sprach, bevor die Tür langsam geöffnet wurde. Ein Mann trat ein. Er war größer, als ich erwartet hatte, mit scharf geschnittenen Zügen und einem Blick, der viel zu wissen schien. Seine Augen, so bemerkte ich sofort, waren dieselben wie Rüya ihre, aber sie wirkten kühler und distanzierter.

𝒃𝒂𝒔𝒊𝒎𝒂 𝒃𝒆𝒍𝒂𝒔𝒊𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt