Prolog

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„Nour, bitte. Ein Grußvideo. Ich bitte dich." Mein 13-jähriger kleiner Bruder kniete sich vor mich hin und flehte mich mit ganzem Herzen an.

„Ich versuch's, okay. Komm mal bisschen runter," sagte ich nachgebend und schüttelte den Kopf. Ein Grußvideo war doch unmöglich. Wie soll man bei einer Menschenmenge nach einem Video vom Künstler fragen, der seine eigene Show durchziehen muss?

„Ich will nur, dass er meinen Namen sagt und mich grüßt. Du checkst das schon, bitte." Er flehte weiter, obwohl ich schon zugestimmt hatte.

„Ich versuch's...," wiederholte ich leise und fuhr ihm durch seine großen, dunklen Locken. „Danke," sagte er mit einem Lächeln, aber ich sah ihm an, dass er enttäuscht war. Eigentlich wollte er mitkommen. Doch Mama würde ihn nicht lassen.

„Wenn du 18 bist, nehm ich dich irgendwann mit," versprach ich ihm.

„Bis dahin dauert es noch fünf Jahre. Solang will und kann ich nicht warten." Er runzelte kurz die Stirn, aber als er meinen Blick sah, schluckte er seine Enttäuschung herunter. „Pass auf dich auf, mein Herz," sagte meine Mutter, die etwa genauso groß war wie mein kleiner Bruder.

„Mach ich, Mama," lächelte ich und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor ich mir die Handtasche über die Schulter warf.

Es war schon 11 Uhr, und um 11:40 sollte meine Bahn am Gleis abfahren. So wie ich die Deutsche Bahn kenne, hat sie mindestens zehn Minuten Verspätung, dachte ich, während ich mich beeilte.

Auf dem Weg zum Bahnhof ließ ich mir die Playlist auf die Ohren, die Lorette extra fürs Festival erstellt hatte. Sie hatte mich regelrecht gezwungen, sie durchgehend anzuhören, weil ich sonst ihrer Meinung nach keinen der Songs kennen würde. Als wäre ich nicht der größte Fan der Künstler.

Am Bahnhof in Offenbach angekommen, rief ich sofort Lorette an, um ihr meine Ankunft mitzuteilen.

„Wo bleibst du, Mann? Die Bahn ist pünktlich!", schrie sie mir direkt ins Ohr.

„Chill doch mal. Ich bin auf dem Weg!", rief ich zurück und fing die genervten Blicke der anderen Reisenden auf.

Ohne ein weiteres Wort legte ich auf, packte meine Tasche fester und joggte zum Gleis. Eher joggte ich halbherzig, denn für eine Bahn würde ich nie richtig rennen.

Gerade noch rechtzeitig kam ich an, wo Lorette vor dem Eingang stand und mir den Kopf schüttelnd entgegenlächelte.

„Immer kommst du zu spät," tadelte sie, doch ihr Lächeln zeigte mir, dass sie mir nicht lange böse sein konnte. Immerhin hatte ich es ja doch noch geschafft.

„Kennst mich ja. Zu spät kommen ist mein Beruf," grinste ich und zog sie in eine kurze Umarmung, bevor wir uns auf unsere Plätze setzten und von Frankfurt direkt nach Hannover zum Heroes Festival fuhren.

Bros before hoes |Aymen & NimoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt