Kapitel 2: Das Verlangen eines Königs

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Ganz Winterfell war gespannt auf die Ankunft von König Robert Baratheon. Die ersten Boten verkündeten die Ankunft des Zuges vor den Toren von Winterdorf und der gesamte Haushalt der Starks stand im Burghof bereit. Obwohl, zwei fehlten. Arya schlich herum, um sich einen Helm zu suchen und Bran kletterte auf einen der Türme von Winterfell. Von dort aus konnte er bereits die ersten Bannerträger und Ritter sehen. Die meisten der Berittenen trugen die rote Rüstung der Lannisters und nach ihnen kamen einige Männer in goldenen Rüstungen mit weißen Umhängen - die Königsgardisten. Catelyn musste ihren Sohn abermals ermahnen, nicht zu klettern und Ned nahm Arya ihren Helm weg, den der gehörte sich nicht für eine Lady.

Also nahmen sie Aufstellung. Der Lord und die Lady von Winterfell standen in der Mitte. Links neben Catelyn Stark stand Rickon und der Rest der Kinder war dem Alter nach neben Ned aufgestellt. Obwohl, eigentlich hätte Lyanna neben ihrem Vater stehen sollen zumal sie um ein paar Minuten älter als Robb war, aber nachdem Robb der Erbe von Winterfell war, bekam er in diesem Fall das Vorrecht.

Als König Robert Baratheon, belastet von seiner eigenen Trauer, in Winterfell ankam, um Eddard Stark als seine Hand zu ernennen, brachte er eine längst vergessenen Liebe mit sich. Er begrüßte seinen alten Freund und dessen Familie. Er sprach mit Robb, der nach ihm benannt wurde, doch dann wanderte sein Blick weiter auf Lyanna. Lyanna, das Spiegelbild ihrer Tante, entfachte einen Sturm von Emotionen in ihm. Auch deshalb bat er Ned, ihn in die Krypta zu führen.

Vor Lyannas Statue zündete er eine Kerze an und legte ein Geschenk für sie ab. Er begann, mit Eddard über die Rebellion zu reden, davon wie er Rhaegar Targaryen für seine Taten an der Rubinfurt erschlug und darüber, dass Rhaegar ihm seine große Liebe genommen hatte. Die beiden schwelgten eine kurze Zeit lang in Erinnerungen an ihre Jugend, bevor Robert Ned fragte, ob dieser als seine Hand mit nach Königsmund kommen würde. Ned ahnte bereits, dass das der Grund des Besuches war, trotzdem überraschte und überforderte ihn der Vorschlag. Er hatte viele Bedenken, doch schlussendlich stimmte er der Freundschaft wegen zu.

Im Schein der Fackeln an den Wänden und der Kerzen bei den Statuen bat Robert um noch etwas:

„Du hast eine Tochter, ich habe einen Sohn. Es wird Zeit, dass wir unsere Familien vereinen. Mit Joffrey und Sansa. Und wenn du mit ihr nach Königsmund gehst, will ich, dass du deine älteste mitnimmst. Das ist ein Befehl."

Ned sah den König an. Sein Blick wanderte auf das steinerne Abbild seiner Schwester und dann wieder zurück zu Robert. In seinem Inneren hatte er so etwas bereits befürchtet. Er hatte jedoch gehofft, es würde nie passieren. Doch jetzt war es so weit. Roberts Liebe zu seiner Lyanna war eine Flamme, die niemals wirklich erloschen war, selbst inmitten des Tumults des Krieges und der Lasten des Königtums. In seinem Kopf blieb sie die unantastbare Vision von Schönheit und Ehre, für immer verwoben mit den Erinnerungen seiner Jugend. Doch er war ein Mann, der von Pflicht und Verpflichtung gebunden war, sein Herz zerrissen zwischen den Verantwortungen der Krone und der Sehnsucht nach einer Liebe, die niemals wieder entfacht und niemals durch eine andere ersetzt werden konnte.

„Ich kenne dich Robert. Lyanna hat etwas Besseres verdient, als deine royale Mätresse zu sein. Sie verdient einen stattlichen Mann, mit dem sie Kinder zeugen und eine Familie gründen kann und nicht einen alten, fetten König."

Ohne darauf zu antworten, drehte Robert sich um und ging. Das Echo seiner wütenden Schritte hallte durch die Gänge der Krypta, in der seit Generationen die Lords von Winterfell und auch Lyanna begraben liegen. Als Brandon der Erbauer Winterfell auf den heißen Quellen erbauen ließ, ließ er diese Krypta errichten. Legenden zufolge könnten dort unten die Geister der Verstorbenen weiterleben. Zwei Schattenwölfe aus Stein zieren und bewachen den Eingang, eine schwere Holztür mit reichen Verzierungen, den nur die Starks benutzen sollten.

Wenig später ließ Eddard Robb, Jon und Theon zu sich rufen. Er trug ihnen auf, Lyanna im Auge zu behalten und mahnte sie, während der Anwesenheit von Robert Baratheon ihre Schwester nie allein zu lassen. Er fürchtete insgeheim, Robert könnte sich Rhaegar zum Vorbild nehmen und Lyanna entführen oder ihr auf irgendeine Art und Weise Schaden zufügen. Außerdem machte er sich selbst Vorwürfe. Hätte er sie damals nicht Lyanna genannt... Während sich Ned mit diesen Gedanken selbst den Kopf zerbrach, wurde Robert vorerst nicht mehr gesehen. Erst beim festlichen Abendmahl in der Großen Halle von Winterfell tauchte Robert wieder auf.

Bei Kerzenschein, Bier, Wein und den feinsten Speisen saßen die Gefolgsleute der Starks und Baratheons zusammen. Oben auf dem Podest unterhielt sich gerade Catelyn mit Königin Cersei. Sie sprachen über Sansa und über die Zukunft. Robert saß daneben und tat, was er so oft zu tun pflegte: Er trank. Gleich vor dem Podest stand ein Tisch für die Kinder des Lords, nur Jon war an diesem Platz nicht erwünscht. Um ehrlich zu sein, Jon war generell bei diesem Fest nicht erwünscht. Catelyn verbat es ihm, in der Halle zu sitzen, sie fürchtete, es könnte für den König beleidigend sein, mit einem Bastard ein Fest abzuhalten. Jon hielt sich sowieso lieber draußen auf, anscheinend genauso wie der Gnom, Tyrion Lannister. Beide waren Mitglieder nobler Familien und beide waren nicht immer in diesen Kreisen willkommen und das machte sie einander sympathisch.

Kurz darauf kam ein Reiter durch das große Tor. Es war nicht nur dem spärlichen Licht der Fackeln an den Mauern, sondern auch dem dunklen Gewand des Fremden geschuldet, dass man ihn nicht erkannte. Nur sein Gesicht leuchtete wie ein Mond in der Dunkelheit, ein Gesicht, dass diesen Mauern nicht fremd war. Der mysteriöse Gast war niemand anderer als Benjen Stark, der jüngere Bruder von Lord Eddard und Erster Grenzer der Nachtwache. Sein Eintreffen freute Jon. Schon immer bewunderte er die Nachtwache, ein Ort, an dem Ausgestoßene, Sonderlinge und Bastarde wie er immer willkommen sein würden. Schon seit Jahren bettelte er immer wieder seinen Vater an, ihm zu erlauben, das Schwarze anzulegen, doch immer wurde seine Bitte ignoriert. Wieso wusste er nicht, er war nicht der Erbe von Winterfell noch würde er jemals irgendetwas erben. Er war nur der Bastard des ehrenwertesten Lords von Westeros und sein Nachname „Schnee" sollte ihn auf Ewig daran erinnern.

In der Großen Halle ging indes das Festmahl weiter. Auch Ned freute die Anwesenheit seines Bruders. In einer Ecke redeten sie. Sie erzählten einander von den Ereignissen seit ihrem letzten Zusammentreffen und Ned fragte seinen Bruder nach dem Deserteur. Ein guter Mann soll er gewesen sein, ein Dieb, der die Mauer anstelle des Galgens wählte. Am liebsten hätte Eddard den Mann gehen gelassen, die Ehre und die Pflicht verlangten aber das Gegenteil. Kurz darauf bekamen auch die anderen Stark-Geschwister die Anwesenheit ihres Onkels mit. Wenn er von seinen Abenteuern erzählte, hingen sie ihm von Kind auf an den Lippen, besonders Lyanna und Arya. Die beiden Schwester hatten schon immer den gleichen Drang zu Abenteuern und zur Freiheit. Ned gab dem „Wolfsblut" in ihren Adern die Schuld, verurteilte sie aber nie deswegen, zumal es ihn an seine Schwester Lyanna erinnerte. Sie war genauso wild und frei. Den Göttern war Dank, dass Lyanna immerhin einen Teil des Pflichtbewusstseins ihrer Mutter geerbt hatte. Vielleicht würde sich diese Charaktereigenschaft auch noch bei Arya zeigen, wenn diese erwachsen würde.

Es war gerade, als Lyanna mit Benjen zur stimmungsvollen Musik tanzte, dass Robert seinen Krug erhob und alle Inne hielten. Er stand auf und räusperte sich. Seine Blicke wanderten durch den Saal. Joffrey schien von den „Wilden", wie er die Nordmänner nannte, angewidert. Cersei schien die Stimmung ihres Sohnes zu teilen. Sein Blick blieb an Lyanna hängen, wanderte noch einmal kurz ab zu deren Vater und richtete sich dann zu Boden. Robert räusperte sich erneut und fing dann an, zu sprechen. Er verkündete in Eddard Stark seine neue Hand und berichtete von der Verlobung zwischen Prinz Joffrey, seinem ältesten Sohn und Sansa Stark. Sansa strahlte währenddessen richtig. Sie fand ihren Neuverlobten galant und attraktiv und sie freute sich, seine Königin zu sein und seine Kinder zu bekommen.

Danach war es kurz still. Leise hörte man einen der Schattenwölfe heulen. Ansonsten war kein Geräusch zu vernehmen. Noch immer stand Robert mit dem Krug Bier da.

„Außerdem befehle ich die alsbaldige Vermählung zwischen Lyanna Stark und Jaime Lannister."

Ein Raunen ging durch den Raum. Mitgliedern der Königsgarde wie Ser Jaime war es verboten, zu heiraten, Kinder zu zeugen oder Land zu besitzen. Nur der König hätte den Schwur rückgängig machen oder die Regeln ändern können und das tat Robert Baratheon an diesem Tag.

Ned stürmte auf ihn zu und Robert entgegnete ihm: „Du wolltest, dass sie einen guten Mann bekommt. Jetzt wird sie die nächste Lady von Casterlystein."

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt