Abgesehen von den Schreckenstaten der Stadtwache und dem Erscheinen des Kometen gab es noch ein Ereignis, welches das einfache Volk in Königsmund besorgte. In der Zitadelle in Altsass war das Konklave mit Hilfe der berichte aller Großmaester und Maester aus ganz Westeros zu dem Entschluss gekommen, den Sommer als beendet zu erklären. Der Herbst sollte nun endlich beginnen, denn es war der längste Sommer, der jemals aufgezeichnet wurde. Ganze 10 Jahre hatte er gedauert. Säuglinge, die zu dessen Beginn auf die Welt gekommen waren, wuchsen mittlerweile zu Kindern und mache konnten sich schon gar nicht mehr an den letzten Winter erinnern. Jedoch brachte das Ende des ewig scheinenden Sommers eine große Angst mit sich, die Angst vor einem ebenso langen Winter, denn - wie die Starks mahnend erinnern - der Winter naht.
Mit jeder Schlacht, die Robb gewann, wurde er in den Augen der Lannisters selbstbewusster und siegessicherer, was vor allem Joffrey nicht gefiel. Deshalb ließ er eines Tages Lyanna und Sansa von zwei Soldaten abgeholt und in den Thronsaal gebracht. Shae, die gesehen hatte, wie die Mädchen weggebracht wurden, war klug genug, um Tyrion darüber zu informieren, denn Joffrey erwartete sie bereits mit einer gespannten Armbrust. Der ganze Hofstaat war vor dem Eisernen Thron versammelt und in den Augen jedes und jeder Einzelnen konnte man die Angst sehen. Angst und Erleichterung darüber, selbst nicht vor Joffrey stehen zu müssen, wie die Stark-Schwestern es tun mussten. Hätten es die Menschen nicht besser gewusst, hätten sie meinen können, Aerys säße noch dort oben. Aerys, der Irre König, der hinter jeder Ecke Verrat witterte und damit drohte, die ganze Stadt mit Seefeuer niederzubrennen.
Lyanna und Sansa hielten sich fest an den Händen, als sie Schritt für Schritt auf Joffrey und den Lauf der Armbrust zugingen. Ihre Herzen schlugen wie wild und Lyanna musste an das Versprechen denken, das sie ihrem Vater vor dessen Tod gegeben hatte. Das Versprechen, ihre Geschwister zu beschützen und in diesem Moment vor allem Sansa. Nie würde sie es sich selbst verzeihen können, würde ihr etwas zustoßen. Niemals.
Lancel Lannister berichtete von den bisherigen Schlachten, jede einzelne von ihnen war ein Sieg von Robb. Er nannte jeweils die Zahlen der Männer, die verstarben, verwundet oder gefangen genommen wurden, während Joffrey von den Schwestern Antwort für die Taten ihres verräterischen Bruders verlangte. Allein wenn man diese Zahlen hörte, schien es, als würden die Lannisters den Krieg gegen die Starks verlieren, aber es sind nicht immer Schlachten, die einen Krieg entscheiden. Lancel erzählte nicht nur von den Schlachten, er dichtete auch die abscheulichsten Lügen hinzu, um den Anwesenden Angst von den Barbaren aus dem Norden einzujagen.
"Es scheint mir, als müssten wir eine Nachricht an den Verräter Robb Stark schicken. Ser Meryn, lasst ihr Gesicht unversehrt, ich will, dass sie bei unserer Hochzeit schön ist."
Meryn Trant nahm seinen Helm ab und reichte ihn einem anderen Ritter der Königsgarde, dann stapfte er amüsiert die Stufen vom Podest, auf dem der Thron stand, hinunter.
"Wartet, Majestät", bat Lyanna, "Robb ist mein Zwillingsbruder. Er ist ein Teil von mir, wie ich auch ein Teil von ihm bin. Wenn ihr ihm eine Nachricht schicken wollt, dann tut das durch mich."
Lyanna stieß Sansa auf die Seite, nachdem Joffrey Trant zustimmend zunickte. Lyanna versuchte mit ihren Händen ihren Bauch und damit ihr ungeborenes Kind zu schützen und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Trant holte mit der Hand aus. Er verpasste Lyanna einen Schlag ins Gesicht, woraufhin sie ihr Gleichgewicht verlor. Mit einer Hand konnte sie sich abstützen. Knieend wartete sie auf den nächsten Schlag. Meryn Trant zog sein Schwert und ein Raunen drang durch den Saal. Sansa bettelte Joffrey an, er solle damit aufhören, doch sowohl Joffrey als auch seinen Ritter schien es zu amüsieren. Meryn Trant holte mit seinem Schwert aus, nicht um Lyanna damit zu schneiden, nein, er wollte es wie eine Peitsche benutzen und ihr damit auf den Rücken schlagen. Kurz bevor er das tun konnte, öffnete sich das große Tor und ein kleiner Mann kam schnellen Schrittes auf den Thron zu. Es war Tyrion gefolgt von dessen Söldner Bronn und Shae.
"Was hat das hier zu bedeuten? Welcher Ritter schlägt eine hilflose Frau, noch dazu, wenn sie ein Kind trägt?"
-"Einer der seinem König dient, Zwerg!", entgegnete Meryn Trant schnippisch.
-"Vorsichtig, wir wollen diesen schönen weißen Umhang doch nicht mit Blut beschmutzen", mahnte Bronn, der nicht nur eine scharfe Zunge hatte.
Shae und Sansa kümmerten sich um Lyanna, die zwar eine blutige Ober- und Unterlippe, aber dem Schein nach keine sonstigen Verletzungen hatte, während Tyrion mit strengen Worten versuchte, seinen Neffen zu Vernunft zu bringen. Er tat dies, indem er ihm nicht nur drohte, sondern auch daran erinnerte, dass die Schwestern womöglich der Schlüssel dazu seien, seinen Onkel Jaime wiederzubekommen, vor allem Lyanna. Lyanna trug immerhin Jaimes Kind, Tywin Lannisters Enkelkind, in ihr und besonders Tywin Lannister war ein Mann, vor dem sich sogar Könige fürchten mussten. Ein einfaches Lied genügte, um jedermann in Panik zu versetzen.
Später an diesem Tag besuchte Tyrion die Schwestern, nicht nur weil er sich nach Lyannas Verletzungen erkundigen wollte, sondern weil er wissen wollte, ob er Sansas Verlobung mit Joffrey auflösen sollte. So schwer es ihr auch viel, erhob Lyanna in dieser Belange Einspruch, denn sie wusste, Sansas Verlobung mit Joffrey sei für Sansa eine Art Lebensversicherung.
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The Red Wolf of the North
FanfictionMein Name ist Lyanna, älteste Tochter des Lord Eddard Stark und Lady Catelyn Tully. Das ist meine Geschichte, die Geschichte des Roten Wolfes des Nordens."