In den folgenden Tagen verbrachte Lyanna die meiste Zeit mit ihrem Sohn. Sie hielt ihn, wenn er weinte, betrachtete ihn stundenlang, während er schlief und sah den Ammen besorgt zu, wenn sie ihn fütterten. Lyanna selbst stillte ihn nicht, so war es Tradition für Frauen ihres Standes. Um aber den Milchfluss zu unterbinden, den sie ja trotzdem hatte, banden ihr die Ammen die Brust ab. Eine schmerzhafte Prozedur, bei der die Brüste mit einer reißfesten Stoffbahn an den Oberkörper gedrückt werden. Zwar war es auch während des Tages nicht gerade angenehm, empfand Lyanna es als am schlimmsten, wenn die Wickel abends oder nach jedem Bad gewechselt wurden. Außerdem blutete sie auch einige Wochen nach der Geburt noch, was zusätzlich sämtliche Art der Bewegung erschwerte und schmerzhaft machte. Insgesamt dauerte es etwas mehr als ein Monat, bis es Lyanna wieder besser ging und man keinerlei Anzeichen ihrer Schwangerschaft mehr sah. Nach dieser Wartezeit konnte sie endlich das Wochenbett verlassen und wieder gemeinsam mit ihrer Schwester am Hofleben teilhaben.
Sansa besuchte ihre Schwester und ihren Neffen recht oft, trotzdem musste sich Shae während Lyannas Abwesenheit um Sansa kümmern. Das führte unter anderem dazu, dass die beiden schnell eine Art Freundinnen wurden. Sansa konnte ihr ihre Sorgen anvertrauen, ohne zu fürchten, dass sie diese verraten würde. Immerhin hatte auch Shae wie es sich herausstellte etliche Geheimnisse. So fand Sansa nämlich heraus, dass Shae nie zuvor Zofe war und sich stattdessen ihren Unterhalt als Prostituierte verdient hatte. Erst Tyrion Lannister hatte sie nach der Schlacht am Grünen Arm mit nach Königsmund genommen, wo er sie dann zur Deckung bei den Schwestern als Zofe untergebracht hatte. Ihrem früheren Beruf war es auch geschuldet, warum sie sich so gut mit Geburten auskannte. Sie war in der Vergangenheit oft dabei, als Bastarde in den Bordellen zur Welt kamen.
Margaery Tyrell, die seit der Schlacht am Schwarzwasser Joffreys neue Verlobte war, brachte außerdem neuen, frischen Wind in die Hauptstadt. Wer sich aber wirklich mit der Politik der Sieben Königslande auskannte, wusste, dass die Tyrells nur eine weitere Schachfigur im Kampf um den Eisernen Thron waren. Dennoch, Margaery schien Joffreys Grausamkeit mit Zuneigung zu den Armen und Waisen auszugleichen. So brachte sie elternlosen Kindern beispielsweise Spielzeug oder verteilte Essen unter den Hungernden der Stadt. Würde Margaery jemals in die Annalen der Könige und Königinnen von Westeros eingehen, dann als Königin Margaery die Sanfte oder Königin Margaery die Gütige. Mit Gewalttätigkeit und Gefühlslosigkeit würde man lediglich Joffrey assoziieren, nicht aber seine Königin.
Sie freundete sich schnell mit Sansa an, denn sie war eine der wenigen Personen, die ihr gegenüber Mitgefühl zeigte. Außerdem bewunderte Sansa seit damals, seit dem Turnier der Hand, insgeheim Margaerys Bruder, Loras Tyrell. Ser Loras, der als Ritter der Blumen bekannt war, war der einzige Sohn des Lords von Rosengarten und somit dessen Erbe. Mit ihm würde Sansa sicherlich ein gutes Leben haben. Mitten in der Weite, weit entfernt von Königsmund, umgeben von duftenden Blumen und summenden Bienen würde es ihr sicherlich gefallen. Und Ser Loras war ein ehrenhafter Mann, ganz anders als Joffrey, ihn würde sie lieben können. Wer weiß, wenn Margaery Königin werden würde, würde sie es vielleicht geschehen lassen.
Auch Margaerys Großmutter, Olenna Tyrell, die Königin der Dornen, konnte die Schwestern aus dem Norden gut leiden, anders als Cersei oder einen der anderen Lannisters. Olenna sah in den Schwestern auch potenzielle Verbündete im immer komplexer werdenden Machtspiel in Westeros, in das Lyanna und Sansa hineingeworfen wurden. Im Gegensatz zu den Lannisters, die durch List und Verrat ihre Ziele verfolgten, bewunderte Olenna die Aufrichtigkeit und Geradlinigkeit, die die Nordmänner auszeichnete. Sie lud die Schwestern oft zu einem kleinen Essen im Garten des Bergfrieds ein, wo Sansa ihre neue Leibspeise, Zitronentörtchen, für sich entdeckte.
Für eine kurze Zeit lang, schien in Westeros Frieden zu herrschen, denn einige Tage lang berichteten die Späher und Spitzel weder von Schlachten noch von Aufständen oder Eroberungen. Es gab lediglich ein Gerücht, das die Runde machte. Das Gerede von Fischweibern und Waschfrauen, die nichts Besseres zu tun hätten als sich die wildesten Geschichten auszudenken und diese zu verbreiten. Was, wenn es diesmal nicht nur Tratsch gewesen sein sollte? Man erzählte sich, dass Catelyn Stark Jaime Lannister gegen den Willen ihres eigenen Sohnes und Königs freigelassen hätte und sich dieser auf dem Weg nach Königsmund befinde. Während diese Rederei den einen oder anderen positive Zuversicht brachte, sah sich Lyanna in ihrer Vermutung über das Schicksal ihrer Familie bestätigt.
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The Red Wolf of the North
FanfictionMein Name ist Lyanna, älteste Tochter des Lord Eddard Stark und Lady Catelyn Tully. Das ist meine Geschichte, die Geschichte des Roten Wolfes des Nordens."