Mit Julens Geburt und Tywin Lannisters Anwesenheit veränderte sich auch Lyannas Ansehen bei Hofe. Während sie zuvor lediglich die Tochter eines Verräters war, war sie jetzt die Mutter des Erben von Casterlystein. Endlich wurde sie nicht mehr wie eine Aussätzige behandelt, als hätte sie die Grauschuppen. Man musste nicht mehr fürchten, wegen Hochverrat geköpft zu werden, wenn man mit ihr ein nettes Wort wechselte. Julen brachte außerdem in Lyanna ungeahntes Selbstbewusstsein zum Vorschein. Vielleicht, weil Lyanna zu einer der wenigen Menschen in Königsmund zählte, die Tywin Lannister nicht fürchteten. Im Gegenteil, sie hatte sogar den Eindruck, als würde er sie mit Respekt und väterlicher Zuneigung behandeln. Schon seltsam, was solch ein kleines Kind bewirken konnte.
Von ihrer neu gefundenen Stärke und den Erfahrungen des Aufstandes von Königsmund getrieben, strebte Lyanna erste Veränderungen in ihrem neuen Leben an, wenn auch vorerst nur in ihrem Aussehen. Lyanna wollte nicht länger der Mode der Hauptstadt entsprechen, die Cersei Lannister für die letzten Jahrzehnte diktierte. Sie mochte ohnehin die langen Ärmel und den Schnitt der Kleider hier im Süden nie. Stattdessen bat sie ihre Schneiderin, ihr Kleider anzufertigen, die mit kürzeren Ärmeln und Schnitt eher an die im Norden erinnerten. Außerdem wollte sie ihre Haare nur mehr komplett hochgesteckt tragen, manchmal, wenn sie die Mauern des Bergfrieds verlassen musste, dann verlangte sie sogar nach einem seidenen Schleier. Dieser wurde an den zu einem Dutt geflochtenen Haaren befestigt. Sollte sie je wieder ein Mann von hinten überfallen wollen, hätte dieser nur den Stoff in der Hand. Niemand könnte sie so jemals wieder an den Haaren ziehen und danach schänden. Obwohl diese Veränderung für den normalen Menschen banal klang, war dies ein mutiger Schritt, um sich in der machthungrigen Welt von Westeros zu etablieren und es dauerte nicht lange, bis die ersten Ladys bei Hofe Lyanna als Vorbild gegenüber Cersei bevorzugten. Denselben Effekt hatte Margaery, die Joffrey immer mehr aus Cerseis Einflussbereich nahm und diese damit erzürnte.
An einem milden Mittag lud Lady Olenna Lyanna und Sansa zu einem Essen im Garten ein, wie sie es recht oft tat. Im Schatten einer Pergola wurden köstliche Speisen aufgetischt und der neueste Tratsch ausgetauscht, denn durch die Tyrell-Soldaten, die diese Treffen bewachten, war das eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen die Büsche und Sträucher weder Augen noch Ohren hatten. Olenna Tyrell war alt, was sie auch weise machte. Trotzdem war sie nicht auf den Mund gefallen, sie war so direkt, dass man glauben konnte, sie wäre nicht am sonnigen Arbor geboren, sondern mitten im kalten Norden.
„Bevor Margaery Joffrey heiratet, will ich wissen, ob die Gerüchte über ihn wahr sind. Wie ist er? Erzählt!", fragte die Königin der Dornen die Schwestern aus dem Norden.
Sansa und Lyanna konnten viel über Joffrey berichten, vieles davon hätte sie ihre Köpfe gekostet, hätte er es jemals erfahren, aber sie taten es trotzdem. Und als sie begonnen hatten, konnten sie fast nicht mehr aufhören. Die Schwestern berichteten von dem Zwischenfall mit Nymeria und dem Bäckerssohn. Sansa erzählte von all den Drohungen, die er ihr gegenüber aussprach. Natürlich ließen sie auch die Umstände des Todes ihres Vaters nicht aus, dass Joffrey versprach, ihn zur Mauer zu schicken, wenn er den gesehen würde, was er tat und trotzdem mit seinem Leben bezahlen musste. Es gab nur ein Wort in der Gemeinen Zunge, das ihn beschreiben konnte: Monster. Joffrey war nichts anderes als das und Lady Olenna schien das auch bereits zu wissen. Immerhin half es Joffreys Verteidigung auch nicht, dass man sich erzählte, er würde gerne Huren foltern und hätte erst unlängst eine von ihnen auf qualvolle Weise getötet.
Joffrey sollte nicht das einzige Gesprächsthema dieses Zusammentreffens sein, dafür vertrieb es zu sehr die Stimmung. Stattdessen widmete man sich freudigeren Themen. Ursprünglich war es Margaerys Plan, ihre neue Freundin Sansa ihren Bruder Loras heiraten zu lassen, doch Tywin Lannister machte diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Statt Sansa war Ser Loras nun mit Cersei verlobt, um die Allianz zwischen den Familien zu stärken. Weder die zukünftige Braut noch der zukünftige Bräutigam war davon erfreut. Die Hand wollte Sansa stattdessen anfangs mit Lancel Lannister vermählen, um auch die letzte Stark in die Hände seiner Familie zu bringen, doch Olenna kam ihm in dieser Sache zuvor. Auch wenn Lyanna als ihre ältere Schwester einen größeren Anspruch auf das Erbe der Starks hatte, schien es doch nicht verkehrt zu sein, Sansa in den eigenen Reihen zu wissen. Da die Tyrells aber selbst keinen heiratsfähigen Mann in ihrem Familienstammbaum hatten, wurde Sansa kurzerhand mit Dickon Tarly verlobt. Er war der älteste Sohn von Lord Randyll Tarly, dem ältesten und treuesten Vasallen von Rosengarten und Lord von Hornberg. Dickons älterer Bruder Samwell diente außerdem an Jons Seite bei der Nachtwache. Sansa war zwar mit dieser Abmachung nicht allzu sehr einverstanden, doch jeder Mann wäre besser als Joffrey und von ihrem neuen Verlobten erzählte man sich, er wäre ein galanter Ritter. Zudem war Hornberg weit weg von Königsmund und nicht allzu weit entfernt von Casterlystein wo Lyanna vielleicht bald herrschen würde. Nicht einmal ein Monat würde man über die Meerstraße vom Stein dorthin brauchen und so könnten sich die Schwestern wenigstens ab und zu sehen.
Die bevorstehenden Hochzeiten waren aber nicht der einzige Gesprächsstoff in der Hauptstadt. Das Gerücht, Jaime Lannister wäre freigekommen, schien sich wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Bald schon wussten die ganzen Kronlande davon und später ganz Westeros. Zugegebenermaßen machte es Lyanna Angst, ihn möglicherweise bald wiederzusehen. Nicht nur, weil sie nicht wusste, wie er auf sie und Julen reagieren würde, sondern auch weil sie um das Leben ihres Zwillingsbruders Robb und ihrer Mutter fürchtete.
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The Red Wolf of the North
FanficMein Name ist Lyanna, älteste Tochter des Lord Eddard Stark und Lady Catelyn Tully. Das ist meine Geschichte, die Geschichte des Roten Wolfes des Nordens."