Kapitel 34: Die königliche Hochzeit

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Bereits am nächsten Tag kam Jaime nach dem Mittagessen wieder zu Lyanna, weshalb sie bereits das Schlimmste befürchtete.

"Ich muss Myrcella aus Dorne holen, ich werde noch heute mit Bronn gemeinsam aufbrechen. Damit ich Dich und Julen in Sicherheit weiß, schicke ich euch so schnell wie möglich nach Casterlystein."

Lyanna weigerte sich nicht, Jaimes Anweisungen zu folgen. Auch sie wollte die Hauptstadt und all das, was an diesem Ort geschehen war, hinter sich lassen und in Casterlystein mit Julen neu anfangen. Deshalb stimmte sie, unter der Bedingung, erst nach der Hochzeit zwischen Tommen und Margaery abzureisen, zu. Jaime, der seine Familie sowieso nicht in seine Heimat begleiten konnte, nahm ihre Bedingung an und verabschiedete sich von ihr und von Julen, der mittlerweile schon seine ersten Schritte ging und erste Worte sagen konnte. Bevor die Sonne noch unterging, war Jaime bereits aus der Stadt.

Während sich Königsmund auf die königliche Hochzeit vorbereitete, plante Lyanna ihre und Julens Reise in die Westlande. Sie wollte am Morgen nach der großen Feier den Weg zum Stein antreten, weshalb ihr ganzes Hab und Gut abreisefertig in Kisten gepackt werden musste. Als sie gerade eine der Schubladen leerte, kam ihr ein kleines Stoffbündel in die Hände, das von einem Band zusammengehalten wurde. Als sie das Band entfernte und die Stoffecken zur Seite strich, entdeckte sie darunter die Brosche, die Mutter ihr damals zu ihrer Hochzeit geschenkt hatte. Lyanna war ganz verwundert, denn sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, sie vor ihrer Abreise in Winterfell eingepackt zu haben. Als sie dann später aber auch noch das Gewand fand, dass sie bei der Hochzeitszeremonie im Götterhain anhatte, dachte sie an die Hektik, in der sie ihre Heimat verlassen musste. In Erinnerungen an ihre unbeschwerte Zeit in Winterfell packte sie alles wieder sorgfältig ein, um die Stücke auch in ihrem neuen Zuhause bei sich zu haben. Die Brosche selbst wollte Lyanna aber noch einmal in Königsmund tragen.

Der große Tag war gekommen, Margaery Tyrell sollte erneut einen König der Sieben Königslande ehelichen. Wieder fanden sich beide Familien in der Septe von Baelor, in die etwa 700 Zuseher passten, zusammen. Die gesamte Septe war mit prächtigen Blumen, vor allem Rosen, geschmückt, selbst die unzähligen Kerzen waren speziell für diesen Anlass gegen neue Kerzen ausgetauscht worden.

Tommen, der junge König, wirkte nervös, aber glücklich, als er auf Margaery wartete. Anders als bei Joffrey schien Margaery diesmal wirklich glücklich zu sein, was ihr auch niemand verübeln konnte. Tommen würde mit Sicherheit einen besseren Ehegemahl abgeben, als Joffrey es jemals gekonnt hätte. Die einzige, die sich nicht über diese Vereinigung der Lannisters und Tyrells freute, war Cersei. Neben ihr stand Lyanna bei der Zeremonie in der Septe in der ersten Reihe, was Cersei noch weniger erfreute.

Nach der Zeremonie folgte ein großes Festmahl im Roten Bergfried, bei dem die Stimmung festlich und ausgelassen war. Die Anwesenheit von Cersei verlieh der Feier eine angespannte Atmosphäre, doch die Freude des jungen Paares überstrahlte alles. Musiker tanzten zu verschiedensten Liedern und Akrobaten zeigten beeindruckendste Kunststücke, während die frisch Vermählten nur Augen für einander hatten. Alles in Allem war es ein Tag, wie ihn sich die meisten Mädchen erträumen würden. Ein Start in eine blühende Zukunft für ganz Westeros, ein Bündnis, welches in Anbetracht des nahenden Winters nicht passender hätte sein können, denn während die Lannisters fast über das ganze Gold in Westeros verfügten, war die Weite die Kornkammer des Kontinents. In den fruchtbaren Ländern, über die die Tyrells herrschten, wurde der Großteil des Getreides von Westeros angebaut und in den Burgen in der gesamten Region gelagert. Ginge es also nach dem Volksglauben, dass auf einen zehnjährigen Sommer auch ein mindestens genauso langer Winter folgen würde, könnte sich Korn bald als wertvoller als Gold erweisen.

Cersei hatte von Lyannas baldiger Abreise gehört. Das in Kombination damit, dass Lyanna die neue Lady von Casterlystein war, ein Titel, der laut Cersei ihr selbst zustände, machte sie nicht gut auf Lyanna zu sprechen. Vielleicht war sie auch wegen Jaime eifersüchtig auf Lyanna, doch ihr war es egal. Nach dem Festessen entschuldigte sie sich und am Morgen würde sie kurz nach Sonnenaufgang aufbrechen.

An diesem besagten Morgen blickte Lyanna noch ein letztes Mal auf die große Stadt. Sie sah, dass aus einigen der vielen Fenster bereits Licht strömte. Gemeinsam mit der aufgehenden Sonne färbte dieses Licht die Häuser in den schönsten Rot- und Gelbtönen. Lyanna beobachtete die Sonne, als sie im Osten aufging und dem Mond seinen Platz am Himmel stahl. Danach verließ sie ihr Zimmer und holte Julen und dessen Kinderfrau ab. Zu dritt gingen sie in den Burghof, wo das Gepäck bereits auf Wägen verladen wurde. Für Julen und seine Kinderfrau wurde eine Kutsche bereitgestellt, Lyanna ritt stattdessen lieber selbst. Insgesamt würden sie fünfzehn Lannistersoldaten auf ihrer Reise begleiten, jeder von ihnen von Jaime persönlich ausgewählt. Einer von ihnen kam auf Lyanna zu und half ihr aufs Pferd.

"Mylady, wenn ich mich vorstellen darf, mein Name ist Ser Garret. Mylord, Ser Jaime hat mich als Eure persönliche Leibwache ausgewählt. Ich habe die Ehre, Euch und den kleinen Lord nach Casterlystein zu bringen."

Er hatte braune Augen und einen schmalen Mund, mehr konnte man durch den Helm nicht erkennen. Lyanna schätzte ihn vom Alter her als etwas älter als sie selbst, aber jünger als Jaime. Sein Umgangston war sehr vornehm und seine Stimme wirkte vertrauenswürdig. Lyanna konnte sich also gut vorstellen, weshalb Jaime ihn ausgewählt hatte.

Kurz darauf verließ die Gesellschaft um Lyanna, Julen und Ser Garret die Mauern des Bergfriedes, durch die Straßen, die sie einst von Winterfell hierher führten, ging es aus der Stadt. Als sie das Löwentor durchquerten, um auf den Goldweg zu gelangen, wagte Lyanna einen letzten Blick auf die Stadt, die ihr so viel Kummer und Schmerz beschert hatte. Wie oft hatte sie von einem solchen Tag nur geträumt?

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt