Der Weg von Königsmund nach Casterlystein war lang und beschwerlich. Etwa zwanzig Tage würde es dauern, um von einer Seite des Kontinents auf die andere zu gelangen. Der Goldweg sollte Lyanna und ihr Gefolge durch die Kronlande und Flusslande direkt nach Casterlystein bringen, zu einer uneinnehmbaren Festung, auf der sie in Sicherheit sein würden.
Anders als viele vermuteten, war es nicht Haus Lannister, welches diese Burg auf eine Felsenklippe baute. Vielmehr war es Haus Casterly, das diesem Bauwerk und Berg seinen Namen verlieh. Aber von den Casterlys war nichts mehr übrig, nur Casterlystein selbst erinnerte an die einst mächtige Familie. Manche sagten, Lann der Listige hätte einen geheimen Eingang in die Festung gefunden und so im Schlaf die Gedanken der Casterlys vergiftet, andere behaupteten, er hätte sich durch Bastarde mit goldenem Haar seinen Weg in die Familie erschlichen. Wie genau er es bewerkstelligte, war unwichtig, denn am Ende war es sein goldener Löwe auf rotem Grund, der von den Bannern der Burg, von den Toren und Schilden ihrer Soldaten und Segeln der Westflotte prangerte.
Die meiste Zeit ritten sie entlang des Schwarzwassers. An seinen flachen und grünen Ufern schlängelte sich der Goldweg, der von vielen Reisenden und noch mehr Händlern benutzt wurde. Als sie einen seiner Nebenarme, der aus dem Götterauge entsprang, überquerten, fiel Lyanna ein, dass sie sich jetzt in den Flusslanden befanden. Eine Region, die vor der Roten Hochzeit von der Familie ihrer Mutter regiert wurde, die Region, in der sie selbst zur Welt kam. Würde man aber zu diesem Zeitpunkt mit dem Forellenbanner durch die Gegend marschieren, käme dies einem Todesurteil gleich, denn die Freys hielten Schnellwasser und damit auch die Flusslande.
Entlang des Goldweges gab es fast keine Burgen, nur Tiefgraben lag in den Westlanden zwischen dem Stein und der Hauptstadt. Ansonsten gab es ab und an nur einige Bauernhöfe oder kleine Städte. Direkt an der Straße konnte man einige Gasthäuser finden, die oft die einzige Einkehrmöglichkeit boten. Diese Tavernen lagen meist im Abstand von nicht mehr als einem Tagesritt voneinander entfernt, sodass man nicht unter freiem Himmel schlafen musste. Durch den Krieg waren einige von ihnen aber zerstört und damit auch unbewohnt, weshalb Lyanna und ihrem Gefolge die eine oder andere Nacht in Zelten nicht erspart blieb. Um Zeit zu sparen, teilte sich Lyanna in solchen Fällen nicht nur Zelt, sondern auch Bett mit Julen und dessen Kindermädchen.
Nach einer solchen Nacht wurde Lyanna von Regentropfen geweckt, die auf das Zeltdach prasselten. Der Regen, für den die Flusslande so bekannt war, war eine willkommene Abwechslung von der staubigen Hitze der Hauptstadt, die feuchte Luft eine wohltuende Kur von dem Gestank in Königsmund. Gerade als die Kinderfrau wach wurde, kam Ser Garret in das Zelt, seine lockigen braunen Haare waren bereits durch den Regen nass geworden, als er Lyanna seine Sorgen vortrug.
„Mylady, verzeiht die Störung zu solch früher Stunde, doch wir sollten schnell weiter, bevor die Wägen im Schlamm versinken, wenn es noch so weiter regnet."
Er hatte Recht, würde auch nur eines der Wagen- oder Kutschenräder im Schlamm feststecken, würde es enormen Zeitaufwand und ausreichend Kraft brauchen, um es zu befreien. Außerdem könnte es dabei brechen oder ein anderes Rad könnte einsinken, ein Risiko, das jeder besser vermeiden sollte, weshalb Lyanna seinem Vorschlag auch zustimmte. In Windeseile war alles wieder zusammengepackt und verstaut, womit die Reise weitergehen konnte. Mittlerweile wurde der Regen immer stärker, weshalb Ser Garret darauf bestand, dass Lyanna sich zu Julen in die Kutsche gesellte. Diese warf sich stattdessen einfach ihren Wollumhang um, denn lieber würde sie im angenehmen Regen reiten, als in der holprigen Kutsche zu sitzen.
Als sie einige, teils verregnete Tage später die Weite erreichten, schien es auch Julen nicht mehr auszuhalten. Kurzerhand nahm Lyanna ihn deshalb auf ihr Pferd. Sie rutschte einfach in ihrem Sattel weiter nach hinten an dessen Lehne, sodass Julen vorne komfortabel sitzen konnte. Von der Vorderzwiesel und durch seiner Mutter festgehalten, konnte er die wunderschöne Landschaft sehen, durch die der Goldweg führte. Nach einigen weiteren Tagen auf Pferderücken konnte man in der Ferne bereits die ersten Hügel und Berge sehen, durch dessen Täler die Straße führte.
In der Festung Tiefgraben nutzten die Reisenden die Gastfreundschaft von Haus Lydden, bevor sie in weniger als einer Woche den Stein erreichen würden. Die Zeit verging so schnell, dass Lyanna es nicht glauben konnte, als Ser Garret sie auf das rote Banner hinwies, das in der Ferne wehte. Es gehörte zum höchsten Turm von Casterlystein, der selbst nur mehr durch einen davorliegenden Hügel versteckt war.
„Das dort vorne ist der Stein, Mylady und neben dem Stein, wo das Gelände beginnt, abzufallen, liegt Lannishort, wo ich herkomme."
Lannishort war die größte Stadt der Westlande und eine der bedeutendsten Hafenstädte des Kontinents. In ihrem Hafen lag die Flotte der Lannisters, die zwar seit der Graufreud-Rebellion nicht mehr so stark war, wie einst, aber seither stetig verbessert und ausgebaut wurde. Die drittgrößte Stadt Westeros war von teils steilen Klippen umgeben. Auf einer dieser Klippen thronte Casterlystein. Nur der Goldweg führte in und aus der Stadt, was einen Angriff von Land fast unmöglich machte.
Je weiter man dem Goldweg zum Stein folgte, desto imposanter wirkte die Burg aus verputztem Granit und das, obwohl sich der Großteil des Gebäudes im Felsen selbst befand. Die Casterlys hatten einst ihre Burg gebaut, damit sie jeglichem Angriff standhalten könnte, selbst Visenya Targaryen musste einst zugeben, dass Drachenfeuer gegen Casterlystein nichts hätte anrichten können.
Lyanna überkam ein mulmiges Gefühl, als sie das Haupttor, das Löwentor, erreichten, doch ihre Sorgen waren unbegründet. Sie mussten nicht einmal stehen bleiben, stattdessen ritten sie durch das offene Tor hindurch. Sie befanden sich nun hinter der ersten Mauer, wo sich die meisten Verteidigungsanlagen befanden. Von dort aus ging es wieder durch ein weiteres streng bewachtes Tor zur Hauptburg, wo man sie bereits erwartet hatte. Zuerst hob Ser Garret Julen vom Sattel und gab ihn seiner Kinderfrau, danach half er Lyanna vom Pferd.
„Mylady, willkommen in Eurem neuen Heim. Wenn ich Euch vorstellen darf, das ist Maester Creylen. Er diente nach der Abreise von Kevan Lannister als Kastellan."
Lyanna sah den Maester an. Er war bereits recht alt und war mürrisch. Trotzdem schien er irgendwie vertrauenswürdig. Auch er begrüßte Lyanna und führte sie danach durch die Burg. Er zeigte ihr gerade den Ausblick vom Steingarten, wo sogar ein kleiner, verkümmerter Wehrholzbaum wuchs, als ihm ein Mann eine winzige Papierrolle geben wollte.
„Nachricht aus dem Norden, Maester Creylen", meinte der Mann, während er dem Maester das Röllchen geben wollte.
-"Hat dir niemand Manieren beigebracht? Gib sie nicht mir, sondern deiner Lady, du dummer Nichtsnutz!", schimpfte der Maester, woraufhin sich der Bote für seinen Irrtum entschuldigte und Lyanna die Nachricht gab.
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The Red Wolf of the North
FanfictionMein Name ist Lyanna, älteste Tochter des Lord Eddard Stark und Lady Catelyn Tully. Das ist meine Geschichte, die Geschichte des Roten Wolfes des Nordens."