Kapitel 41: Schwarzfisch-Rebellion

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So sehr Lyanna auch auf eine Antwort ihrer unzähligen Briefe hoffte, kam nie auch nur ein einziger Rabe zurück, weshalb sie einen Boten nach Hohenehr schickte, der Robin Arryn die Briefe selbst übergeben sollte. Der junge Mann sollte sich dabei als wandelnder Sänger ausgeben, sonst würde man ihn am Bluttor wieder wegschicken oder sogar töten. Man musste äußerst delikat vorgehen und sich deswegen auch das eine oder andere Mal an sein Ziel schwindeln.

Auf diese Art wartete Lyanna also auf baldige Antwort von der Ehr. Sie bat die Spitzel von Haus Lannister, die überall im Reich verteilt waren zusätzlich darum, ihr unmittelbar sämtliche Entwicklungen im Norden mitzuteilen. So erfuhr sie recht schnell, dass ihre Geschwister bei den verschiedensten Häusern und Lords vorsprachen und um Unterstützung baten. Leider konnten sie sich nur bei den wenigsten Gehör verschaffen. Obwohl die meisten Lords Söhne und Brüder durch die Boltons und Freys verloren hatten, wagten die wenigsten, gegen ihre neuen Herrscher anzukämpfen. Möglicherweise war das so, weil die meisten von ihnen den kommenden Winter im Hinterkopf behalten mussten und sie in Anbetracht der drohenden Kälte nichts riskieren wollten.

Tage vergingen, in denen Lyannas Anspannung und Verzweiflung immer größer wurden. Selbst ein täglicher Tropfen Nachtschattenessenz, den ihr Maester Creylen zur Beruhigung verschrieb, half bald nicht mehr. Lyanna wachte meist sehr früh auf und ging erst Stunden nach Sonnenuntergang zu Bett, was ihre Nerven noch mehr belastete. Einzig wenn sie Julen beim Spielen oder beim Lernen zusah, konnte sie sich entspannen. Während der Maester Julen nach den verschiedenen Regionen und Kontinenten abfragte, klopfte es an der Tür der Kammer.

Ser Garret trat ein und flüsterte Lyanna etwas ins Ohr, daraufhin nahm sie Julen an der Hand und verschwand mit ihm. Ser Garret begleitete sie bis zum Kartenraum, wo er ihnen die Tür öffnete und danach davor wartete. Was Lyanna und Julen in dem Zimmer erwartete, war für die beiden eine große Überraschung. Niemand hatte mit seiner Anwesenheit gerechnet, kein Rabe oder Bote hatte ihn angekündigt, aber er war da.

Julen riss sich von der Hand seiner Mutter los und stürmte auf ihn zu. Zu lange hatte er ihn nicht mehr gesehen, um seine Freude in diesem Moment zurückzuhalten.

„Julen, geh bitte nach draußen und warte bei Ser Garret", sagte Lyanna, bevor sie sich an die anderen im Raum anwesenden richtete „Mylords, würdet ihr mich und meinen Gemahl für einen Moment entschuldigen?"

Die Offiziere verließen gemeinsam mit Bronn das Kartenzimmer, sodass Lyanna und Jaime allein waren.

„Rot steht Dir besser als gold und weiß", scherzte Lyanna, da Jaime nun nicht mehr die Rüstung der Königsgarde, sondern die der Lannisters trug.

Als sie ihn fragte, was passiert war, antwortete Jaime, Tommen habe ihn aus der Königsgarde entlassen, nachdem er sich mit dem Hohen Spatzen angelegt hatte. Stattdessen sollte Jaime ab sofort seinem König und seiner Familie als Lord von Casterlystein und Befehlshaber der Lannister-Armee dienen.

„Es ist schön, Dich wieder zu sehen. Vor allem Julen hat Dich bereits sehr vermisst. Außerdem wollte ich Dir noch mein Beileid wegen Myrcella aussprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, was Du durchgemacht haben musst...", gestand ihm Lyanna, während sie nach seiner Hand griff.

-"Weißt Du, was das Schlimmste war? Nicht dass sie in meinen Armen gestorben ist oder die Vorwürfe die mir Cersei danach gemacht hat, nein. Das Schlimmste war, dass sie die ganze Zeit von mir und Cersei wusste", antwortete Jaime.

Lyanna konnte seinen Frust verstehen. Für ihn war es sicherlich nie leicht, zuzusehen wie Robert Cersei betrog, zuzusehen wie seine Kinder unter dem Namen eines Trunkenboldes und Hurenbocks aufwuchsen und für sie immer nur Onkel Jaime zu sein. Dass Myrcella noch dazu so ein reines Geschöpf war, machte ihren Verlust nur noch schmerzhafter. Trotzdem erklärte das nicht die Truppenbewegungen, die auf der Karte von Westeros angedeutet waren.

„Dein Großonkel, der Schwarzfisch hat sich Schnellwasser von den Freys zurückgeholt. Die Freys belagern ihn jetzt und Tommen will, dass ich sie mit 8000 Mann unterstütze", erklärte Jaime, während er acht Löwenfiguren von Casterlystein und Lannishort mit einem hölzernen Stock, der unten eine Gabelung hatte, nach Schnellwasser schob.

Brynden Tully hatte sich also Schnellwasser zurückgenommen, nach dem es nach der Roten Hochzeit den Freys zum Dank für die Abschlachtung ihrer eigenen Gäste übergeben wurde. Ginge es nach Lyanna, hätte sie sich nicht eingemischt, sie verstand aber auch Jaimes Beweggründe. Tommen war ihr König und ein Teil ihrer Familie, weshalb sie ihm Treue schuldeten, selbst wenn auch der Schwarzfisch zu ihrer Familie gehörte.

„Wann marschiert ihr?", fragte Lyanna neugierig.

-"Morgen früh. Wir dürfen nicht zu lange warten."

„Gut, dann werde ich euch wieder allein lassen. Wie gesagt, wir freuen uns, dass Du wieder hier bist, auch wenn Du morgen wieder gehst", meinte Lyanna, bevor sie den Raum verließ und die Offiziere inklusive Ser Garret und Bronn, der gerade Julen neckte, wieder hineinschickte.

Lyanna nahm Julen an der Hand und brachte ihn wieder zurück zum Maester. Sie sah die Freude und dieses unbeschreibliche Glück in seinen Augen, als er Creylen von der Anwesenheit seines Vaters berichtete. Daraufhin erkannte Lyanna, dass sie erneut zwischen zwei Seiten stand. Eine Position, die sie zumindest dieses Mal nutzen konnte.

Als Lyanna an diesem Tag Julen zu Bett bringen wollte, war sie überrascht, Jaime anstelle der Kinderfrau in seinem Zimmer vorzufinden. Sie spielten gerade miteinander mit den Holzfiguren auf dem Boden, als Lyanna ihre Zweisamkeit schweren Herzens unterbrechen musste, denn um diese Zeit sollte Julen normalerweise schon schlafen. Verständlicherweise wollte er nicht zu Bett gehen, stattdessen verlangte er eine Geschichte zu hören. Lyanna, die ihm schon unzählige Heldensagen und Gruselgeschichten erzählt hatte, war damit nicht einverstanden, Jaime aber schon. Die drei setzten sich also mit den zwei breiten Polstersesseln ans Kaminfeuer. Lyanna hielt Julen im Arm, während Jaime die Geschichte von Haus Lannister erzählte. Noch bevor er zur Zeit von Aegons Eroberung kam, war der Junge in Lyannas Armen eingeschlafen, woraufhin sie mit ihm aufstand, ihn in sein Bett legte und ihn zudeckte. Zum Abschied gab sie ihm noch einen Kuss auf die Stirn, dann verließen die Erwachsenen das Zimmer.

Draußen vor der Tür nutzte Lyanna, von ihrem schlechten Gewissen getrieben, die Gelegenheit, um Jaime von ihrem Vorhaben mit Hohenehr zu erzählen. Anders als sie erwartet hatte, war er damit einverstanden. Er machte gratulierte ihr sogar zu dem, was sie als Lady von Casterlystein getan hatte.

„Gute Nacht, Lyanna", verabschiedete er sich von ihr, bevor sie beide zu Bett gingen.

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt