Kapitel 47: Drachenglas

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Jon erhielt einen Brief aus der Zitadelle von Sam. Sam diente mit Jon an der Schwarzen Festung, wurde aber nach dem Tod des dortigen Maesters zur Zitadelle geschickt, um selbst zum Maester ausgebildet zu werden. Ihn bat Jon, in sämtlichen Schriftstücken und Aufzeichnungen, die in den Bibliotheken von Altsass lagerten, nach sämtlichen Erwähnungen von Drachenglas zu suchen. Anscheinend fand er auch etwas.

Als die Lords des Nordens zusammengekommen waren, berichtete Jon von den Entwicklungen, die ihn beunruhigten. Er hatte eine Aufforderung aus Königsmund erhalten: Cersei verlangte, dass er nach Königsmund komme und dort vor ihr das Knie beuge. Gleichzeitig erreichte ihn eine ähnliche Nachricht von Tyrion Lannister, der mittlerweile als Hand Daenerys Targaryen diente. Sie hatte erst vor kurzem die Meerenge überquert und auf Drachenstein Fuß gefasst.

Die Lords des Nordens, hart und entschlossen wie der Winter selbst, waren jedoch wenig begeistert von diesen Forderungen. Sie sahen keine Notwendigkeit, sich vor einer Königin zu beugen, die den Norden stets vernachlässigt hatte, geschweige denn vor einer Fremden, die sich mit Drachen und einer fremdländischen Armee präsentierte. Ihre Skepsis wuchs nur weiter, als Jon die Lords über die Information aus Sams Brief informierte. Sam hatte herausgefunden, dass die Burg Drachenstein auf einem Felsen aus purem Drachenglas gebaut war.

„Mylords, Drachenglas ist für uns wertvoller als Gold," erklärte Jon mit fester Stimme. „Daenerys Targaryen hat nicht nur eine Armee, sondern auch drei ausgewachsene Drachen. Wir brauchen sie als Verbündete, wenn wir überleben wollen – nicht nur im Kampf gegen Cersei, sondern vor allem gegen den Nachtkönig und seine Armee der Toten."

Die Versammlung verstummte. Die Worte Jons hingen schwer im Raum. Jeder Lord konnte die Wahrheit in ihnen spüren, auch wenn sie nur ungern zugeben wollten, dass sie auf die Hilfe von Fremden angewiesen waren. Der Norden hatte immer stolz auf seine Unabhängigkeit bestanden, aber diese Gefahr, die sich im Norden zusammenbraute, war etwas, das selbst die härtesten Krieger des Nordens an ihre Grenzen brachte.

Jons Blick wanderte über die Gesichter der Lords. Er konnte ihre Besorgnis sehen, aber auch ihren Widerstand.

„Wenn wir uns nicht vorbereiten, wenn wir nicht alle Mittel ausschöpfen, werden wir untergehen. Drachenstein ist der Schlüssel. Wir müssen mit Daenerys verhandeln, ihr Vertrauen gewinnen und sie auf unsere Seite bringen. Nicht nur wegen ihrer Drachen, sondern auch wegen des Drachenglases. Ohne es haben wir im kommenden Winter keine Chance."

Die Lords wussten, dass Jon Recht hatte. Trotz ihrer Vorbehalte, trotz ihrer Unsicherheit gegenüber Daenerys und ihren fremdländischen Gefährten, wussten sie, dass sie eine Entscheidung treffen mussten. Jon hatte sich längst entschieden. Er würde nach Drachenstein segeln, um sich mit Daenerys zu verbünden. Es gab keine andere Wahl, wenn der Norden – und die gesamte Menschheit – überleben sollte.

Den größten Protest hagelte es von Sansa. Sie erinnerte Jon an die Schicksale der Lords von Winterfell vor ihm. Rickard Stark, Brandon Stark, ihr Vater Eddard und ihr Bruder Robb. Sie alle gingen nach Süden, kamen aber nie mehr lebendig zurück. Lediglich ihre Gebeine überquerten die Eng von Süden nach Norden, wobei Robbs Überreste nie in der Krypta ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.

„Der Winter ist hier. Der Norden braucht seinen König im Norden!", bemerkte Sansa.

-"Ich gehe nur, weil ich weiß, dass der Norden in den besten Händen sein wird", entgegnete ihr Jon, „Während meiner Abwesenheit übertrage ich meinen Schwestern Lyanna und Sansa die Verantwortung"

Das konnten die Lords des Nordens immerhin akzeptieren. Als Theon von Jons Vorhaben Wind bekam, bat er ihn, mitkommen zu dürfen. Seine Schwester Asha hatte sich vor einiger Zeit der Drachenkönigin angeschlossen und Theon hoffte, dass sie ihn wieder aufnehmen würde.

Einige Tage später brach Jon mit Ser Davos Seewert, der einst Stannis Baratheon diente und sich deshalb auf Drachenstein auskannte, Theon und einigen seiner Männer nach Weißwasserhafen auf. Von dort aus würden sie mit dem Schiff nach Drachenstein segeln und Daenerys treffen. Mit Jon erließen auch die Lords des Nordens Winterfell. Sie alle kehrten wieder auf ihre Burgen zurück, um sich auf den Winter und die Untoten vorzubereiten. Die Ritter des Grünen Tals blieben in Winterfell, mit ihnen auch Lord Rois und Petyr Baelish.

Lyanna und Sansa standen auf der Mauer über dem Haupttor und sahen ihnen zu, wie sie sich immer weiter entfernten. Bald waren sie nur mehr dunkle Punkte in der schneeweißen Landschaft. Es lag nun an den Schwestern, den Norden zu regieren und zu beschützen.

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt