Never Less Than a Lover

Kapitel 60

Es ist niemals eine gute Idee, die Story, die Chris und mich seit über drei Jahren verbindet, irgendjemanden erklären zu wollen. Weil es vermutlich keiner verstehen wird! Wir können uns ja nicht mal damit rausreden, dass wir quasi seit einem Jahr zusammen sind, uns im Sommer wegen eines Streit getrennt haben und dann wieder zusammengekommen sind, weil kein normales Paar dann vermutlich sagen würde, dass sie wieder von vorne anfangen zu zählen. Müsste ich unseren Status auf Facebook posten, würde ich es unter »es ist kompliziert« vermerken.

Mein Blick hängt die ganze Zeit noch bei Chris, der irgendwie immer wieder zwischen seinen Bruder und mir hin und herschaut und mir keinen sehr begeisterten Blick zuwirft. Ich habe auch keine Ahnung, wie weit er in die Materie gehen will, wie viel er erzählen möchte, oder ob er sich in seinen Kopf gerade doch noch eine ganz andere Geschichte ausdenkt, die uns retten könnte. Letzteres bezweifle ich allerdings sehr. Zögernd lässt er mich langsam los, wirft mir zuletzt noch einen unsicheren Blick zu, bevor er sich doch an seinen Bruder wendet, der gespannt in seinem Stuhl vor dem Schreibtisch sitzt.
Chris: July und ich sind erst seit fünf Monaten zusammen und das halbe Jahr davor...das war eine Lüge. Das Date, auf dem wir letztes Jahr im Dezember angeblich waren, war von uns beiden nur ein Treffen, weil..."
Ich sehe ihm an, dass er das eigentlich gar nicht aussprechen will. Wer würde das aber auch gerne mit seinen Geschwistern besprechen? Auch ich hätte damals drauf verzichten können, meinen Bruder zu sagen – auch wenn ich betrunken gewesen bin – dass ich mit meinem Chef einfach nur so ins Bett gehe.
Chris: Wir sind da gar nicht miteinander ausgegangen, wir hatten nur was lockeres am Laufen. Wir sind weder ernsthaft miteinander ausgegangen, haben uns nicht gedatete und sie hat mich zu dem Zeitpunkt noch nicht leiden können. Dieser dumme Beitrag hat uns dazu gebracht, diese Abmachung einzugehen, damit wir uns weiterhin treffen können!"
Zuerst schaut Andreas uns beide recht emotionslos an, bis er anfängt leicht zu lachen, was uns beide nur verunsichert und Chris sichtlich verwirrt.
Andreas: Ich weiß."

Excusez-moi? Chris und ich hören beide auf zu atmen, schauen uns unglaubwürdig an, während sein Bruder einfach nur lacht. Mein Freund zuckt einfach nur mit den Schultern, ich schüttle den Kopf, weil ich auch keine Ahnung habe, was Andreas damit bitte meint und dieser findet unsere Reaktion wohl ziemlich amüsant.
Juliette: Espèce d'enculé, kannst du uns bitte sagen, woher?"
Andreas: Ungewollt habe ich es einmal herausgefunden."
Mit einer eindeutigen Handbewegung zeigt Chris seinen Bruder, dass er sich bitte nicht die ganze Zeit rausreden soll, sondern uns bitte sagt, woher! Und ab dann wirkt es auch so, als würde es Andreas nicht mehr so einfach hervorbringen können, als würde er sich auch lieber drum herum reden und es wäre ihm lieber gewesen, hätten wir nicht nachgefragt, woher er das weiß. Vielleicht finden wir es im Nachhinein auch besser, würden wir jetzt nicht nachfragen, woher der Bruder meines Freundes weiß, was drei Jahr zwischen uns lief.
Andreas: Das mag eineinhalb Jahre her sein. Ich war in der Halle mit Manu, wir arbeiteten an einer Illusion und ich musste was aus dem Lager holen. Wirklich, ich wollte euch nicht belauschen, aber ihr standet zusammen eine Reihe vor mir. Ihr habt mich nicht gesehen und ich euch zuerst auch nicht."

Eineinhalb Jahre zuvor

Manu schickt mich wegen einer Illusion, die wir für Wunderzeit noch fertig machen wollen, wieder ins Lager, damit er sich nochmal um den Stromkreis kümmern könnte, wo ich lieber die Finger von lasse. Die meisten aus der Crew sind zu der Zeit wo anders, machen Pause oder erledigen Dinge in anderen Teilen der Halle. Daher ist es auch im Lager gerade sehr leer und ich kann ohne Probleme zu dem Regal gehen, wo ich fündig werden sollte. Still stehe ich vor dem Abteil, schaue mich um und suche mein benötigtes Teil.
Juliette: Und wo soll es hingehen, Chris?"
Sofort erkenne ich die Stimme unserer Lichttechnikerin und schaue durch eine Lücke im Regal auf die Reihe vor mir, damit ich dort meinen Bruder mit unserer Arbeiterin zu sehen bekomme. Wie sie gegen einer der Regal lehnt, während er seine eine Hand neben ihren Kopf stützt und seine andere an eben diesen gelegt hat, damit sie ihn anschaut.
Chris: Wir könnten hier was trinken gehen. Andreas merkt sowieso nicht, wenn ich etwas länger bleibe, um zu dir dann abzuhauen. Und danach dann zu dir, July."