Kapitel 63

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Als Chris beim Club angekommen ist, habe ich mich wortlos von Leonie verabschiedet und bin auch so mit zu ihm ins Auto gestiegen. Er trug noch die gleichen Sachen, in den er mich am Abend verabschiedet hatte und hat wegen mir sein Auto vorgeheizt, damit ich nicht frieren müsste. Meinen Blick habe ich die ganze Zeit raus auf die Straße gerichtet, sprach kein Wort und auch Chris wagt es sich nicht, nachzufragen, ob etwas passiert ist. Die Stille im Auto war bedrückend und zugleich auch das, was ich gerade gebraucht habe.

Zu Hause angekommen hat er wieder vor meinen Auto geparkt, wir beide steigen aus und sind auch wieder zur Haustür gelaufen, die er aufgeschlossen hat. Im Flur war ich ziemlich schnell damit fertig, mir meinen Mantel auszuziehen und die Chucks zur Seite zu stellen, weil ich einfach nur in die Küche wollte. Chris lief mir gleich nach, hielt mich allerdings nicht davon ab, mir ein beliebiges Glas zu nehmen und aus der Weinflasche, die vom Vortag dort noch stand, mir etwas einzuschenken, damit ich wieder was trinken kann. Ich lehne mit dem Glas in der Hand an der Küchenzeile, er gegen den Tisch mir gegenüber, aber ich kann ihn gerade nicht anschauen, trinke nur etwas.
Chris: Was ist bitte passiert?"
Juliette: Levi, die ist mal wieder passiert und jetzt hat sie mir ihre verdammte Wahrheit gesagt...du hattest recht...sie ist nicht wegen dir eifersüchtig, sondern auf dich. Und dann redet sie noch etwas, dass mein Leben ja so perfekt wäre! Die hat doch keine Ahnung von irgendwas bei mir!"
Auch wenn ich mein Glas noch etwas schwenke, wieder trinke ich einen zu großen Schluck daraus, schaue danach nur wieder darein, aber bemerke das Lachen von Chris.
Juliette: Was ist da bitte lustig dran?"
Chris: Ich weiß, dass ich dich vom Trinken abhalten sollte, aber wenn ich das mache, wirst du nur noch genervter. Also darf ich dich später wieder rauf tragen."
Ich schnaube genervt und wende meinen Blick von ihm ab, umgreife das Glas fester.
Juliette: Sie hat doch keine scheiß Ahnung von meinem verfluchten Leben..."

Ich presse zuerst nur meine Lippen aufeinander, kaue danach auf ihnen rum und lasse meinen Kopf in den Nacken fallen. Alles, damit ich nicht wieder anfangen würde zu weinen, aber das ist mittlerweile sowieso hoffnungslos geworden.
Juliette: Sie hat mich einfach geküsst! Du musst mir bitte glauben, dass ich das nicht wollte, Christian! Ich wollte das nicht! Und dann labert sie etwas davon, dass sie sich ja freuen will, es aber einfach nicht kann!"
Ich trinke das Glas aus, knalle es auf die Küchenzeile und greife mich an eben dieser fest, um den Halt zu finden, den mir der Alkohol so langsam nimmt. Dabei spüre ich, dass die Tränen langsam zum Boden fallen und ich versuche es nicht mal aufzuhalten.
Juliette: Als ob ich immer alles bekommen würde, was ich will! Ich habe nicht aus Spaß meine Heimat verlassen, meine Familie hinter mir gelassen und den Kontakt zu jeden abgebrochen! Dazu sei ich zu kantig, zu maskulin, scheiß Veganerin und eine verdammte Ausländerin! Soll sie das mal immer wieder an den Kopf geworfen bekommen! Vielleicht denkt sie dann mal weniger, dass alles so perfekt wäre!"
Ich gehe etwas weiter auf Chris zu, der sich in seiner Haltung kein Zentimeter bewegt. Zuerst lege ich meine Hände nur an seine Brust, setze zu irgendwelchen Sätzen an, schaffe es aber nicht und schlage mit meinen Händen dann nur gegen seine Brust oder Schulter.
Juliette: Du bist alles, was ich habe und sie war eine meiner besten und einzigen Freunde! Ich wünschte, ich hätte ein normales Leben, aber alles, was ich bekam, war das!"

Und nach diesem Satz fange ich richtig an zu weinen, sodass mich meine Beine auch nicht mehr halten können, aber immerhin kommt Chris meinem Körper zuvor, legt seine Arme um meine Taille und drückt mich fest an sich, damit ich mich mal wieder ausheulen kann. Ich hasse mich so sehr für mein Verhalten. Dass ich mit 37 Jahren noch immer jemanden an meiner Seite brauche, um mit meinen Leben klarzukommen, was mich immer wieder noch einfach überfordert. Und trotzdem ist er da, hält mich aus und gibt mit den Halt, den ich offenbar immer schon gebraucht habe.

An vieles, was zu Ostern an den einen Abend passiert ist, kann ich mich nicht mehr erinnern. Allerdings weiß ich zu gut noch, dass ich auch dort weinend in seinen Armen lag und dass er mich auch dort auf den Arm genommen hat, um mich hoch tragen zu können. Auch jetzt finde ich mich in Chris' Armen wieder, lege meine mal wieder um seinen Nacken und werde von ihm zur Treppe getragen, wobei er allerhand Lichter noch ausknipst, bevor er auf die erste Stufe geht.
Juliette: Es tut mir leid, dass ich mal wieder so anstrengend bin..."
Ich traue mich gar nicht aufzuschauen und schließe stattdessen meine Augen, lege meinen Kopf gegen sein Brust und warte, bis wir endlich wieder oben sein würden. Allerdings kann ich trotzdem sein schwaches Lachen hören.
Chris: Wir alle tragen unsere Laster mit uns und die wenigsten davon sieht man uns an."
Wir kommen wieder im Schlafzimmer an, wo Chris mit den Fuß die Tür zustößt und mit mir zum Bett geht, worauf er mich auch vorsichtig absetzt. Erst dann schaue ich mal wieder auf, dabei setzt er sich gleich danach neben mich, legt eine Hand auf meinem Bein ab.
Chris: Jeder hat etwas erlebt, was einen in gewissen Zügen geprägt hat und oft sehen wir es nicht, weil wir nur das perfekte Leben von denjenigen sehen, was sie uns zeigen wollen. Wir sehen nicht die schlaflosen Nächte, die rassistischen Äußerungen oder die abwertenden Kommentare. In gewissen Zügen sind wir alle Egoisten."
Nun legt er seine Hand an meinen Kopf, als ich einmal darüber nachgedacht habe, dass ich auch nie gesehen habe, wie Levi sich gefühlt hatte. Ich habe auch ein falsches Bild von ihr.
Chris: Und trotzdem werde ich dich immer lieben, weil ich weiß, wieso es so ist."

Auch wenn es nur ein kurzer Moment ist, ich versuche den sanften Kuss, den Chris mir zu spüren gibt, zu genießen, bevor er sich von mir löst uns zum Kleiderschrank geht, um daraus ein Shirt und eine Shorts von ihn zu suchen, weil ich darin immer schlafe.
Juliette: Du bist der erste, der mich richtig versteht..."
Lachend lässt er einen Moment seinen Kopf hängen, schaut über die Schulter zu mir zurück und lässt danach die Schranktür zufallen, kommt wieder auf mich zu und legt neben mir die anderen Klamotten ab. Ich lasse auch zu, dass er mir den Reißverschluss am Kleid öffnet, weil ich es allein sowieso nicht mehr schaffen würde. Er öffnet den und den Verschluss meines BHs, gibt mir gleich sein Shirt, damit ich mir das überziehen kann und meine Slip tausche ich auch noch gegen seine Shorts, lasse alles andere erstmal auf den Boden vor dem Bett liegen.
Chris: Das beruht auf Gegenseitigkeit. Bei dir kann ich einfach ich sein, du gibst mir wieder Mut und verstehst mich richtig."

Ich schaffe es nur nochmal schwach zu lächeln, weil ich merke, dass nach und nach meine Auffassungsgabe komplett verschwindet. Aber bevor das der Fall sein würde, legt Chris seine Klamotten auch wieder vors Bett und kommt zu mir, legt seine Arme um mich, sodass ich mich an ihn kuscheln und den Tag so schnell wie möglich wieder vergessen kann...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt