Dag war nicht lange geblieben.
Kurz nach seinem Stell-dich-ein hatte er sich bei Henry und Maus verabschiedet und schlenderte nun des Nachts durch die Straßen Berlins.
Katharina war, wie er später gesehen hatte, in männlicher Begleitung dort gewesen. Es wurmte ihn nicht. Sie lebte ihr Leben und er seines.
Der Fick hatte ihm allerdings rein gar nichts gebracht.
Im Grunde war er sogar unnötig gewesen.
Ja, er hatte abgespritzt, aber ... bewiesen hatte er sich damit doch eigentlich gar nichts. Irgendwie kam er sich, obendrein beschmutzt vor.
Weshalb?! Das wusste er gar nicht so recht. Er spürte es ehrlich gesagt nur.
Was war denn los mit ihm?
Er hatte doch sonst kein Problem damit. Einfach nur Sex und Ende.
Er vermisste buchstäblich nichts. Was sollte er auch vermissen?
In seinem Kopf sang er Der Kommissar von Falco, um sich wie gehabt abzulenken.
~ „Dreh dich nicht um, schau, schau. Der Kommissar geht rum! Wenn er dich anspricht und du weißt warum, sag ihm: „Dein Leb'n bringt dich um." ~
War es das?
Brachte er sich derzeit selber um?
War sein Leben ... zerstörend? Er sah zu einem Paar, das auf einer Brücke stand und sich unterhielt. Kein Gefummel oder sonst etwas. Sie lachten und der Typ strich seiner Angebeteten eine Strähne aus dem Gesicht.
Sofort musste er an Élaine denken, und das er selbst mal so gehandelt hatte. Ihr zugehört hatte. Sich wohlgefühlt hatte. Sich ... verliebt hatte.
Dag setzte sich auf eine Bank und checkte seine E-Mails. Nichts von dem Verlag. Keine Info, ob sie die Autorin nun erreicht hatten. Er fragte sich, ob er überhaupt je eine bekommen würde. Gedankenverloren ging er in seine Chats und sah anschließend, wann Jona zuletzt online gewesen war.
Jetzt.
Sie war derzeit zugänglich.
Wie viel Uhr hatten wir in Baltimore?
Er googelte. Berlin war sechs Stunden vor Baltimore.
Sofort checkte er die Uhrzeit. Es war nach 23 Uhr.
Also nichts Ungewöhnliches, wenn sie online war. Und doch beschäftigte er sich gerade damit, mit wem sie in diesem Augenblick schrieb. Vielleicht ... jemand Wichtiges in ihrem Leben. Dag fragte sich, ob sie ... vergeben war.
Sie war hübsch. Wortgewandt. Auf jeden Fall nicht auf den Kopf gefallen. Attraktiv durch und durch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ... so lebte wie er.
Jona war mit Sicherheit vergeben.
Dag runzelte die Stirn. Sie arbeitete mit einem Mann zusammen. Womöglich war das sogar ihr Partner. Wie hieß er nochmal? Tac. Thomas Tac.
Eventuell hatten sie gemeinsam die Detektei eröffnet. Liebe und Arbeit unter einem Hut gebracht.
Nicht ausgeschlossen, dass dieser Tac ja sogar gerade mit ihr in Baltimore war. Vielleicht aßen sie just in diesem Moment in einem schicken Restaurant.
Aber ... war sie dafür nicht zu ... professionell?
Dag kam es schon so vor, als wäre ihre Arbeit ihre Leidenschaft. Würde sie dann eine Suche mit einem romantischen Liebesurlaub kombinieren?
Und warum machte er sich darüber Gedanken?
Es war bei allem Verständnis scheißegal, wie andere Menschen lebten. Es war ... nicht seines.
Solange sie ja ihre Arbeit nicht vernachlässigte, war nichtsdestotrotz alles okay.
Das wollte er doch.
Das Jona ... Élaine fand.
Mehr nicht.
Sein Blick fiel zu dem Paar, welches sich nun küsste. Zärtlich ... liebevoll.
Diesen Anblick benötigte er nicht.
Er stand auf und ging mit seinem seltsamen Gefühl weiter.
Vielleicht hätte er sich eine andere Gespielin für den Abend suchen sollen. Eine, wo ... ein wenig mehr ... drin gewesen wäre.
Ja, er wollte nur Sex. Einfach nur Sex, aber ...
Sein Handy gab einen Ton von sich und er sah drauf.
- Hallo Dag, ich werde morgen früh meiner Zeit zurückfliegen. Am Tag danach wäre ich, glaube ich, fit genug und hab' den Jetlag verarbeitet. Könntest du demzufolge übermorgen so um 18 Uhr zu mir ins Büro kommen? Gruß Jona Naumeier.
Jona Naumeier.
Was dachte sie denn, wie viele Jonas er kannte?
Irgendwie war er geknickt wegen dieser Förmlichkeit, die sie genutzt hatte.
Sie hatten sich doch gerade erst dazu entschieden, sich zu duzen. Weshalb also so konventionell?
Vermutlich, weil dieser Thomas Tac in ihrer Nähe war?
Weil sie den äußeren Anschein aufrechterhalten wollte, dass ... man sich nicht zu einem Essen getroffen hatte?
Und was dachte er jetzt da? Es war kein Date gewesen. Es war ein geschäftliches Beisammensein. Sie musste demzufolge nichts wahren.
- Ja ich werde erscheinen.
Antwortete er schlicht zurück.
- Oh. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.
Kam allerdings unerwartet als Rückmeldung von ihr.
- Nein. Keine Sorge. Ich bin noch unterwegs.
Kam das blöd rüber?
Obwohl ... er musste sich ja nicht rechtfertigen.
- Dann bin ich ja beruhigt. Hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht auf die Uhrzeit geachtet habe.
Wollte sie gerade ein Gespräch aufrechterhalten?
- Nein, du kannst mir jederzeit ohne Bedenken schreiben.
Oder war er es jetzt?
- Dann ist ja gut. ☺
Was sollte er antworten? Er war doch sonst jemand, der gut mit Wörtern jonglieren konnte.
Dag dachte nach, da traf bereits eine weitere Mail von Jona ein.
- Dann bis übermorgen und eine Gute Nacht.
Toll. Hatte er zu lange überlegt?
- Gute Nacht Jona.
Textete er zurück, weil ihm tatsächlich nichts mehr einfiel, da sie das Gespräch ja von ihrer Seite beendet hatte.
Doch wieso hätte er gerne diese Unterhaltung aufrechterhalten?
Weil er ... wissen wollte, was sie herausgefunden hatte?
Oder ... wegen etwas anderem?
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Mein Leben ist nicht wie ein Film, es ist wie ein Buch
FanfictionDags Leben verläuft im Grunde normal. Er ist Mitte dreißig, Musiker mit Leib und Seele und die Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts stehen auf ihn. Privat führt er jedoch eine kleine Liebelei mit einer jungen Frau namens Katharina. Etwas Ernste...