Kapitel 29:

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Die Tooru-Familie.
Der erste Tag und bis jetzt auch der letzte, wo ich sie alle an einem Tisch versammelt gesehen habe, war dieser hier. Mein Großvater leitete mich zu einem großen Raum, in dessen Mitte allein ein halbhoher Tisch stand. Vor diesem knieten genau fünf Menschen. Zwei Frauen und drei Männer.
Am Rand des Raumes standen mehrere junge Frauen in traditioneller Uniform, demnach tippte ich, dass sie so etwas wie Bedienstete hier waren.
Meine Großmutter Tooru-sama saß am Kopfende des Tisches, aber sie war die einzige, die ich erkannte.
Sobald mein Großvater den Raum betreten hatte, wand ihm jeder seine Aufmerksamkeit zu, während er herrschaftlich mit dem Gehstock aufstampfte und in meine Richtung deutete.
»Meine liebe Familie! Lasst mich euch Akitos Tochter und meine zukünftige Erbin vorstellen: Misaki Hashiwara.«

Nach diesen Worten hätte er mir auch gleich ein Schild mit der Aufschrift „Freiwild" umhängen können, denn ihre Blicke, die zuvor noch reserviert gewesen waren, bohrten sich nun unangenehm durch meine Haut.
»Ähm hallo.« sagte ich und verbeugte mich zaghaft.
Aber als ich schon dachte hiernach könnte es kaum noch schlimmer werden, hatte ich mich gründlich getäuscht.
Ich machte gerade Anstalten mich am hinteren Ende (und mit genug Abstand zu der zweiten Frau, die mich anstarrte, als wäre ich die Verkörperung ihrer ganzen Angst) niederzulassen, da stemmte mein Großvater seinen Gehstock genau in meinen Gehweg und hinderte mich so daran weiterzulaufen.
»Oh nein, werte Enkelin, dir gebührt die Ehre direkt an meiner Seite zu sitzen.«

Gedanklich sah ich schon meinen Grabstein, denn irgendetwas sagte mir, dass sich jetzt mindestens einer mit definitiv tödlicher Waffe auf mich stützen würde.
»Ich verstehe nicht.« Tooru-sama war die erste, die ihre Stimme erhob. »Soll sie etwa Dorikos Platz einnehmen? Was ist nur in dich gefahren?!«
Alle Augen wandten sich nun wieder meinem Großvater zu und zugegeben ich war nicht minder neugierig. Mit einer Änderung der Hierarchie in dieser Familie würde er garantiert nicht nur den Zorn in diesem kleinen Kreis schüren, sondern auch die der Leute, die hinter ihnen standen.
War er wahnsinnig oder einfach nur verrückt?

»Aber natürlich wird sie das.« Er sprach ruhig, als hätte sie ihn gerade stattdessen gefragt wie er gerne seinen Tee trank.
»Tsutoki.« Im Kontrast dazu sprach Tooru-sama mit zusammengepressten Zähnen und mit einem Gesicht, als würde sie auf eine saure Zitrone beißen. »Ich habe keine Ahnung, was du ausheckst, aber dieses Mädchen verdient es kaum überhaupt an diesem Tisch platz zu nehmen. Geschweige denn dein Erbe weiterzuführen.« Ihre Augen fixierten nun mich und ich unterdrücke den Impuls einfach umzudrehen und wegzurennen. »Sie ist eine Fremde, deren Vater du höchstpersönlich verstoßen hast und sie hasst uns. Ich dulde sie ihres Blutes wegen hier, aber keinen Schritt näher.«

Also ich persönlich konnte dazu absolut nichts entgegen bringen und keine zehn Pferde würden mich dazu bringen ihr zu nahe zu kommen. Nicht mal, wenn sie bewaffnet wären.
Selbst mein Großvater schwieg nach ihrem Ausbruch eine Weile, dann nickte er kurz.
»Als könnte ich dir jemals einen Wunsch ausschlagen werte Yoko, aber lass dir dennoch gesagt sein: Misaki ist meine Erbin und ich gedenke nicht dies zu ändern.«
Sie funkelte ihn an und sog scharf die Luft ein, doch entgegen meiner Erwartung widersprach sie nicht, sondern drehte nur den Kopf, als wäre sie beleidigt. Vermutlich war sie sogar die einzige Frau auf Erden, die einem sogar beleidigt noch eine heiden Angst einjagen konnte.

Unter angehaltenem Atem machte mein Großvater sich schließlich selbst auf den Weg zum Kopfende, um neben Tooru-sama platz zu nehmen. Ich selbst sank steif und mit gebürendem Abstand zum Rest der Familie auf die Knie und griff sofort nach der Teetasse, als wäre sie ein Schutzschild.
Wahrscheinlich würden meine Beine bald einschlafen.
Allerdings war ich nicht so scheu, um mir die einzelnen Personen entgegen zu lassen, die nun meine neue Familie sein würden.
Die Frau an meiner Seite, die mich zuvor noch unangenehm intensiv angestarrt hatte, beäugte nun die Bedienstete, die aus einer Porzellan Kanne dampfenden Grünen Tee in ihre Tasse goss.

Nur ein Mensch (Satoru GojoxOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt