Es war ein langer Tag gewesen. Lang, warm und nervenaufreibend.
Mittlerweile war es spät, beinahe halb drei Uhr morgens und die erbarmungslose Hitze des Tages hatte endlich ein wenig abgenommen, doch kalt war es auch jetzt immer noch nicht. Sergej beobachtete Pete dabei wie er mit einem klirrenden Schlüsselbund und seiner Handytaschenlampe den Vordereingang zum Tropical Hills zusperrte. Über ihnen lag der Himmel wolkenlos und sternenvverhangen und der Türsteher ließ seinen Blick einen Moment über den pechschwarzen See schweifen, bevor er sich wieder Pete zuwandte. „Wo hast du dein Fahrrad?", fragte dieser und Sergej konnte die Müdigkeit in seiner Stimme hören.
Kein Wunder.
Pete war wie so oft bereits den ganzen Tag auf den Beinen und hatte für seine Gäste einmal mehr Kellner, Alleinunterhalter und letztendlich auch guten Zuhörer spielen müssen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie müde er sein musste. „Hinten.", gähnte Sergej und stieg durch das trockene Gestrüpp am Ufer, zum Hintereingang des Lokals. Sein Partner folgte ihm wortlos. Um zu Petes altem Truck zu gelangen würden sie ein ganzes Stück gehen müssen, in der Dunkelheit natürlich, da viele Gebäude in und rum um Redfir Hills so verstreut lagen und viele Straßen so verwinkelt, dass die Stadt sie unmöglich alle mit Straßenlaternen säumen konnte. Sergej machte das nichts aus. Er hatte genug Gründe um sich in der Dunkelheit nicht fürchten zu müssen.
Zusammen hievten sie Sergejs Fahrrad, ein altes, blaues Mountainbike, dass bereits an mehreren Stellen zusammengeflickt worden war, auf die Ladefläche des Geländewagens, bevor sie die Ladeluke verschlossen. „Bist du sicher, dass ich dich direkt heimfahren soll?" Sergej nickte. „Muss morgen früh noch was einkaufen." Pete nickte nur, er war zu müde um um diese Uhrzeit noch großartig zu diskutieren. Auf ihrem Weg zu Sergejs kleiner Wohnung in der Nähe der Stadtmitte kam ihn kein einziges Fahrzeug entgegen, allerdings war das in Redfir Hills auch zu regulären Tageszeiten keine Seltenheit. Wenn es nicht um das Geschäft ging war Pete die ruhige Lage ihrer Stadt ganz recht und Sergej fand, dass es absolut schlimmere Orte gab, auch wenn ihm die mitunter durchaus düstere Geschichte von Redfir Hills regelmäßig eine Gänsehaut verpasste.
Der Türsteher streckte sich, als sie in seine Straße einbogen und Pete half ihm dabei sein Fahrrad wieder von der Ladefläche zu ziehen. „Gleiche Uhrzeit morgen?", fragte Pete und Sergej nickte. „Sieh zu, dass du ne Mütze Schlaf bekommst. Du siehst müde aus." „Ich dich auch.", lachte der Barkeeper. Sie küssten sich kurz, bevor Pete sich eben falls auf den Heimweg machte.
Es war mittlerweile ein paar Minuten nach drei Uhr und Sergej war noch kurz unter die Dusche verschwunden, bevor er völlig gerädert in sein Bett gekrochen war. Sergej hatte das Fenster geöffnet, auch wenn es draußen angenehm kühl gewesen war, waren die Innenräume noch immer aufgeheizt und nicht mal der kleine Ventilator auf dem Fenstersims konnte ihn davor bewahren. Die Klimaanlage funktionierte nicht, doch das hatte sie noch nie und sein Vermieter schien sich von seinen Beschwerden darüber nicht wirklich angesprochen zu fühlen. Der großgebaute Mann scrollte noch eine Weile gedankenverloren durch sein Handy und bemerkte nicht, wie er langsam weg nickte.
Schweißgebadet schreckte Sergej hoch. Er wusste nicht, was er geträumt oder was ihn geweckt hatte, doch er konnte spüren wie ihm die Angst kalt und erbarmungslos durch die Brust kroch. Er lag flach auf dem Rücken und zwang sich ein paar tiefe Atemzüge zu nehmen, bevor er sich in seinem Schlafzimmer umsah. Sergej zählte die Holzbretter an der Decke, die Glühbirnen in der verstaubten Lampe über ihm, die feine Maserung am Holzrahmen seines Fensters. Draußen bewegten sich die Bäume im Wind, das konnte er zwar nicht sehen, aber hören. Gedankenverloren blickte er auf sein Handy, während er versuchte sich an das zu erinnern, was er wohl geträumt hatte. Nicht, dass es einen Unterschied gemacht hätte. 4:30, zeigte das Display und Sergej seufzte. Frustriert rollte er sich auf die Seite, doch egal wie er sich hinlegte, er fand keine Position mit der er zufrieden gewesen war. Mit einem weiteren, stillen Seufzer griff er erneut nach dem kleinen Gerät und öffnete den Messenger und den Chat mit Pete.
„Hey. Bist du noch wach? Kann ich rüber kommen?" Er schämte sich ein wenig, auch wenn ihm bewusst war, dass Pete ihn niemals dafür verurteilen würde.
Pete war aufgekratzt. Nachdem er zu Hause angekommen war hatte er sich noch etwas zu Essen gemacht und war eine Runde mit Cooper gelaufen, obwohl er so müde war und er genau wusste, dass sein Tag bereits in knapp fünf Stunden wieder von vorne losgehen würde. Vielleicht würde er sich ja eine Stunde mehr Schlaf gönnen - da er sich mit Sergej ohnehin erst um kurz vor eins am Tropical Hills treffen würde, würde es kaum einen Unterschied machen. Er hatte gerade die Augen geschlossen, als sein Handy neben ihm vibrierte. Für einen Moment dachte er darüber nach, das Geräusch einfach zu ignorieren, aber seine Neugier siegte letztendlich doch. Pete schloss aufgrund der Helligkeit des Displays kurz die Augen, dann sah er überrascht, wer ihm geschrieben hatte. „Alles okay?" Besorgt legte er die Stirn in Falten, bevor er schnell „Klar. Soll ich dich abholen?" hinterherschickte. Auch wenn er die Situation nicht verstand, war er der Letzte, der eine solche Nachricht hinterfragen würde. Schon gar nicht bei Sergej.
„Nein, schon gut. Ich kann die frische Luft brauchen. Nehm das Rad." Es bereitete Pete nur noch mehr Sorgen, aber zwingen konnte er ihn schließlich nicht. Er sah aus dem Fenster, der Laubbaum draußen, der von einer Straßenlaterne beleuchtet war, wog sich im Wind. Er hatte draußen bereits bemerkt, dass das Wetter angezogen hatte und wohl ein Sturm aufzog. „Okay. Einen Schlüssel hast du ja. Bis gleich." Pete versuchte sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen, doch da sein Partner ihn ohnehin lesen konnte wie ein offenes Buch, hatte das Ganze sowieso keinen Sinn. Es störte ihn absolut nicht so sehr, wie er manchmal gern vorgab. Pete gähnte, während er sich in die Kissen sinken ließ.
Der Schlüssel im Schloss hätte ihn wenige Minuten später nicht geweckt, dafür aber Coopers leises Grollen. „Das ist Sergej, Coop. Krieg dich ein.", murrte er und der Dobermann verstummte, bevor er leise freudig winselte. Pete konnte hören, wie Sergej den Hund begrüßte bevor er sich umzog und dann noch im Halbdunkel der Straßenlaterne neben ihm in das langsam doch etwas zu enge Bett kletterte. Ein tiefer, erleichterter Atemzug entfuhr ihm und wenn Pete sich nicht bereits zuvor Sorgen gemacht hätte, so tat er es spätestens jetzt.
Sergej spürte wie sein Freund ihn von hinten in eine Umarmung zog und obwohl es auch in Petes Wohnung viel zu warm war, genoss er es in vollen Zügen. „Alles okay?", fragte Pete leise. Ihm fiel keine gute Antwort ein und er brauchte viel zu lange, bis er schließlich ein unsicheres „Mh-hm.", murrte. Es war absolut nicht überzeugend und das wusste er auch. „Hab ziemlich schlecht geschlafen." Pete legte seine Stirn an Sergejs warmen Rücken. „Navykram?", fragte er zaghaft. Sergej nickte. Er wusste zwar nicht was er geträumt hatte, doch die Chancen standen gut, dass es mit seiner Vergangenheit zu tun hatte. „Denke schon.", antwortete Sergej knapp. „Willst du drüber reden?" Der Türsteher nahm Petes Hand, der sie ihm schützend umgelegt hatte. Sie war warm, so wie seine. „Nicht heute." Sergej lächelte, auch wenn er sich nicht ganz sicher war warum. „Okay." Er spürte, wie sein Freund nickte und ihn auf den Rücken küsste. Wieder atmete Sergej tief durch. „Vielleicht wollte ich auch einfach nicht alleine sein.", gab er beschämt zu. Draußen schlugen die ersten Regentropfen gegen das alte Fenster und Sergej realisierte, dass er wahrscheinlich gerade selbst voll ins Schwarze getroffen hatte. „Kein Ding.", sagte Pete ehrlich und schien für einen Moment nachzudenken, bevor er weitersprach. „Weißt du noch, die Wohnung, von der ich dir letztens erzählt habe?" Sergej erinnerte sich. Sie gehörte einem Freund von Pete und war, bis auf ein paar Kleinigkeiten, fast vollständig renoviert worden. „Wir könnten zusammen dort einziehen." Auch dem Türsteher gefiel die Idee. Sehr sogar. „Aber die war doch viel zu groß für uns.", antwortete er vorsichtig. „Wir könnten eins der Zimmer vermieten. Das würde schon gehen."
Sergej dachte einen Moment nach, bevor er nickte. „Das...wäre toll. Wirklich.", sagte er ehrlich. Er war zu erschöpft um enthusiastisch zu klingen, doch Pete wusste, dass Sergej die Idee einer gemeinsamen Wohnung schon gefallen hatte, seit sie das erste Mal davon gesprochen hatten. Für ein paar Momente sagten sie nichts und keiner der beiden bemerkte, wie sie beide endlich einschlafen konnten.
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Redfir Hills | One Shots at the lake [GER]
FanfictionOne Shots unserer Lieblingsbarbesitzer aus Redfir Hills!