Sergej schreckte hoch.
Zu dem geöffneten Fenster drang nichts als die Geräusche der sich im Wind biegenden Bäume herein, doch Sergej wusste ganz genau, was ihn geweckt hatte. Es war ein Schrei gewesen. Ohne sich zu bewegen lauschte er in die Dunkelheit und hoffte beinahe, dass sich das Geräusch wiederholen würde. Und tatsächlich, ein lauter, greller und geradezu primaler Schrei ließ ihn innerlich zusammenzucken. Er presste das Kiefer aufeinander und schluckte. Stille.
Der Türsteher warf einen Blick zu Pete, der neben ihm lag. Zwei wache Augen blickten ihn wissend an. „Yep.", murrte Pete und fuhr sich durch das wirre Haar. „Ich hab's auch gehört." Sergej grummelte, während er sich streckte und die Füße über die Bettkante warf um aufzustehen. Auf leisen Sohlen schlich er sich ans Fenster und sah hinaus. Draußen war nichts zu sehen außer der spärlichen Beleuchtung des Townsquare, ein paar junge Ulmen standen umrandet von altmodischen Kopfsteinpflaster gespenstisch im feinen Nebel, der sich bereits am späten Abend gebildet hatte. Sergej konnte in der Dunkelheit das sanfte Plätschern des Brunnens in der Nähe hören. Draußen bewegte sich nichts und hinter keinem der Fenster in der Nähe konnte er ein Licht brennen sehen. Es fühlte sich für einen Moment beinahe so an, als ob er und Pete alleine in der ganzen Stadt waren und Sergej wusste noch nicht, ob ihm das gefiel oder nicht. Ein weiteres Mal gellte der schrille Schrei durch die Nachtluft. Er kaum aus der Richtung einer der Wälder, die Redfir Hills umgaben doch auch als ehemaliger Soldat konnte beim besten Willen nicht sagen aus welcher Richtung er wirklich gekommen war, denn das Geräusch schien an den heruntergekommenen Fassaden der umliegenden Häuser abzuprallen, bis er schließlich verstummte. Sergej schüttelte sich. „Wahrscheinlich ein Berglöwe.", murrte Pete, der sich ebenfalls aufgesetzt hatte und jetzt durch sein Handy scrollte. „Die Viecher sind scheiße creepy." „Jo.", stimmte sein Partner zu, der sich gerade noch daran erinnert hatte, dass Pete ihn kaum sehen konnte, wenn er nicken würde.
Sie waren noch nicht lange in die Wohnung über dem Evergreen Café eingezogen und hatten sich noch nicht an alle Geräusche und Eigenheiten des Gebäudes gewöhnt. Doch das hier? Das Geschrei ging weit über das übliche Knarren und Knarzen eines baufälligen Hauses hinaus. Ein weiterer Schrei schrillte durch die Nacht und dieses Mal zuckte Sergej wirklich zusammen. Auch wenn sein gesunder Menschenverstand ihm sagte, dass es ein Berglöwe oder eine sonstige große Katze war, hatte er dennoch Probleme damit wie menschlich es sich anhörte. Es klang wirklich als ob eine Frau um Hilfe rief und er lauschte gebannt um die Situation einschätzen zu können. „Seit der Sache mit Lily sind wir ganz schön angespannt, was?" Sergej stützte sich mit den Ellbogen am breiten Fensterrahmen am und murrte. Es stimmte. Was mit Lily Thomson passiert war, war absolut grauenhaft gewesen. Es hatte alle in der Gemeinschaft zutiefst erschüttert und er und Pete hätten Lügen müssen, hätten sie behauptet, dass sie das Ganze kalt gelassen hätte und auch ihm war das furchtbare Verbrechen an der jungen Frau sofort in den Kopf gekommen, als er die Schreie der Wildkatze gehört hatte. Er und Pete fühlten sich nicht unsicher in der Stadt - schließlich passten weder er noch sein Partner ins Beuteschema des Blue Pine Killers, doch das hieß nicht, dass sie sich keine Sorgen machten. Im Gegenteil. Auf eine gewisse Weise hoffte Sergej dennoch, dass sie nicht in die ganze Sache hineingezogen würde.
Die Aufmerksamkeit eines brutalen Killers auf sich zu ziehen war nie eine gute Idee. Für dieses Wissen hätte er noch nicht einmal Soldat zu sein gebraucht.
Mürrisch kletterte er zurück ins Bett und legte seinen Kopf an Petes Schulter, der ebenfalls ein wenig näher zu ihm rutschte. Sergej war froh, dass sie zusammen eingezogen waren - er war alles andere als ein ängstlicher Mensch - aber manche Dinge, die sich Nachts im Wald herumtrieben... Sergej war zumindest nicht scharf darauf es herauszufinden. Und er wusste dass, egal wie unangenehm die animalischen Schreie vor ihrem Fenster ihm waren, Pete eine ganz angenehme Garantie dafür war, dass er doch noch ein paar Stunden Schlaf bekommen würde.
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Redfir Hills | One Shots at the lake [GER]
Fiksi PenggemarOne Shots unserer Lieblingsbarbesitzer aus Redfir Hills!