Der Aufbruch ins Unbekannte

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Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn die Erde unter dir verschwindet. Wenn du langsam, aber unaufhaltsam, aus der Gravitation gerissen wirst, die dich dein ganzes Leben lang festgehalten hat. Es ist ein seltsames Gefühl, fast wie ein Ziehen im Magen – eine Mischung aus Euphorie und Angst, so intensiv, dass es schwerfällt, einen klaren Gedanken zu fassen.

Mein Name ist Alex Ritter. Astronaut. Heute ist der Tag, an dem ich mich von allem trenne, was ich je gekannt habe. Der Countdown läuft, meine Gedanken rasen. 10... 9... 8... Mein Atem geht schneller. Ich habe diese Routine unzählige Male geübt, in Simulationen, in Trainingseinheiten, aber das hier ist anders. Es gibt keinen „Versuch" mehr, kein Zurück. 7... 6... Die Vibrationen beginnen, sich durch den Rumpf der Rakete zu ziehen, eine stetige, donnernde Präsenz. 5... 4... Mein Herz pocht im Takt des Countdowns. Alles, was ich mir in den letzten Jahren erarbeitet habe, läuft auf diesen Moment hinaus. 3... 2... Meine Hände krallen sich in die Armlehnen, meine Augen schließen sich unwillkürlich. 1... Null.

Das Gefühl, in den Sitz gepresst zu werden, ist überwältigend. Ich habe es erwartet, ich habe es geübt, aber nichts hätte mich auf die brutale Wucht der Beschleunigung vorbereiten können. Meine Brust wird schwer, als würde ein unsichtbares Gewicht auf mir lasten, meine Rippen in den Sitz drücken. Die Vibrationen verstärken sich, und ich spüre, wie mein Körper gegen die Macht der Erde ankämpft, die mich zurückhalten will. Es ist ein Kampf gegen die Natur, gegen alles, was mich festhalten möchte. Die Rakete schreit, als würde sie mit mir zusammen diesen uralten Instinkt bekämpfen.

Plötzlich ein Ruck. Der Himmel, den ich durch das kleine Fenster sehen kann, beginnt sich zu verändern. Ein tiefes Blau, das allmählich in ein schwärzeres Blau übergeht und schließlich in ein samtiges Schwarz, durchbrochen von zahllosen kleinen Lichtern. Sterne. Ich habe Sterne schon oft gesehen, klar, wer hat das nicht? Aber hier, so nah, ohne die Störungen der Erdatmosphäre, sehen sie anders aus. Sie wirken... lebendiger. Mein Atem stockt für einen Moment, und ein Gefühl der Ehrfurcht durchströmt mich. Ich habe die Erde verlassen.

Ein sanftes Zischen durchbricht die Stille in meiner Kabine. "Stufe eins Abwurf erfolgreich," meldet die Kontrollzentrale in Houston. Meine Hände zittern immer noch, aber mein Verstand beginnt, wieder klarer zu werden. Ich antworte mit einem knappen "Bestätigt." Eine Sekunde der Stille, dann eine Antwort: "Gute Arbeit, Alex. Weiter wie geplant." Ihre Stimmen sind beruhigend, vertraut, wie alte Freunde, die mich durch diese Reise begleiten.

Die Rakete gleitet nun durch den Raum, das Brüllen ist verklungen. Das Gefühl der Schwerelosigkeit beginnt mich einzuhüllen, und es ist, als ob mein Körper sich selbst nicht mehr richtig verstehen würde. Alles, was mir vertraut ist, scheint jetzt so weit weg zu sein. Die Erde ist nur noch ein blauer Punkt inmitten dieses unendlichen schwarzen Ozeans. Mein Körper fühlt sich leicht an, wie eine Feder, aber mein Geist ist schwer vor der Unermesslichkeit dessen, was noch vor mir liegt.

Meine Mission ist klar: den Planeten Eos erreichen, den mysteriösen, blaugrünen Stern, der kürzlich entdeckt wurde und möglicherweise bewohnbar ist. Ich habe Jahre damit verbracht, mich vorzubereiten, doch jetzt, da ich wirklich hier draußen bin, fühlt sich alles plötzlich anders an. Zweifel kriechen in meinen Verstand. War es die richtige Entscheidung, meine Familie und mein Leben zurückzulassen? Was, wenn ich nie zurückkehre? Ich schüttele den Kopf, versuche, diese Gedanken zu vertreiben. Es ist zu spät, um jetzt zurückzuweichen.

Der Bordcomputer piept leise, unterbricht meine Gedanken. Die Anzeigen blinken, und ich beginne, die Systeme zu überprüfen, wie ich es unzählige Male zuvor getan habe. Lebenserhaltung? In Ordnung. Treibstoff? In Ordnung. Kommunikation? Ein kleiner Schluckauf, aber nichts Ernstes. Ein kurzes Kichern entweicht meinen Lippen. Selbst im Weltraum sind die Systeme nicht perfekt.

Ich schwebe durch die enge Kabine und ziehe mich zur Frontscheibe der Kapsel. Von hier aus habe ich eine bessere Sicht auf die Weite vor mir. Die Sterne strahlen heller als je zuvor, und der Blick ist atemberaubend. Ich kann mir kaum vorstellen, dass dies mein neuer Alltag sein wird. Die Stille ist fast meditativ, nur durch das gelegentliche Piepen des Bordcomputers unterbrochen. Die Dunkelheit, die mich umgibt, fühlt sich an wie eine Decke, die alles Menschliche verschluckt. Ein beruhigender Gedanke.

Aber dann, ein kurzes Aufleuchten am Rande meines Sichtfeldes. Ein flüchtiger Schatten, ein Moment des Unbehagens. War da etwas? Ich blicke intensiver hinaus, doch sehe nichts. Es könnte ein Staubpartikel gewesen sein, ein Stück Weltraummüll. Mein Herzschlag beruhigt sich langsam wieder. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Es ist nur der Anfang. Die Reise hat gerade erst begonnen.

Echoes of the Void (German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt