Kapitel 23

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Echofeders Prüfung

(Tw: Mentale & Emotionale Belastungen/Missbrauch+ Manipulation)

Echofeder stand allein auf der Lichtung, umgeben von undurchdringlicher Dunkelheit. Jeder Schritt, den er machte, schien von der Schwärze verschluckt zu werden, und die Stille um ihn herum war beinahe erdrückend. Seine Augen scannten die Umgebung, aber es gab keine erkennbare Form oder Struktur, nur eine endlose Dunkelheit, die sich wie eine dichte Decke über alles gelegt hatte.

Plötzlich durchbrach eine dunkle Gestalt die tiefste Schwärze, und Echofeder hielt erschrocken inne. Die Erscheinung trat langsam ins Licht, als ob sie aus dem Nichts heraus materialisierte. Die Gestalt war imposant und zugleich furchteinflößend. Der Kater, der vor ihm stand, hatte ein graues Fell, durchzogen von dunklen Wirbeln, und seine Pfoten waren schneeweiß, als ob sie aus Licht gemacht wären. Narben zogen sich wie dunkle Adern über seinen Körper und verliehen ihm ein geheimnisvolles, fast gespenstisches Aussehen. Doch am auffälligsten waren seine Augen – sie waren reinweiß, ohne Pupillen oder Iris, und schienen das Licht selbst zu verschlingen.

„Du bist es", murmelte Echofeder leise, als er die Identität der dunklen Erscheinung erkannte. „Der Traumfürst."

Der Traumfürst, der in der Dunkelheit des Traums lebte und seine Macht über das Reich der Schatten und der Träume ausübte, blickte mit seinen ausdruckslosen, weißen Augen auf Echofeder herab. Seine Stimme, als er sprach, war tief und hallte wie ein Echo in der Dunkelheit wider, als ob sie aus den tiefsten Tiefen eines Traums kam

„Du hast also deinen Weg gefunden, Echofeder", begann der Traumfürst mit einer Stimme, die sowohl drohend als auch respektvoll klang. „Aber ich warne dich: Diese Prüfung wird nicht einfach sein. Du musst dich beweisen, um meinen Platz einnehmen zu können. Ich werde es dir nicht leicht machen."

Echofeder schluckte schwer, die Schwere der Worte des Traumfürsten fühlte sich fast physisch an. Er hatte sich seinen eigenen inneren Dämonen gestellt und sie überwunden, doch jetzt wusste er, dass noch größere Herausforderungen auf ihn warteten.

„Was meinst du damit?" fragte Echofeder, seine Stimme fest, auch wenn ein Hauch von Unsicherheit durchklang.

Der Traumfürst lächelte düster, und die Dunkelheit um ihn schien sich zu intensivieren. „Meine Prüfung war nur der Anfang. Um den Platz eines Wächters einzunehmen, musst du nicht nur gegen deine eigenen Ängste kämpfen, sondern auch die wahre Bedeutung des Wachdienstes verstehen. Die Wächter sind nicht nur Hüter der Elemente oder der Dunkelheit, sondern sie tragen auch die Last des Schicksals und der Verantwortung. Du wirst gegen deine eigene Vorstellungskraft, gegen die Erwartungen und die Prüfungen kämpfen müssen, die dich an den Rand deiner Kräfte bringen werden."

Echofeder nickte, sein Herz schlug schneller. Er wusste, dass es nicht nur um die Erfüllung der Prüfungen ging, sondern auch um die inneren Herausforderungen, die ihn auf die Probe stellen würden. Die Verantwortung, die mit der Rolle eines Wächters einherging, war enorm, und er war entschlossen, sich dieser Verantwortung zu stellen.

„Ich werde mich beweisen", sagte Echofeder entschlossen. „Ich werde meinen Platz einnehmen und alles tun, was nötig ist, um die Aufgabe der Wächter zu erfüllen."

Der Traumfürst neigte den Kopf, als ob er Echofeders Entschlossenheit prüfte. „Das ist der Geist, den du brauchen wirst. Doch bedenke, die Prüfungen werden nicht nur deine körperliche Stärke auf die Probe stellen. Sie werden auch deine Entschlossenheit, deine Moral und deine Fähigkeit, zwischen Licht und Dunkelheit zu balancieren, testen."

Vor ihm materialisierten sich plötzlich zwei Gestalten aus der Dunkelheit: seine Eltern, die ihn mit einem Ausdruck aus unaufhörlichem Schmerz und Enttäuschung ansahen. Ihre Augen waren leer, ihre Gesichter verzerrt vor Zorn und Vorwürfen. Das Bild seiner Kindheit, das er so lange in seinem Herzen bewahrt hatte, war nun von einer tiefen, schmerzerfüllten Realität überschattet.

„Rauchklang", sprach seine Mutter, ihre Stimme klang wie das Echo aus einer endlosen Nacht. „Wir haben dich immer geliebt, aber du hast uns enttäuscht."

„Ja, Rauchklang", ergänzte sein Vater mit schneidender Bitterkeit, „du hast uns im Stich gelassen. Du hast uns nicht nur enttäuscht, sondern auch deinen Bruder verloren. Hast du dich jemals gefragt, was aus ihm geworden ist?"

Der Name „Rauchklang" hallte in Echofeders Kopf wider, und die Schmerzen seiner Kindheit, die er so lange verdrängt hatte, brachen über ihn herein. „Ich habe nicht gewollt, dass das passiert", stammelte er, „ich wollte nur das Beste für uns alle."

Seine Mutter schüttelte den Kopf, ihre Augen funkelten vor Verzweiflung und Vorwurf. „Du hast uns nicht nur enttäuscht, sondern hast auch den Tod deines Bruders auf dem Gewissen. Er war immer dein Schatten, und du hast ihn in den Abgrund gestoßen."

Echofeder starrte sie entsetzt an, die Schuld, die er sich immer selbst auferlegt hatte, brach nun wie eine unaufhaltsame Flut über ihn herein. „Das war nicht meine Absicht", flehte er. „Ich habe ihn nicht absichtlich verloren. Es war der Kampf, der uns auseinandergerissen hat."

Sein Vater trat näher, seine Augen strahlten Hass und Groll aus. „Du hast uns alle im Stich gelassen. Du warst der Grund für seinen Verlust, der Grund für unseren Tod. Wie kannst du erwarten, dass du diese Prüfung bestehst, wenn du dich nicht einmal deinen eigenen Fehlern stellen kannst?"

Der Raum um Echofeder herum wurde immer dunkler, die Schatten schienen ihn zu erdrücken. Der Schmerz und die Schuld, die er in seinem Inneren trug, schienen sich wie ein erstickender Nebel um ihn zu legen. Die Dunkelheit zog sich wie ein schwarzes Tuch über ihn, und die Worte seiner Eltern brannten wie glühende Kohlen in seinem Herzen.

Der Traumfürst erschien aus den Schatten, sein Gesicht von einer Mischung aus Mitgefühl und finsterem Zorn geprägt. „Du brauchst mich doch, hm?" seine Stimme klang kalt und voller Verachtung. „Hörst du das? Sie kommen. Sie kommen, um dich zu holen. Sie werden dich nicht finden. Niemand wird dich finden. Du bist bei mir!"

Seine Worte schnitt wie ein scharfes Messer durch Echofeders Herz. Die Dunkelheit um ihn herum verdichtete sich, als ob der Traumfürst seine Ängste und Zweifel verstärken wollte. „Du bist ein Versager, Echofeder", flüsterte der Traumfürst. „Du kannst dich nicht von deinen Fehlern befreien. Sie sind Teil von dir, und du wirst niemals den Frieden finden."

Echofeder fühlte sich von der Dunkelheit und den Vorwürfen seiner Eltern erdrückt. Die Schuld und der Schmerz schienen ihn zu ersticken, und die düstere Präsenz des Traumfürsten verstärkte seine Verzweiflung. „Ich kann nicht... Ich kann das nicht ertragen", stammelte er, während die Dunkelheit ihn immer weiter in den Abgrund zog.

„Natürlich kannst du das nicht", sagte der Traumfürst mit einem grausamen Lächeln. „Du bist zu schwach, um deine eigenen Dämonen zu besiegen. Du wirst für immer in dieser Dunkelheit gefangen bleiben. Sie werden dich nicht finden, denn du bist verloren."

Echofeder fühlte sich verloren, als ob er in einem endlosen Albtraum gefangen war. Der Schmerz seiner Eltern und die dunklen Worte des Traumfürsten schnitt tief in sein Herz und drohten, ihn zu zerstören.

„Ich bin schuld", murmelte er verzweifelt. „Ich habe versagt. Ich habe meinen Bruder verloren und euch enttäuscht. Wie kann ich diese Prüfung bestehen? Wie kann ich mich von diesem Schmerz befreien?"

Der Traumfürst stand über ihm, seine Augen funkelten vor grausamer Freude. „Du kannst nicht entkommen, Echofeder. Du bist Teil dieser Dunkelheit, und es gibt keinen Ausweg."

Immer mehr verschlang die Dunkelheit den verzweifelten Kater, bis er schließlich in völlige Stille gehüllt war. Die Welt um Echofeder verschwamm in einem endlosen Meer aus undurchdringlichem Schwarz, und die schmerzerfüllten Schreie seiner Seele verhallten in der Leere. Es war eine erdrückende Stille, die seine Gedanken erstickte und jeden Gedanken an Hoffnung oder Erlösung verhinderte.

In der Stille lag ein unheimliches Gefühl der Ausweglosigkeit, das wie ein Kiefer um ihn lag. Echofeder fühlte sich wie in einem endlosen Tunnel gefangen, der sich immer weiter in die Dunkelheit erstreckte. Die Worte seiner Eltern und der grausame Spott des Traumfürsten hallten in seinem Inneren nach, wie unaufhörliche Echos, die niemals enden sollten.

Der verlorene fünfte WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt