Kapietel 2: Gefangen

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Ich wachte mit einem Schock auf. Es war nicht der normale, sanfte Übergang von der Traumwelt in die Realität, sondern ein harter Ruck. Meine Hände waren hinter einem Stuhl gefesselt, und ich war allein in einem dunklen Raum. Der muffige Geruch von feuchtem Holz und Staub stieg mir in die Nase. Als ich versuchte, mich zu bewegen, stach der Schmerz in meinen Handgelenken. Ich war an den Stuhl gebunden, als ob ich nie wieder frei sein sollte.

„Hilfe... Hilfe!" schrie ich verzweifelt, doch die Worte fühlten sich wie ein Flüstern in der unheimlichen Stille des Raumes an. Es gab keine Reaktion. Keine Hilfe. Nur die Leere.

Ein knirschendes Geräusch hinter mir ließ mich zusammenzucken, und als ich mich umdrehte, tauchte er auf. Der Mann, den ich in der Nacht zuvor gesehen hatte. Er trat aus den Schatten und sein Blick war ruhig, beinahe kalt. Die Furcht, die mich bis in die Knochen durchzog, ließ mein Herz rasen. Ich war so klein in diesem Moment, wie ein Schmetterling, der in einem Netz gefangen ist.

„Du kannst so viel schreien, wie du willst. Hier hört dich niemand außer mir", sagte er mit einer Stimme, die zugleich sanft und unheilvoll war. Ein Lächeln zuckte über seine Lippen, als er sich näherte.

Ich wollte weglaufen, mich befreien, aber meine Fesseln hielten mich fest, als wäre ich in Ketten gelegt. Plötzlich spürte ich, wie er eine Träne von meiner Wange wischte. Zitternd versuchte ich, mich von ihm abzuwenden, doch er griff nach einer Strähne meines Haares und schob sie sanft hinter mein Ohr. Die Geste war so seltsam zärtlich, dass ich noch mehr Angst bekam.

„Bitte, lass mich gehen", flehte ich, meine Stimme zitterte, als ich versuchte, ruhig zu bleiben. „Ich werde es niemandem erzählen. Wenn du Geld willst, ich... ich kann dir was geben." Ich wusste, dass das vielleicht die falsche Reaktion war, aber ich konnte nicht anders.

Er schüttelte nur den Kopf, und ich konnte in seinen Augen ein leises Mitleid erkennen, das mich noch mehr verunsicherte. „Weißt du... das Geld interessiert mich nicht." Der Blick, den er mir zuwarf, war intensiv, so durchdringend, dass es sich anfühlte, als würde er bis in meine Seele blicken. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, war wie gelähmt. Was wollte er wirklich von mir?

„Sondern?", fragte ich, mein Herz schlug schneller.

Er sagte nichts, sondern wandte sich ab. Die Stille nach seinen Worten war schwer und erdrückend. Was wollte er von mir? Was hatte das alles zu bedeuten? Ich konnte nicht fassen, dass dieser Mensch so ruhig war, als hätte er nicht die geringste Regung dabei, mich gefangen zu halten.

Einige Zeit später kam er wieder zurück. Dieses Mal trug er ein Tablett mit einem Glas Wasser und einer dampfenden Schüssel Suppe. Er stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch, der an der Wand stand. Die Bewegung war so unbemerkt und routiniert, als ob er das schon tausendmal gemacht hätte.

„Ich mache dich jetzt frei", sagte er mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war. „Aber sei gewarnt: Wenn du versuchst, abzuhauen, werde ich dich wieder an diesen Stuhl fesseln und nie wieder freilassen."

Ich nickte, mein Kopf war voll von Fragen, aber ich wusste, dass es nichts brachte, zu widersprechen. Die Angst in mir war zu groß, als dass ich auch nur einen Funken Widerstand aufbringen konnte. Was er mit mir machen würde, wenn ich versuchte zu fliehen, konnte ich mir lebhaft ausmalen. Also blieb ich still, starrte nur auf den Boden und versuchte, mein Herz zu beruhigen.

Er ging hinter mich, löste das Seil von meinen Handgelenken und dann das von meinen Füßen. Ein stechendes, unangenehmes Gefühl durchzog meine Gliedmaßen, als das Blut wieder zirkulierte. Ich rieb mir die Handgelenke, während ich versuchte, das pochende Gefühl loszuwerden.

„Hast du Hunger?", fragte er mich plötzlich, seine Stimme war weich, fast fürsorglich.

Ich nickte leise, zögerlich, und nahm das Tablett mit der Suppe und dem Wasser. Es war seltsam - er hatte mir noch nie zuvor ein Gefühl von Fürsorge gegeben, doch jetzt wirkte er fast wie ein Gastgeber. Was für ein Spiel spielte er mit mir? War er wirklich nett oder war das alles Teil eines viel größeren Plans? Aber die Suppe sah so verlockend aus, dass ich den ersten Löffel zögerlich in den Mund führte.

„Alles gut?" fragte er erneut, als er sah, wie meine Hand zitterte.

Ich nickte, obwohl meine Hände und meine Knie immer noch unkontrollierbar zitterten. Das Gefühl der Unsicherheit war stärker als alles andere, doch ich wollte mir keine Schwäche anmerken lassen. „Ja", murmelte ich, obwohl ich spürte, wie meine Kehle trocken war und ich kaum einen Bissen hinunterbrachte.

„Du bist schüchtern, nicht wahr?", fragte er dann, und ich nickte erneut. Ich war nicht nur schüchtern. Ich war vor Angst erstarrt.

„Ich bin übrigens Nathan", sagte er dann mit einem freundlichen, fast charmanten Lächeln. „Und du?"

Ich sah ihn an, immer noch misstrauisch, aber zumindest fühlte ich mich in diesem Moment nicht mehr so hilflos. „Kalea", antwortete ich leise.

„Schön, dich kennenzulernen, Kalea", sagte er, als ob das alles ganz normal wäre. Doch ich konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Es war, als würde er mich auf eine Weise sehen, die ich nicht verstand. Und das machte mir Angst.

Ich versuchte, meinen Kopf zu fokussieren und dachte daran, wie ich entkommen könnte. Vielleicht würde er mich irgendwann aus dem Keller lassen und ich könnte entkommen. Vielleicht würde mein Freund mich suchen, meine Familie auch. Sie würden sich Sorgen machen. Aber sie wussten nicht, wo ich war, und ich konnte ihnen nicht helfen.

„Du solltest essen, um dich zu stärken", sagte Nathan mit seiner rauen Stimme. Er hatte sich kaum bewegt, doch seine Worte ließen mir eine Gänsehaut über den ganzen Körper laufen. „Vertrau mir", fügte er hinzu. „Es wird dir gut tun."

Ich nickte, obwohl ich in meinem Inneren nur noch fliehen wollte. Aber ich konnte nicht. Die Angst hatte mich fest im Griff.

Später stand Nathan auf, um die Treppen zu dem oberen Stockwerk zu gehen, und ich dachte an einen Fluchtversuch. Ich war allein, aber nicht wirklich frei. Der Keller fühlte sich wie ein Gefängnis an, und ich hatte das Gefühl, dass ich hier niemals herauskommen würde.

Doch dann hörte ich die Tür, die sich hinter mir öffnete. Ich wirbelte herum und sah Nathan wieder, diesmal ohne sein T-Shirt, leicht verschwitzt. Ein Teil von mir reagierte auf ihn - wie konnte er so attraktiv sein, selbst in dieser schrecklichen Situation? Doch ich verdrängte die Gedanken schnell.

„Komm, wir kochen etwas zusammen", sagte er mit einem Lächeln, das ich nicht ganz deuten konnte.

„Was kochen wir?" fragte ich vorsichtig, fast ungläubig.

„Salat, Hähnchen und Reis", antwortete er. Es war so einfach und so ... normal. So als wäre alles, was geschehen war, nichts weiter als ein Spiel, das er spielte.

Ich nickte, und als wir gemeinsam in die Küche gingen, versuchte ich zu verstehen, was in seinem Kopf vorging. Warum war er plötzlich so nett zu mir? War es nur ein weiteres psychisches Spiel? Oder hatte er wirklich Interesse an mir?

Jeder Blick von ihm fühlte sich wie ein Rätsel an, und ich fragte mich, ob ich je wieder entkommen würde. Doch in diesem Moment gab es keine Antworten. Nur das Gefühl von Angst, das mir wie ein Schatten folgte, wohin ich auch ging.

Kipnapped by a phyco DEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt