Kapitel 35

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H E L I O

Obwohl es hier in der Uni-Bibliothek angenehm ruhig war, konnte ich mich nicht konzentrieren. 
Ich blickte von meinem Laptop auf und lehnte mich auf dem Stuhl nach hinten, um zu Daphne zu spähen. Sie saß neben mir am Tisch und hämmerte wütend auf der immer selben Taste herum. 

Die Augenbrauen angehoben, lehnte ich mich zu ihr herüber. »Alles okay?«
Sie stützte ihren Kopf in die Hände und pustete Luft aus, bevor sie sich frustriert gegen die Stuhllehne fallen ließ. »Ich hab Kopfschmerzen. Und ich glaube Photoshop hat sich gegen mich verschworen. Erst ist es abgestürzt und jetzt reagiert es schon wieder nicht mehr.« 

Ich nickte und lächelte ihr amüsiert zu. »Damit kenn ich mich aus. Das Programm spürt, dass du gestresst bist. So wie Hunde und Wespen ... Dann greift es dich an.« Unsere Blicke trafen sich, als sie meinen schlechten Scherz bemerkte und ein Grinsen versteckte, um mir ihr genervtes Gesicht zu präsentieren.

Daraufhin stand ich auf und lief zwei Schritte zu ihr herüber, damit ich über sie hinweg auf den Bildschirm schauen konnte. Ich stützte mich über sie und legte die Hände auf der Tastatur ab. Dabei berührte ihr Hinterkopf leicht meine Brust. 

»Hier! Mit ein bisschen Geduld ...« Mir entging nicht, dass ihr Körper unmittelbar erstarrte. Meine plötzliche Nähe schien sie zu überraschen. Genauso, wie meine Photoshop-Kenntnisse. Aufmerksam und vollkommen versteift, sah sie dabei zu, wie ich das Problem mit ein paar wenige Klicks behob. 

Sie hatte lediglich übersehen, dass für den Arbeitsspeicher nicht die richtige Festplatte ausgewählt war. »... frisst es dir ... gleich wieder aus der Hand.«
Mit der Enter-Taste bestätigte ich die geänderten Einstellungen, startete das Programm neu und wartete, bis die Oberfläche erneut geladen hatte.

In der Zwischenzeit beherrschte ich mich, ihr nicht noch näher zu kommen. So, wie es meine Instinkte verlangten. Fokussiert, zwang ich mich, weiter auf den Bildschirm zu blicken, anstatt ihren Duft einzuatmen oder ihr einen Kuss auf den Haaransatz zu drücken. 

Doch das intensivierte die Hitze, die von ihrem Körper auf mich abstrahlte. Fast, als würde sie sich mit meiner Körperwärme vereinen, um mich daran zu erinnern, dass die Gefühle, die ich empfand, gesehen werden wollten. 

Es dauerte einen Moment, bis das Programm wieder einwandfrei funktionierte.
Ich zog meine Hände zurück und richtete mich auf. Sie blieb noch einen Moment steif sitzen, bevor sie auftaute und mit ein paar Mausklicks prüfte, ob ich recht behielt. Als sie sich sicher war, lächelte sie mich erleichtert an. »Danke.«

»Was stresst dich sonst noch?«, fragte ich hinterher und blickte auf ihre verspannten Schultern. Dann griff ich nach der kleinen Flasche neben meinem Laptop, um ein paar Schlucke Wasser zu trinken.

»Eigentlich nichts. Ich ... hab vorhin für eine Hausarbeit in Kunstgeschichte recherchiert und ...« Sie begutachtete ihren Finger und knibbelte nervös an der Nagelhaut. »Da ist mir aufgefallen, dass es keine Seltenheit ist, dass ...« Kurz schaute sie unsicher zu mir auf, wandte sich dann aber sofort wieder ab. »Künstlerinnen und Künstler oft mehrere ... na ja ... Musen hatten. Mehrere Menschen, die sie ihrer Aussage nach zur gleichen Zeit ... geliebt haben.« 

Ich forschte in ihrem Gesicht, da mir nicht ganz klar war, was genau sie daran stresste. 
»Denkst du, dass das möglich ist? Zwei ... ähm ich meine mehrere Menschen zur gleichen Zeit zu lieben?« Das beschäftigte sie?

Ich kombinierte und ahnte sofort, worauf sie hinauswollte. Sie fühlte sich wahrscheinlich bereits zu uns hingezogen.
Ich setzte mich und starrte gedankenverloren zur Seite, um diese Information sacken zu lassen.

Zu beiden von uns.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ein Bitteres. Denn das könnte bedeuten, sie fühlte für uns beide genau dasselbe. Was sich bei dem Gedanken in mir bewegte, war schwer einzuordnen. Sie sollte Devil wählen. So war es geplant. Aber ein Teil in mir war froh, dass sie sich ihm noch nicht voll und ganz versprochen hatte. 

Celesdeal - Ein himmlischer Pakt (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt