„Hey, oh mein Gott was ist passiert?", fragt Emma mich und lässt sich neben mich auf die Mauer sinken. Sie schlingt sofort ihre Arme um mich. Unsere Meinungsverschiedenheit ist direkt vergessen und sie tröstet mich.
„Erzähl mir alles"
Zwischen Schluchzern versuche ich ihr so gut es geht verständlich zu erklären, was passiert ist.
„Ich...ich weiß nicht, was mit ihm los ist. W-wir haben uns so gut verstanden. Er konnte meine Bestellung auswendig, bevor ich ihn richtig kannte. E-er hat mir Muffins mitgebracht zu den Mathetreffen, hat nach meiner Arbeit mit Essen auf mich gewartet, obwohl wir uns nicht lange kannten. Er-", ich breche ab, da ich von einer erneuten Welle von Schluchzern geschüttelt werde. Emma nimmt mich noch fester in den Arm und zieht mich an sich.
„Er wollte unbedingt mein Tanzpartner werden und hat sich so viel Mühe für unser Indoor-Picknick gegeben. Ich habe mich ihm geöffnet und mich ihm hingegeben." Ich sehe Emma ins Gesicht, doch sehe sie durch meinen Tränenschleier nur verschwommen. „Das hätte ich doch niemals gemacht, wenn ich mir der Sache nicht sicher gewesen wäre, und wenn ich nicht gespürt hätte, dass er es auch will."
„Ich weiß" Emma streicht mir über die Haare und versucht mich zu beruhigen. „Ich habe dir doch gesagt, dass es zu früh ist für eine Beziehung. Du leidest noch immer unter dem Betrug, den Diego dir angetan hat. Warst du vielleicht wirklich nur in das Gefühl verliebt geliebt zu werden und hast es mit aller Kraft in Paul interpretiert, weil er dir ein bisschen Aufmerksamkeit geschenkt hat?"
„Vielleicht hast du recht", gebe ich zu. Ich war so gemein zu ihr. Was ist, wenn sie wirklich recht hatte? Ich habe zu viel in Pauls Aktionen interpretiert, wodurch er mich perfekt manipulieren konnte? Wie konnte ich nur so naiv sein?
„Was hältst du davon, wenn wir uns ein entspanntes Wochenende machen?", fragt sie mich. „Mit Filmen, lästern, Schokorosinen, lästern, Pizza und noch mehr lästern?"
„Das hört sich gut an, aber nein. Ich möchte Action. Ich will nicht alleine sein und auch nicht nur zu zweit. Sollen wir in den Pub gehen? Da ist doch jeden Freitagabend Disco, Happy Hour und Burger zum halben Preis", schlage ich vor.
„So gefällst du mir. Immer rein ins Getummel! Wir machen uns einen schönen Abend"Ich sitze jetzt mit Emma in dem Pub und hinterfrage meine Zurechnungsfähigkeit. Vielmehr sitze ich allein, da Emma auf der Tanzfläche mit fremden Männern tanzt. Sie meinte mit dem wir in Wir machen uns einen schönen Abend wohl eher sich. Ich sitze mit meinem halb aufgegessenen Burger und meinen Pommes am Tisch und trinke Mojitos. Ich werde mich nicht betrinken, aber ich würde es heute ausnahmsweise mal begrüßen, wenn mein Kopf etwas leichter werden würde. Eigentlich dachte ich, dass wir auch noch etwas sprechen könnten, aber wie ich Emma kenne, wird sie gleich mit einem der Typen abhauen und mich hier alleine lassen. Wenn das nicht eine echt tolle beste Freundin ist. Ich habe mir auch noch gar keine Gedanken wegen morgen gemacht. Eigentlich ist morgen unser Tanzkurs, aber wer möchte schon mit jemandem tanzen, dem man völlig egal ist, der nicht mit dir spricht und dich nur ausgenutzt hat.
Ich knabbere an meinem Burger weiter und drifte in meine Gedanken ab.Irgendwann verspüre auch ich den Drang zu tanzen und geselle mich zu Emma auf die Tanzfläche. Wir beide tanzen wie früher miteinander. Ich bin jetzt zwar leicht angetrunken, aber dafür ist Emma betrunken wie eh und je. Sie sagt schon im nüchternen Zustand, das, was sie will, aber wenn sie zu viel getrunken hat, ist ihre Zunge noch lockerer und sie plaudert alles aus.
Plötzlich wird auch noch unser Lieblingssong gespielt zu dem wir immer eine ganz tolle Performance ablegen. Während wir zu „Call me maybe" tanzen, vergesse ich mein Debakel mit Paul für kurze Zeit und fühle mich frei. Nachdem das Lied zu Ende ist, fangen wir an wie zwei aufgedrehte Teenies zu kichern, die sich getraut haben, ihrem Schwarm zu winken. Wir liegen uns lachend in den Armen, als Emma die Bombe platzen lässt.
„Ich bin so froh, dass ich mit diesem Paul gesprochen habe, sonst hätte der dich gar nicht mehr in Ruhe gelassen. Und wer ist dann meine Wingwomen bei den Parties? Du gehst immer vor und langweilst die Jungs mit deinen Gesprächen und dann komme ich und wickele sie um meine Finger. Gut, dass...", doch mehr höre ich gar nicht mehr. Die Welt um mich herum verschwimmt und ich betrachte mich von außen. Langsam realisiere ich, was Emma mir da gerade gesagt hat. Ich glaube mir wird schlecht. Und sie habe ich als beste Freundin bezeichnet? Langsam werde ich wieder klarer im Kopf und ich fühle mich nicht mehr so leicht.
„Du hast WAS getan?", schreie ich sie an, doch durch die laute Musik hat mein Geschrei nicht die gewünschte Wirkung.
„Ich habe Paul von deinem Ex erzählt, dass du noch nicht bereit seist und nur jemanden als Lückenfüller suchst, weil du das Gefühl vermisst geliebt zu werden. Also nur die Wahrheit. Er war so naiv und ist auf dich reingefallen. Wir sind zwar Freundinnen, aber sorry Clara, das ging wirklich zu weit. Der Arme hatte ja nur Augen für dich und ist in sein Verderben gelaufen."
Mir ist wirklich schlecht. „Du bist krank. Du bist wirklich krank. Du hast mich manipuliert. Seit Anfang an. Hast mir versucht einzureden, dass ich noch nich so weit sei und nur jemanden suche, der mich mag, aber den ich nicht mag. Und das Schlimme ist, dass ich es dir zuletzt auch noch geglaubt habe."
„Ich habe es nur für dich getan. So bist du nicht. Du benutzt keine Menschen. Ich wollte nicht, dass du dir irgendwann Vorwürfe machst.", versucht sie sich zu verteidigen und es so darzustellen, als hätte sie mir nur helfen wollen.
„Oh mein Gott, Emma. Wenn du das wirklich alles glaubst, bist du krank. Wirklich krank. Ich bin in ihn verliebt und wegen dir ist unser Glück vielleicht jetzt ganz verloren. Das ist einfach nur ekelig. Und ich war noch nie deine Wingwomen", äffe ich sie nach. „Du hast mir nur jeden einzelnen Typen ausgespannt und so getan, als hättest du es nicht gewusst. Ich habe dich machen lassen, weil ich keinen Streit wollte. Ich habe meine Gefühle immer zurückgestellt wegen dir, aber das endet im hier und jetzt! Ich bin es leid. Jetzt bin ich einmal egoistisch und versuche mein Glück zu retten, das du mir nicht gegönnt hast, weil ein Junge ausnahmsweise mal für mich - und zwar nur für mich - Augen hatte. Du kannst es nicht ertragen, wenn nicht du im Mittelpunkt stehst."
„Das ist doch gar nicht-", fängt sie an.
„Halt, ich will nichts mehr von dir hören. Nie wieder. Halte dich in Zukunft von mir und von Paul fern. Such dir einen Psychologen. Der wird auch nur Augen für dich und deine Probleme haben, aber mich wirst du nicht mehr manipulieren können. Ich bin raus. Leb wohl!"
Damit drehe ich mich um und gehe. Auch auf ihre Rufe reagiere ich nicht. Ich sage dennoch ein paar anderen Freundinnen und Kommilitoninnen von Emma Bescheid, damit sie ein bisschen auf sie aufpassen. Dann gehe ich nach draußen und atme erstmal tief durch. Ich brauche Luft. Ihre Offenbarung hat mir alle Luft aus meiner Lunge gepresst. Ich stütze mich kurz an einer Wand ab und nehme mir dann ein Taxi. Nur bloß weg von hier.Im Taxi gehe ich das Ganze nochmal durch: Nicht Paul hat mich manipuliert, sondern sie. Meine so genannte beste Freundin hat mich manipuliert. Erst freut sie sich und dann fängt sie mit Diego an. Dass ich noch nicht bereit sei für eine neue Beziehung, da es noch nicht lange her sei. Es ist zwei verdammt lange Jahre her. Sie hat mich die ganze Zeit benutzt und ich bin darauf reingefallen. Wie konnte ich nur so dumm sein?
Hoffentlich bekomme ich das alles wieder mit Paul hin.
Stumme Tränen fließen über meine Wangen und verschmieren mein Make-Up. Ich muss aussehen, als hätte ich den ganzen Tag und die ganze Nacht durchgeweint, aber das ist mir egal. Ich fühle mich benutzt und alleine. Und diese Gefühle hat mir eine der wichtigsten Personen in meinem Leben vermittelt. Was habe ich getan, um so eine Freundin zu verdienen? Was muss ich ihr angetan haben, damit sie ihr Verhalten rechtfertigen kann?"
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Erkämpfte Liebe
Teen FictionPaul mag Clara schon seit Jahren, doch hat sich nie getraut sie anzusprechen. Jetzt schöpft er Mut und traut sich sie zu anzusprechen. Endlich hat er es geschafft und die beiden verstehen sich. Doch ihnen scheint ihr Glück nicht gegönnt zu sein, den...