Kapitel 13: Die Schatten der Vergangenheit

13 1 0
                                    

Der Regen prasselte unaufhörlich gegen die Fenster des Cullen-Hauses, während die Dämmerung langsam über Seattle hereinbrach. Die Atmosphäre war schwer und drückend, und es schien, als ob die Welt um mich herum den Sturm in mir widerspiegelte. Seit meiner Entführung und der Rückkehr war nichts mehr wie zuvor. Die Ruhe, die ich in Carlisle's Armen gefunden hatte, war brüchig geworden, durchsetzt von Fragen, die er nicht zu beantworten schien.

Ich saß auf dem Sofa, die Knie an die Brust gezogen, und lauschte den gedämpften Geräuschen des Hauses. Irgendwo unten hörte ich Alice und Jasper leise miteinander reden, während Edward und Bella vermutlich im Wald unterwegs waren. Doch meine Gedanken kreisten nur um eine Person - Carlisle. Seit wir aus Volterra zurückgekommen waren, war er verschlossener, nachdenklicher. Er war immer da, wenn ich ihn brauchte, aber es fühlte sich an, als würde er sich innerlich von mir entfernen.

Lena kam plötzlich ins Wohnzimmer, ihre Stirn war von tiefer Sorge gezeichnet. Seit jener Nacht, in der ich sie vor ihrer schrecklichen Vision gerettet hatte, war unsere Bindung enger geworden. Wir hatten uns gegenseitig gestützt, aber es schien, als trüge Lena mehr auf ihren Schultern, als sie zugeben wollte.

„Du bist immer so still in letzter Zeit," bemerkte sie und setzte sich neben mich. Ihr Blick war durchdringend, aber voller Zuneigung.

„Ich denke viel nach," gab ich leise zu und ließ meinen Kopf gegen die Rückenlehne sinken. „Über alles, was passiert ist... und über Carlisle."

Lena verzog den Mund leicht. „Du spürst es auch, nicht wahr?"

„Was meinst du?"

„Dass er dir etwas verheimlicht." Lena zögerte kurz, bevor sie weitersprach. „Es ist nicht nur wegen der Volturi. Es gibt Dinge in seiner Vergangenheit, die er versucht, zu verdrängen. Aber ich habe gesehen, wie sehr ihn das quält. Und es hat etwas mit dir zu tun."

Mein Herz setzte einen Schlag aus. „Mit mir?"

Lena nickte langsam. „Ja. Ich habe keine klare Vision darüber gehabt, aber ich spüre es. Es ist, als ob du eine Verbindung zu etwas hast, das er vor uns allen verbergen will. Ich weiß nicht, ob es gut oder schlecht ist... aber es scheint ihn zu zerreißen."

Die Worte hallten in meinem Kopf wider. Was konnte das bedeuten? Ich hatte immer gewusst, dass Carlisle tief in sich eine Welt trug, die er nur selten teilte. Doch zu wissen, dass ich ein Teil davon sein könnte, machte mir Angst.

„Ich muss mit ihm reden," murmelte ich schließlich und erhob mich. Ich konnte nicht länger stillsitzen und darauf warten, dass die Antworten zu mir kamen.

„Sei vorsichtig, Fjella," warnte Lena leise. „Manchmal ist es besser, manche Wahrheiten nicht zu kennen."

---

Carlisle war, wie ich es erwartet hatte, in seinem Arbeitszimmer, vertieft in alte medizinische Bücher. Das Zimmer war ruhig, nur das leise Knistern des Kamins und das Rascheln der Seiten durchbrachen die Stille. Als ich eintrat, hob er den Kopf und sah mich mit seinen tiefgründigen, goldenen Augen an - Augen, die mich jedes Mal aufs Neue in ihren Bann zogen.

„Fjella," sagte er sanft und schloss das Buch, „ich habe dich nicht kommen hören. Ist alles in Ordnung?"

Ich trat näher, meine Hände nervös aneinander reibend. „Wir müssen reden, Carlisle."

Er musterte mich einen Moment, dann deutete er auf den Sessel gegenüber seinem Schreibtisch. „Natürlich. Setz dich."

Ich lehnte das Angebot ab. Ich musste stehen, das Gefühl der Kontrolle behalten, auch wenn ich innerlich zitterte. „Carlisle... ich habe das Gefühl, dass du mir etwas verheimlichst. Seit wir aus Volterra zurück sind, ist da diese Distanz zwischen uns. Was ist es, das du mir nicht sagst?"

Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich kurz, bevor er sich wieder in gewohnte Ruhe hüllte. Doch ich hatte diesen kurzen Moment der Unsicherheit gesehen.

„Es ist kompliziert, Fjella," begann er. „Es gibt Dinge in meiner Vergangenheit, die ich für mich behalten habe, weil ich dachte, sie wären nicht relevant. Aber... vielleicht habe ich mich geirrt."

Mein Herz schlug schneller. „Es hat also mit mir zu tun?"

Carlisle stand auf und trat zum Fenster, wo der Regen unaufhörlich gegen das Glas prasselte. Seine Schultern waren angespannt, und für einen Moment sagte er nichts. Als er schließlich sprach, war seine Stimme leise und melancholisch.

„Es gab eine Zeit, lange bevor ich Edward und die anderen zu meiner Familie gemacht habe, da traf ich eine Entscheidung, die mich bis heute verfolgt. Ich dachte, ich könnte es hinter mir lassen, aber seit du in mein Leben getreten bist... sind die Erinnerungen zurückgekehrt."

Ich trat näher, meine Kehle war wie zugeschnürt. „Welche Erinnerungen, Carlisle?"

Er drehte sich langsam zu mir um, und in seinen Augen lag ein Schmerz, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. „Vor über einem Jahrhundert habe ich jemanden geliebt, Fjella. Ich war glücklich mit ihr bis vor zwei Jahren. Sie war wie du - mutig, intelligent, unabhängig. Aber sie war auch menschlich... wie du... Nur in einem anderen Sinne wie du jetzt denkst. Sie... starb durch einen anderen Vampir.  Und ich dachte, ich könnte diese Erinnerungen an sie begraben, aber als ich dich traf..."

Er hielt inne, als hätte er Angst, die nächsten Worte auszusprechen. Doch ich wusste, was kommen würde.

„Du erinnerst mich an sie, Fjella. An die Liebe, die ich verlor."

Die Stille, die nach seinen Worten eintrat, war erdrückend. Ich fühlte, wie mein Körper schwer wurde, als die Bedeutung seiner Worte auf mich niederschlug. War ich nur eine Erinnerung an seine verlorene Liebe? War ich nur ein Ersatz für etwas, das er längst verloren hatte?

„Carlisle..." Meine Stimme zitterte, und meine Augen füllten sich mit Tränen. „Bedeutet das, dass du mich nie wirklich geliebt hast? Dass du mich nur wegen ihr siehst?"

Er trat auf mich zu und nahm meine Hände in seine, seine Augen voller Entschlossenheit. „Nein, Fjella. Das ist nicht, was ich sagen will. Ich liebe dich - für das, was du bist, nicht für das, was du mich an sie erinnerst. Aber ich wollte nicht, dass diese Vergangenheit zwischen uns steht. Ich habe mich geirrt, als ich dachte, ich könnte es verbergen."

Ich stand still, ließ seine Worte auf mich wirken. Ich spürte den Schmerz, den er all die Jahre mit sich herumgetragen hatte, und doch wusste ich nicht, ob ich ihm verzeihen konnte, dass er mir das so lange verschwiegen hatte.

„Warum hast du mir das nicht früher gesagt?" fragte ich leise, meine Stimme voller Traurigkeit.

„Weil ich Angst hatte, dich zu verlieren", gestand er. „Ich wollte nicht, dass du denkst, du wärst nur ein Schatten der Vergangenheit. Aber du bist so viel mehr, Fjella. Du hast mir gezeigt, dass Liebe über die Zeit hinaus existieren kann, dass ich wieder lieben kann. Und ich will nicht, dass du das in Frage stellst."

Ich schaute ihm tief in die Augen, und in diesem Moment wusste ich, dass ich eine Entscheidung treffen musste - ob ich mit dieser Vergangenheit leben konnte oder ob es zu viel war, um weiterzumachen.

Bis(s) in die Ewigkeit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt