9. Kapitel

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-Lia

Weißes Licht, überall war weißes Licht.
Es war schön, ich wollte die Arme ausstrecken, danach greifen, doch ich fühlte meine Arme nicht.

Ich spürte, wie mein Blick schwenkte, ohne dass ich etwas tat.
Ich sah mich selbst.

Von oben blickte ich herab auf meinen Körper, ich lag einfach da, einen Arm auf meinem Bauch, die andere von mir gestreckt.
Irgendwoher wusste ich, dass es mein Körper war, der dort lag.

Hinter mir schien das Licht auf meinen Rücken. Dieses wunderbar weiße Licht. Ich wollte zu ihm gehen.
Doch mir fehlte die Kraft.

Überall auf meinem Körper glitzerte das Blut, eines meiner Beine abgewinkelt.
Plötzlich sah ich zwei dunkle Gestalten, welche sich über meine Leiche beugten.
Ihre Hände schwebten über meinem Körper. Sie saugten das Blut aus meinen Klamotten, sie schlossen meine Wunden.

Erneut versuchte ich mich zu bewegen.
Und diesmal erfolgreich.

Ich konnte meine Finger zucken sehen.
Ich wünschte, ich könnte die Gestalten erkennen, welche mich retteten.

Ich fühlte, wie ich sank, plötzlich auf dem Boden war.
Ich sah die beiden Gestalten an.

Es ist deine Entscheidung, ob du gehst oder bleibst.
Ich wusste nicht, woher dieser Gedanke kam. Es war jedenfalls nicht meiner.
So, als hätte eines dieser Wesen es mir direkt in den Kopf gesendet.

Und dann verstand ich.
Ich blickte auf meinen Körper, dann auf das weiße Licht.

Mir stand das Previleg frei, zu sterben, oder zu leben.

Ich wusste, was ich wollte.

Ich wollte den Mund öffnen, ich wollte sprechen, aber ich konnte nicht.
Aber ich glaube, die Gestalten haben meine Gedanken bereits erfasst.
Eines der Wesen nickte.

Dann soll es so sein.

Wieder diese Gedankenstimme.

Ich blickte hinunter auf meinen Körper.
Magischer Weise wusste ich genau, was ich tun musste.
Ich schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, fühlte, wie ich in meinen Körper zurück gezogen wurde.

...

Ich öffnete die Augen.
Das erste was ich sah, war der mysteriös dunkelblaue Himmel, der sich wie ein Zelt über die Welt ausstreckte.
Ein paar kleine weiße Wolken flitzten in mein Sichtfeld und wieder hinaus.

Das Weiß löste eine Erinnerung in mir aus, welche nur schnell durch mein Gehirn blitzte.
Ein wunderschönes, weißes Licht, mein blutüberströmter Körper.

Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf.
Verwirrt blickte ich mich um. Ich befand mich in einem Erdloch, wie ich Momente später feststellen konnte.
Dann kam alles binnen Sekunden zurück.

Ich fiel in ein Erdloch, verlor das Bewusstsein und dann...

Ich verstand.
Ich hatte oft von Geschehenissen dieser Art gelesen.

Ich musste eine Nahtoterfahrung gehabt haben.
Nur, dass mich übernatürliche Wesen von meinen Verletzungen geheilt haben, welche wir Menschen als Aliens bezeichnen würden.
Okay, das glaubt mir keiner.

Egal, ich musste aus diesem Loch raus!
Ich rappelte mich nun vollkommen auf und begann, mich genauer unzusehen.
Die Wände bestanden aus hart gewordenem Lehm.
So als wäre dies einst eine Falle oder ähnliches gewesen.
Als ich die Wände nach etwas undichtem abtastete, hörte ich ein Rufen.

"Lia?! Oh mein Gott, du lebst!", suchend blickte ich hoch zu der seltsam bekannten Stimme.
Ich sah das Gesicht über mir, welches sich über den Rand des Loches beugte.

Ein Junge mit dunklem Haar.
"Lia?", als er erneut meinen Namen rief, erkannte ich ihn.
"Timmy!"

Muss wohl an dem Sturz liegen.

Ich winkte zu ihm hoch und er streckte die Arme hinunter, so als wollte er nach mir greifen, was leider völlig unmöglich war.

Allerdings war es auch unmöglich, dass ich diesen Sturz überlebt habe.
Naja egal.

Ich konnte Timms Lächeln sehen und auch, wie er sich umdrehte, um die anderen zu sich zu holen.

Dann sah ich nach oben in weitere zwei Gesichter.
Lukas und Melissa.

Die Freude, die mich überkam, war unbeschreiblich.
Sie riefen meinen Namen. Laut, voller Freude.
Am liebsten wäre ich jedem von ihnen nacheinander in die Arme gefallen.
Aber verdammt, wie sollte ich dieses Loch verlassen?
Ich bin knapp 10 Meter tief gestürzt, schwer zu sagen, wie ich überhaupt überlebt habe.
"Lia! Warte nur, wir holen dich da raus!", hörte ich Melissa rufen.
Ich nickte nur zu ihr hinauf.

Nun konnte ich nichts mehr tun.

Ich lehnte mich an die kalte, erdige Wand und schloss die Augen.
Ließ das alles auf mich wirken.
Wofür eigentlich? Warum versuchen sie, mich hier rauszukriegen?
Um mit mir zusammen zu sterben?
Ich war nicht sicher, wielange ich bewusstlos war, doch die aktuelle Tageszeit sah mir aus wie Morgengrauen und kurz bevor ich fiel, war es Mittag.
Also hatten meine Freunde durch mich mindestens einen kostbaren Tag verloren, an dem sie in die nächste Stadt kommen könnten, ohne, dass ihre Vorräte ausgingen.

Schon verrückt, wie man an seine Grenzen geht, wenn man weiß, dass man nicht mehr lange zu leben hat.
Jedenfalls nicht solange, wie man es sich vielleicht erhofft hat.

"Achtung, Seil kommt!", rief Melissa erneut hinunter.

Jetzt erinnerte ich mich, ich hatte unter vielem anderem im Laden mit Melissa einmal ein Seil gekauft.
Was man alles findet, wenn man es braucht..
Ich wusste, dass das Seil zu kurz sein würde, es war zwar extrem lang, doch 1 bis 2 Meter würde trotzdem fehlen.
Als sie das Seil hinunterließen, war es tatsächlich um ein Stück zu kurz.
Erstaunt blickte ich zu dem improvisierten  Teil des Seils vor mir.
Er war aus Jacken Pullovern und anderen Kleidungsstücken von uns zusammengebunden.

Auf diese Idee wäre ich im Leben nicht gekommen.

Ich blinzelte hoch aus dem Loch heraus, wo sich allmählich der Morgennebel verzog und sich ein sanftes Rosa über den Himmel legte.
Lukas gab mir ein Zeichen und ich griff unsicher nach dem Seil.
Ich hielt mich fest, so fest dass ich sah, wie meine Finherknöchel weiß wurden.

Es zerrte in meinen Armen, als ich hochgezogen wurde.
Mein ganzes Körpergewicht hing an meinen Armen und das ist auf Dauer ziemlich anstrengend.
Als ich weit genug oben war, packte ich mit einer Hand nach dem Rand und zerrte mich darüber hinaus in den Sand.

Als ich mich auftappelte, blickte ich in drei hoch erfreute Gesichter, welche mich alle anstrahlten.

Geschafft.

Ein Leben zwischen Ende und AnfangWo Geschichten leben. Entdecke jetzt