Vier; Brooke

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Die Fahrt in die neue Stadt war super langweilig. Meine Eltern haben nicht mit mir geredet und ich nicht mit ihnen. Was vielleicht daran liegen kann, dass wir uns heute Morgen gestritten haben.

Sie sagen, ich müsste längst aus meiner rebellischen Phase herausgewachsen sein. Tja, ihr Pech das es keine Phase ist. Ich bin einfach so. War es schon immer.

Ich trage was ich will, ich sage was ich will und ich mache was ich will. 

Wie gesagt, die Fahrt war langweilig. Ich habe aus dem Fenster geschaut, Musik gehört und meinen nicht vorhandenen Bruder genervt. Och, wie ich es hasse ein Einzelkind zu sein. 

Wir mussten umziehen, da meine Eltern auf die grandiose Idee gekommen sind, sich selbstständig zu machen und einen Laden in dieser Stadt gekauft haben. Wir leben über dem Schreibwarengeschäft.

Ernsthaft? Ein Schreibwarengeschäft? Es gibt durchaus coolere Jobs, wenn man selbstständig ist, Mum und Dad! Ich meine, hättet ihr nicht einen eigenen Cookie Laden öffnen können?

Nein. Scheiße!

Aus dem Fenster in meinem neuen Zimmer sehe ich das Haus uns gegenüber. Die weiße Fassade ist makellos und gerade eben habe ich ein Mädchen in meinem alter, die Tür aufschließen und in das Haus verschwinden sehen. 

Ich bin auf dem Weg nach unten um mich vorzustellen.

So machen das neue Nachbarn! Ja Mum, ich hab's  verstanden. Ich bin ein kleines Miststück und soll einen guten Eindruck hinterlassen, schon kapiert...

Ich klingel an der Tür und warte einige Sekunden, bis sie langsam geöffnet wird. Mir gegenüber steht der Albtraum jedes Mädchens. Sie hat blonde Haare, blaue Augen und die perfekte Figur.

Naja, früher wäre sie mein Albtraum gewesen. Jetzt geht mir ihr Aussehen am Arsch vorbei.

Was mich allerdings aufmerksam macht sind ihre geröteten Augen. Sie hat geweint. Ich kenne sie zwar nicht, aber in mir macht sich mein Mitgefühl breit.

Mitgefühl. Die Stärke, die uns Menschen ausmacht. Die uns zu etwas besonderem macht. Ohne mein Mitgefühl wäre ich schon längst abgekratzt und hätte den roten Faden der Geschichte verloren.

Die Tatsache, dass ich dadurch anderen Menschen helfen kann, hat mich schon oft gerettet und mir den Boden unter den Füßen zurückgebracht.

In den Zeiten damals, hat es mir geholfen und gezeigt, dass ich kein schlechter Mensch bin und von anderen gebraucht werde.

Ich habe schon zu einer Begrüßung angesetzt doch unterbreche mich abrupt, als ich ihr Gesicht bemerke. „Alles okay?, frage ich.

„Ja." Ihre Stimme klingt fest, aber ich kenne diese Momente. Habe sie schon oft durchlebt. Eigentlich will man der Person nur ins Gesicht schreien, dass es nicht so ist. „Naja, gut. Also eigentlich wollte ich mich nur kurz vorstellen. Ich bin Brooke, wir sind in das Haus da eingezogen." Ich deute mit dem Finger auf das Haus und ihr Blick bleibt an den schmutzigen Fenstern hängen, die noch nicht geputzt wurden.

„Ich bin Clara", sagt sie und will die Tür schon wieder schließen. Schnell stelle ich meine Schuh dazwischen. „Wir könnten etwas zusammen unternehmen", schlage ich vor.

„Nein, danke."

„Ich weiß, dass es dir nicht gut geht", spreche ich das offensichtliche aus.

„Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich genau weiß wie das ist", rede ich weiter und schaue in ihre überrascht aufgerissenen Augen. „Wenn du niemanden zum reden hast und mit deinen Gefühlen allein gelassen wirst...", ich stocke.

Clara sieht mich ausdruckslos an, doch irgendwas hat sich geändert. Ihre Hände zittern nicht mehr so stark und ihr Blick klärt sich langsam auf. Dann öffnet sie die Tür einen Spaltbreit weiter. Mein Zeichen, dass ich eintreten darf.

LOST THINGS CAN BE FOUND, BUT WHAT ABOUT BROKEN THINGS...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt