A Wound To Close [Textsammlung]

XXVIII. Seelenverwandte

Ich glaube nicht an Seelenverwandte.

Wenn es Seelenverwandte gäbe, hätte ich nicht so lange gebraucht, dich zu finden. Wenn es Seelenverwandte gäbe, hätte ich dich mehr beachtet, als ich dich das erste Mal traf. Wenn es Seelenverwandte gäbe, hätte ich vom Augenblick an, als deine Augen auf meine trafen, gewusst, dass du etwas Besonderes für mich sein würdest.

So war es nicht. Ich glaube nicht an Seelenverwandte, und als ich dich traf, war es keine lebensverändernde Begegnung. Ich glaube nicht an Seelenverwandte, und als ich dich traf, machte ich einfach genauso weiter mit meinem Leben wie zuvor.

Dennoch schlichst du dich langsam in mein Herz. Heute kann ich nicht sagen, wann und wie genau es passierte, aber auf einmal sprachen wir miteinander, auf einmal waren wir befreundet, auf einmal hast du mir etwas bedeutet.
Auf einmal warst du der wichtigste Mensch in meinem Leben, und die Begegnung war lebensverändernd, aber erst im Nachhinein.

Ich glaube nicht an Seelenverwandte, aber wenn ich in deiner Nähe bin, fühle ich mich so wohl wie sonst nirgends. Ich glaube nicht an Seelenverwandte, aber du bist die Person, bei der ich am meisten ich selbst sein kann, der ich am ehesten alles erzählen kann. Die mich versteht wie sonst niemand.

Ich glaube nicht an Seelenverwandte, aber wie sonst lässt sich erklären, dass wir über dieselben Dinge lachen und uns aufregen? Wie sonst lässt es sich erklären, dass wir so ähnlich denken, als würden wir uns eine einzelne Gehirnzelle teilen?

Ich glaube nicht an Seelenverwandte, aber vielleicht tue ich es doch. Vielleicht bist du meine Seelenverwandte.

- Juli 2024