Paul

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Letzten Mittwoch

Ich lehne mich über die Theke, um Clara zur Verabschiedung einen Kuss auf die Wange geben zu können. Sie lehnt sich mir entgegen und lächelt, dann dreht sie sich um und geht Richtung Tür. Ich schaue Clara dabei verträumt hinterher. Ich bin so glücklich, dass wir uns gefunden haben. Ich freue mich schon auf unsere nächste gemeinsame Tanzstunde. Als sie aus der Tür ist, widme ich mich wieder meiner Arbeit und wische die Tische im Café ab. Gerade ist nicht viel los, da die meisten Studenten zur Zeit Seminare oder Vorlesungen haben. Nur in der Ecke sitze zwei Studentinnen, die über ihren Hausarbeiten brüten und nicht gerade begeistert aussehen. Die beiden sind Jurastudentinnen. Das erkenne ich, als ich das Gesetzbuch auf ihrem Tisch sehe. Würde ich Jura studieren, würde ich auch so viel Kuchen benötigen, wie die beiden bestellt haben. Es ist ein Wunder, dass die beiden zusammen lernen. Ich habe gehört, dass Jurastudenten sich untereinander nichts gönnen und sogar die Hausarbeiten von anderen Kommilitonen löschen oder Seiten aus Büchern ausreißen, damit niemand diese Seite zu sehen bekommt. Es ist so komisch, dass es fast schon wieder lustig ist.
Als ich kurze Zeit später die Klingel über der Tür höre, schaue ich hoch und sehe Claras beste Freundin. Sie schaut sich im Café nach einem freien Tisch um. Ich gehe auf sie zu und sage ihr, dass sie sich an jeden Tisch setzen könne. Sie lächelt mich dankend an und setzt sich an einen Tisch. Ihr Lächeln scheint dabei traurig zu sein. Vielleicht irre ich mich auch nur. Ich kenne sie so gut wie gar nicht und Clara erzählt nicht sehr viel von ihr. Es geht mich auch nichts an. Ich muss sie nur bedienen. Ich gehe hinter die Theke, um meinen Waschlappen wegzubringen und meinen Block und einen Stift zu holen, um ihre Bestellung aufnehmen zu können.
„Was kann ich dir bringen?", frage ich sie, als ich an ihrem Tisch bin.
„Ich nehme ein Stück Sahnetorte, einen Riesencookie und einen Chai Latte." Wow, wie können die beiden beste Freundinnen sein? Clara hasst Sahnetorten, da ihr davon schlecht wird und Chai Latte findet sie auch super ekelig. Den Riesencookie würde sie aber essen.
„Okay, ich bin gleich zurück." Ich mache ihren Chai Latte und stelle diesen mit ihrer Sahnetorte und dem Cookie auf ein Tablett. Ich stelle alles vor ihr ab und wende mich gerade zum drehen, als sie mich aufhält.
„Warte bitte einen Moment", bittet sie mich. Ich drehe mich um und werfe ihr einen fragenden Blick zu. Sie bedeutet mir mich ihr gegenüber hinzusetzen. Ich bin mir unsicher, da ich eigentlich arbeiten muss. Ich schaue mich im Café um. Die beiden Jurastudentinnen scheinen noch genügend Zucker und Getränke zu haben. Mein Kollege steht hinter der Theke und wir haben zur Zeit keine anderen Kunden. Also lasse ich mich auf den Stuhl ihr gegenüber sinken und schaue sie fragend an. Sie schiebt mir ihren Teller mit dem Cookie zu.
„Hier, iss das. Du wirst den Zucker brauchen."
Sie macht mich immer neugieriger, aber auch misstrauischer mit ihrer kryptischen Art zu reden. Sie nimmt währenddessen seelenruhig einen Bissen ihrer Torte.
„Also was ist los?", dränge ich sie nun anfangen zu reden, da ich mich nicht wirklich wohl in ihrer Gegenwart fühle.
Sie kaut langsam ihren Bissen zu Ende legt dann die Gabel hin und schaut mich ernst an.
„Es geht um Clara.", beginnt sie. Mein Herzschlag beschleunigt sich und ich bekomme Angst. In ihrer Stimme liegt echte Sorge und auch in ihrem Blick.
„Was ist mit ihr? Geht es ihr gut? Sie war doch gerade noch hier und es schien ihr gut zu gehen. Was ist passiert?", überhäufe ich Emma mit Fragen und denke gar nicht daran ihren blöden Cookie anzufassen. Ihr Blick wird weicher und nimmt eine Verzweiflung an.
„Du magst sie wirklich, oder?", fragt sie mich mit weicher Stimme. Ich höre aus ihr außerdem eine Art Verzweiflung und Mitleid raus. Warum Mitleid?
„Natürlich mag ich sie. Ich habe sie wirklich gern.", gebe ich offen zu. „Also könntest du mir jetzt bitte sagen, was mit Clara ist?", frage ich sie nun mit einem härteren Ton.
„Weißt du Clara war immer die ruhigere und unscheinbarere von uns beiden", beginnt sei. Von wegen Clara ist tausendmal schöner, als Emma. Aber bitte, wenn sie es so empfindet. Ich werde ihr einen kalten Blick zu.
„So wie sie jetzt ist, erkenne ich sie nicht wieder. Sie war früher nicht so."
„Was meinst du? Wie war sie nicht?"
„Sie hat sich nur auf jemanden eingelassen, wenn sie jemanden wirklich mochte und es hat immer lange gedauert, bis sie es realisiert hat."
„Was willst du mir jetzt sagen?"
„Dass sie gerade aus einer schweren Trennung kommt. Sie waren viele Jahre zusammen, aber er hat sie abserviert. Das ist nicht so lange her." Mir wird plötzlich ganz komisch und ich verspüre einen Schmerzen in der Brust. Warum erzählt sie mir das? Vor allem verstehe ich aber auch nicht, wie man Clara gehen lassen kann. Sie bemerkt meinen durchdringenden Blick und spricht weiter.
„Sie vermisst das Gefühl geliebt zu werden. Sie braucht jemanden, der sie liebt und sie ist in das Gefühl verliebt von jemandem geliebt zu werden." Mir wird speiübel. Nein, das kann nicht sein.
„Was genau möchtest du mir damit mitteilen?"
„Dass Clara es nicht ernst meint. Sie meint es wahrscheinlich auch gar nicht böse, aber du solltest dich von ihr fern halten, wenn du mehr als nur Sex möchtest. Wenn du eine Beziehung möchtest mit einer Frau, die dich genauso lieben kann, wie du sie. Und Clara ist zur Zeit nicht in der Verfassung jemanden so zu lieben, da sie noch an ihrem Ex hängt." Ich habe noch nie einen solchen Schmerz verspürt. Auch nicht, als meine erste Freundin sich von mir getrennt hat, da ich ihr wohl zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte und angeblich geklammert hatte. „Clara kennt sich nicht dabei aus. Sie erkennt nicht, dass du mehr möchtest und nicht nur Körperkontakt"
„Aber warum macht sie dann den Tanzkurs mit mir und lässt sich auf die Dates ein?", frage ich verzweifelt und klammere mich an einzelne hoffnungslose Halme, die mir die Hoffnung geben, dass sie doch in mich verliebt sein könnte. Aber auch diese Hoffnung zerstört Emma mir mit einem einzelnen traurigen Kopfschütteln.
„Sie versucht eine Bindung mit dir aufzubauen, da sie deine Liebe genießt, aber dabei merkt sie nicht, dass sie dir damit wehtut. Tanzen ist ein Kontaktsport. So kann sie dir näher kommen." Ich kann ihre Worte nachempfinden. Ich werde von Clara benutzt. Ich habe mir so viel Mühe gegeben, damit ich ihr auffalle und sie mich bemerkt. Und wofür? Damit sie mich ausnutzen und verspotten kann? Ich spüre wie mein Herz Risse bekommt und in tausend kleine Splitter zerspringt.
„Warum erzählst du mir das?", frage ich sie mit meiner letzten Skepsis.
„Ich bin zwar ihre beste Freundin, aber genau aus diesem Grund muss ich ihr auch Grenzen aufzeigen und ihr sagen, wenn sie etwas falsch macht. Aber da sie nicht auf mich hören möchte, musste ich dir das sagen. Du hast es nicht verdient so behandelt zu werden, da du es wirklich ernst meinst mit ihr, sie aber nicht mit dir. Ich fand, dass du das wissen musst. Jetzt kannst du entscheiden, wie du damit umgehen möchtest und wirst, aber ich würde nicht bei ihrem Spiel mitspielen."
Ich nicke ihr dankend zu und stehe auf. Ich drehe mich wieder zum gehen um, doch bleibe mit dem Rücken zu ihr stehen, als sie meinen Namen sagt. „Es tut mir wirklich leid für dich. Ich weiß auch nicht, was in sie gefahren ist."
Ich nicke und gehe dann nach hinten in den Pausenraum. Mir läuft eine einzelne Träne die Wange hinunter, als ich auf mein Handy schaue und das Foto von Clara sehe, das sie mir geschickt hat. Ich antworte nur knapp und nehme mir vor ihn von nun an nicht mehr zu antworten. Ich bringe es jedoch noch nichts übers Herz ihren Kontakt zu löschen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 18 ⏰

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