Jo's Geschichte

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Jo POV

„Jetzt komm schon Jo! Lass uns ein bisschen Spaß haben. Diese Leute stören die Ruhe des Waldes, wir jagen ihnen einen kurzen Schreck ein und hauen dann wieder ab, unsere Eltern werden nichts mitbekommen, so, wie immer! Es würde ihnen nicht mal auffallen, wenn wir dabei draufgehen würden, schon vergessen?", Violet setzte alles daran mich für ihre Idee zu begeistern. Sie versuchte das schon seit fast zwei Wochen, seit die vier Menschen mit ihren Motorrädern zum ersten Mal aufgetaucht waren. Heute wäre die perfekte Gelegenheit, wir waren allein. „Komm schon, es wäre ihnen eh egal, sie müssen uns nichts mehr über die Nachtjäger erzählen und damit ist unsere letzte Quelle an Aufmerksamkeit weg!"
Die Nachtjäger. Wie ich diese Organisation  hasste. Ihretwegen waren unsere Eltern nie da, nicht einmal dann, wenn wir sie brauchten. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie nicht mehr zu wissen schienen, dass wir noch da waren. In den letzten fünf Jahren hatten sie sich jeden zweiten Tag um uns gekümmert, nur, um die Zeit dazu zu nutzen, uns jedes einzelne Geheimnis der Nachtjäger zu erzählen. Sie gingen davon aus, dass wir ihren Weg gehen würden, ihre Position einnehmen würden. Aber ich wusste, dass Violet genauso dachte wie ich. Sie verabscheute alles, was mit den Nachtjägern zu tun hatte, nur in der gemeinsamen Zeit mit unseren Eltern hatte sie versucht, sich diesen Hass nicht anmerken zu lassen. Das war ihr nicht gelungen, dazu waren wir zu vertraut miteinander. Vor mir konnte sie nichts verstecken. Violet war genau zehn Minuten älter als ich, dennoch hatte ich schon immer mehr über das nachgedacht, was ich tat. Die ganze Scheiße hatte ich zwar trotzdem mitgemacht, aber ich hatte wenigstens einen Gedanken an die Konsequenzen verschwendet.

„Na gut, meinetwegen", gab ich schließlich nach. Begeistert sprang meine Schwester in ihrer Gestalt als Wölfin um mich herum. Genervt erhob ich mich auf die Pfoten und lief leichtfüßig los. Im Herbst verloren die Bäume in meiner Heimat ihre Blätter und Nadeln, die beim Laufen leise raschelten.
Es war nicht schwer, die Menschen aufzuspüren, ihre Motorräder konnte man schon von Weitem hören. Violet drängte zur Eile, sie wollte sie nicht verpassen, und so wurden wir schneller, bis wir an einem Pfad angekommen waren, der normalerweise von den Leuten mit Rädern ohne Motor genutzt wurde. Die Spuren der Motorräder waren noch vom letzten Mal deutlich zu erkennen, aber es gab noch keine Neuen. Ein klarer Hinweis darauf, dass wir rechtzeitig gekommen waren.

Seite an Seite brachten wir uns im Dickicht in Position. „Da sind sie!", zischte Violet und sprang über den Busch auf den Weg. Sofort folgte ich ihr, auch wenn ich ein mieses Gefühl bei der Sache hatte. Der Boden war feucht, obwohl es nicht geregnet hatte, aber wir dachten uns nichts dabei, denn die Motorradfahrer erlebten gerade den Schock ihres Lebens. Plötzlich stieg mir der Geruch nach Rauch in die Nase. Verwirrt sah ich mich um und mir wurde schlecht, als meine Eltern sah. Mein Dad hatte seine Gestalt als Mensch angenommen und hatte ein Feuerzeug in der Hand. Er streckte die Hand aus und mir wurde klar, was gerade geschah. Auf dem Boden war brennbare Flüssigkeit und eine Eltern hatten offensichtlich die Aufgabe von den Nachtjägern übernommen, die Motoradfahrer zu vertreiben. „Nein, nicht!", schrie ich, doch es war zu spät. Mein Dad zündete die Flüssigkeit in dem Moment an, in dem meine Mum uns entdeckte. Ich sah das Grauen in ihren Augen und wie sie losrannte. Mir war klar, dass sie nicht rechtzeitig da sein würde. Erst jetzt wurde mir langsam bewusst, dass meine Mum Angst hatte. Um mich und Violet. Nachdem sie solange nichts mit uns unternehmen wollte, sich nicht um uns gekümmert hatte, hatte sie ausgerechnet jetzt Angst um uns.

Genau in dieser Sekunde, in der meine Eltern versuchten, zu uns zu kommen, explodierte die Welt um mich herum und ich knallte gegen eine Stamm. Das letzte, was ich hörte, war meine Mum, die mit schwacher Stimme nach Hilfe schrie. Dann wurde alles schwarz.


Ein nervtötendes Piepen erklang in meinem Kopf und ein Gesicht erschien über mir. „Adile!", dachte ich, als meine Sicht sich langsam klärte. Erst dumpf, dann immer eindeutiger, hörte ich ihre Stimme: „Jonas! Wach auf Kleiner, wir müssen weg hier! Bitte, Jonas!" „Ich hasse es, wenn ich Jonas genannt werde", brachte ich mühsam hervor, jedes Wort schmerzte. Adile Wollseif lachte leise: „Du bist wach und ganz der Alte. Glück gehabt. Versuch aufzustehen Jo. Glaub mir, ich will eigentlich nicht, dass du woanders hin gehst, als ins Krankenhaus, aber Wölfe werden dort nicht versorgt. Mir bleibt nichts anderes übrig."

Jo's GeschichteWhere stories live. Discover now