Kapitel 82

15 5 0
                                    

Jetzt ist es endlich einmal ausgesprochen. Ich habe Angst davor, mit meiner Freundin zusammenzuziehen. Und damit nicht das aktive zusammenwohnen, sondern die Bedenken, was hinter dieser unscheinbaren Frage noch alles stecken könnte, was sie gestern nicht ausgesprochen hatte. Und ich habe Angst, dass ich sie durch das, was sie vielleicht erwarten könnte, verliere. Das würde ich nicht aushalten.

Auch mein Bruder kann mir nicht so recht folgen, schaut mich misstrauisch und verwirrt an, nimmt seine Tasse in die Hand, trinkt etwas darauf, um vermutlich seine Gedanken und Fragen zu klären, die in ihn gerade herumirren. Gleich ging es mir gestern, als diese Frage von ihr kam, mit der ich schlicht nicht gerechnet hatte und auf die ich gestern und heute keine Antwort gefunden habe. Also eigentlich wüsste ich die Antwort darauf gleich direkt, aber irgendwie ja auch wieder nicht.
Andreas: Sie hatte dich gefragt, ob du zu ihr ziehen willst? Wohnt sie nicht in einen dieser Häuser in der näher der Halle?"
Chris: Ja, genau. Und eigentlich verbringen wir die meiste Zeit sowieso immer zusammen und ich wohne schon so beinahe bei ihr."
Andreas: Und was ist deine Angst dahinter?"
Zuerst halte ich seinem Blick noch stand, aber dann muss ich zur Seite weg schauen, kaue mir leicht auf meiner Lippe rum und weigere mich, mit der Sprache rauszurücken, wobei ich weiß, dass ich jetzt einmal einen klugen Rat bekommen könnte.
Chris: Als ich damals mit meiner Ex zusammenziehen wollte, sprach sie zu jeder Möglichkeit wieder das Thema Haus und Familie an. Von Beginn an habe ich ihr immer wieder klar gemacht, dass ich kein Vater sein will. Aber sie dachte, dass sich meine Meinung noch ändern wird, wenn wir nur eine Zeit zusammen wären."
Kein Kommentar von meinem Bruder, als ich wieder zu ihm sehe und um ihn nicht weiterhin in die Augen schauen zu müssen, greife ich nach meiner Tasse.
Chris: Neben den Grund, dass ich mich in July verliebt hatte, sie nicht liebte, habe ich mich deswegen auch von ihr nach drei Jahren getrennt..."

Während ich wieder etwas aus meiner Tasse trinke, diese damit auch leere und so langsam merke, dass ich wacher werde, nickt Andreas schweigend von der anderen Seite des Tisches und dreht seinen Kopf auch zur Seite weg, schaut sich in den Lokal etwas um. Neben uns sind hier am Sonntagmorgen nicht sehr viele Menschen, aber das macht es auch etwas ruhiger und gemütlicher.
Andreas: Habt ihr da noch nie drüber gesprochen?"
Chris: Wir sind knapp acht Monte zusammen, irgendwie noch nicht wirklich."
Andreas: Sprich das Thema an."
Chris: Ich will sie nicht verlieren."
Laufe ich blind in eine Ecke, damit ich die Frau nicht verlieren würde, die ich seit vielen Jahren liebe und jetzt wirklich meine Freundin nennen darf? Wenn es so wäre, wenn wir dort den einen Unterschied haben, was würde ich dann machen? Zerbrechen?
Andreas: Das glaube ich dir, aber wenn ihr beide dort nicht kompromissfähig seid, wer soll den Kürzeren ziehen und unglücklich mit seinen Leben werden?"
Wenn sie Mutter werden will und ich ruiniere ihr das? Da kann ich sie dann noch so sehr lieben, es würde für sie nicht reichen. Aber je länger ich mich hinter dieser offenen Frage verstecke, desto schlimmer könnte am Ende die Katastrophe werden, auf die es herauslaufen würde.
Andreas: Rede mit ihr darüber, Bruder. Ich denke, wenn das irgendwie Thema bei ihr wäre, dann hätte sie es schonmal angesprochen, aber das solltest du mit ihr klären."
Chris: Ich weiß...danke dir..."

Auch wenn ich weiß, dass das Gespräch unangenehm werden wird, ich kann wohl kaum für immer davonlaufen und muss einsehen, dass es bald so weit sein wird, wenn ich mir denn wirklich vorstellen kann, mir ihr längerfristig zusammenzubleiben und das wünsche ich mir. Wegen mir müsste nach ihr keine mehr kommen und ja, vielleicht habe ich eine rosarote Brille auf, aber wenn sie bei mir ist, dann will ich diese auch niemals wieder absetzen müssen.

Zeitig danach wurde und das Frühstück gebracht und ich ließ die einzelne Traube auch verschwinden, da ich sie später schlicht auf dem Teller liegenlassen würde. Auch bekam ich einen neuen Kaffee, von dem ich gleich wieder etwas getrunken habe, bevor ich zu Andreas hinschaue, der mich heute ja hergebeten hatte.
Chris: Warum wolltest du mich jetzt unbedingt hier und heute treffen?"
Meine Tasse stelle ich neben das Tablett, was ich vor mir stehen habe und schaue einmal nach einem Messer, damit ich das Brötchen aufschneiden könnte. Dabei werfe ich immer wieder einen Blick auf die andere Seite des Tisches, denke mir innerlich, dass es wohl um die Tour gehen wird und gleichzeitig auch, dass ich mit dem Stress nicht gleich nach dem Aufstehen konfrontiert werden will.
Andreas: In den letzten Monaten habe ich die Situation immer wieder beobachtet und still hingenommen, aber ich denke, dass wir jetzt was machen müssen. Ich rede über das Problem zwischen dir, deiner Freundin und Levi."
Ich halte inne, stoppe mitten im Schneiden und hebe meinen Kopf an, wobei ich meinen Blick gar nicht mehr von Andreas gelöst bekomme.
Chris: Was?"
Andreas: Ich bin nicht blind oder taub, Bruder. Ich habe die Streitigkeiten zwischen Juliette und Levi mitbekommen, dass sie dich ebenso einmal nicht anständig angegangen ist und sie war diejenige, die die Pläne ändern wollte."

Ich seufze nur, weil ich all das ja selbst mitbekomme habe und ein Teil des Problems bin. Will er vielleicht jetzt, dass wir uns zusammen setzen? Dass wir einmal ordentlich miteinander reden oder sowas? Haben größere Firmen dafür nicht spezielle Vermittler? Würde das aber noch was bringen, immerhin besteht das ganze Thema seit letzten Jahr bereits zwischen uns drein.
Chris: Und...was sollten wir deiner Meinung nach machen?"
Andreas: Ich hatte versucht mit Levi darüber zu reden, aber sie macht dicht. Nur durch dich und deine Freundin bekomme ich es ja ein wenig mit und daher denke ich, dass reden auch nicht mehr so viel neues bringen würde."
Den Blick, den er mir gerade Zeit, der gefällt mich gar nicht. Sehr ernst sieht er über den Tisch zu mir hin, hält mit einer Hand seine Tasse noch fest und denkt darüber nach, etwas zu trinken, aber bevor er das machen würde, bringt er wohl den Gedanken und die Lösung hervor, vor der ich die ganze Zeit Angst hatte.
Andreas: Ich spiele mit den Gedanken, dass wir Levi kündigen sollten...

Never Less Than a LoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt