Hazel Miller
10:34 Uhr"Miss Hazel Miller.", werde ich aufgerufen.
Ich fühle mich unwohl, als ich auf Sir Wilson zugehe, um meinen Stundenplan abzuholen. Ungeniert mustert er mich, seinen Kiefer hat er fest aufeinander gepresst.
"Wenn es nach mir ginge, würden Sie diese Air Base nicht mehr betreten.", spuckt er mir nuschelnd entgegen und hält mir dann meinen Stundenplan hin.
Sir Wilson ist distanziert und kalt. An seinem Gesicht kann ich kaum etwas ablesen. Er wirkt desinteressiert und dennoch völlig selbstsicher in dem, was er tut. Er hat es nicht nötig, sich mit Personen wie uns zu beschäftigen. Er scheint auch nicht gerne im Mittelpunkt zu stehen.
"Ich kann auch draußen bleiben.", erwidere ich nicht ganz so ruhig und gefasst wie er.
"Dann hätte ich nur meine Aufgabe verfehlt. Und wie Sie an meinen Auszeichnungen sehen können, verfehle ich selten ein Ziel."
Er spricht monoton. Ausdruckslos und doch drohend zugleich. Er lässt sich rein gar nichts anmerken. Keine Emotionalität, keine Gefühle.
Gleichzeitig weiß ich nicht, ob mich seine Aussage anekeln soll. Geilt er sich wirklich daran auf, wie viele Menschen er zur Strecke gebracht hat?
"Bevor Sie wieder die Beherrschung verlieren, gehen Sie jetzt besser rein.", schickt er mich ebenso monoton weg und reicht dem nächsten seinen Stundenplan.
Ich öffne meinen Mund, doch er kommt mir zuvor.
"Wegtreten, Miller."Er rempelt mich an, während er nach dem nächsten Stundenplan greift und zeigt keinerlei Emotionen, während er mit den anderen interagiert. Noch nie in meinem Leben habe ich einen so kalten Menschen kennengelernt.
Irgendwie perplex und fassungslos laufe ich über den staubigen Boden zum Haupthaus, in dem sich die Aula befinden soll. Unauffällig versuche ich die Schweißperlen wegzuwischen, die sich auf meiner Stirn gebildet haben. Mit jedem Schritt, dem ich der Aula näher komme, bereue ich meine Entscheidung. Hätte ich gewusst, wie ekelig abgehoben die Leute hier sind, wäre ich bei Boeing geblieben und hätte nicht den Job gewechselt.
Ich setze mich distanziert von den anderen auf einen Stuhl am Rand, doch anders als ich gehofft hatte, bleibe ich nicht unbemerkt. Connor nähert sich mit einem weiteren Kerl und grinst mich von Weitem an.
"Das ist David, er kommt aus Texas.", stellt er mir den großen, dunkelhäutigen Kerl vor.
"Schön.", brumme ich.
"Ich bin Hazel.""Schön, du wirst gesprächiger.", lacht Connor und setzt sich dann ungefragt neben mich.
"Connor sagt, du beginnst hier bald einen Job und musst deshalb die Grundausbildung nachholen?", spricht mich David an, während er sich neben Connor niederlässt.
Ich nicke.
"Als Ingenieurin und Putzfrau."Connor grinst breit.
"Humor hast du.", erwidert er und klopft mir freundschaftlich auf die Schulter. Das sein Schlag fest und unangenehm ist, lasse ich mir nicht anmerken."Krass, wo hast du studiert?", will David wissen.
"Stanford."
"Wow. Du musst gut sein, wenn sie dich hier ohne Grundausbildung einstellen.", nickt er anerkennend.
Es beruhigt mich, dass nicht jeder so ist wie Sir Wilson. Sie scheinen noch Emotionen und Anerkennung zu kennen.Es wird schlagartig ruhig, als Sir Wilson die Aula betritt und sich auf die Bühne stellt. Mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie vor zehn Minuten schaut er über die Menge und legt dann einige Zettel zur Seite auf einen kleinen Tisch.
Anders als erwartet, startet Captain Brown mit der Einführung. Seine Stimme ist einschläfernd und ich kann mich kaum konzentrieren.
"Miss Miller, sie kommen bitte mit mir und Sir Wilson in mein Büro. Der Rest geht mit Lieutenant Clark mit und lässt sich durch die Air Force Base führen. Anschließend gibt es Mittagessen in der Kantine und dann startet ihr Tag mit Krafttraining im Fitnessstudio.", beendet er seinen langweiligen Monolog.
Es passt mir gar nicht, dass ich von allen anderen getrennt werde.
"Viel Glück und hoffentlich bis gleich.", klopft mir Connor auf die Schulter.
Aua.
"Warum? Was soll das heißen?"
"Vielleicht feuern sie dich schon, bevor du deinen neuen Job überhaupt angetreten hast.", lacht David und läuft dann Connor hinterher. Der Saal leert sich, während ich fast alleine zurückbleibe.
Fast.
"Brauchen Sie eine extra Einladung oder stehen Sie auf und folgen uns?", spricht mich Sir Wilson an.
Schnell stehe ich auf.
Officer Wilson ist fast zwei Köpfe größer als ich und er lässt keine Gelegenheit aus mir zu zeigen, dass er mir überlegen ist.
"Kommen Sie, Miller.", mischt sich Captain Brown ein und winkt mich hinter sich her.
Gerade als einen Schritt nach vorne setze und ihm folgen will, stoße ich mit Officer Wilson zusammen. Ich muss einen Schritt zur Seite setzen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, bevor ich fragend zu ihm hochschaue.
Ist das so eine Masche von ihm, mich ständig anzurempeln?
"Welchen Rang haben Sie und welchen Rang habe ich?", fragt er mich bedrohlich.
Automatisch schaue ich aus seine Auszeichnungen.
"Ich laufe vor. Nicht Sie. Wenn Sie einen höheren Rang bekleiden als ich, können wir über die Reihenfolge nochmal sprechen. Ansonsten spielen Sie sich nie wieder so auf.", spricht er schon fast flüsternd, bevor er sich umdreht und Captain Brown folgt.
Wie gerne würde ich ihm die Meinung sagen. Wie gerne würde ich alles anwenden, was ich in fünf Jahren Studium in einer männerdominierten Branche gelernt habe, um mich als Frau zu behaupten.
Gott, ich könnte so frech werden.
"Setzen Sie sich, Miss Miller.", deutet Captain Brown auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Sir Wilson bleibt hinter ihm stehen und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen das Regal. Stumm starrt er mich an.
"Danke Captain.", nicke ich und setze mich hin.
Ist es normal, dass ich denke, dass es eine Falle ist? Ob man mich eventuell testet? Um mir etwas anzuhängen und mich schnell wieder loswerden kann?
"Miss Miller, Sie werden es hier nicht leicht haben. Es ist eine komplett andere Welt, als die, die sie kennen. Aber man hätte Sie nicht eingestellt, wenn man nicht glauben würde, dass Sie das Zeug dazu haben. Sehen Sie das als Chance. Es ist gut, dass Sie in einer Männerbranche großgeworden sind, trotzdem sollten Sie hier lieber Ihren Mund halten. Besonders gegenüber Sir Wilson."
Ich nicke verstehend und schaue dennoch demonstrativ nicht zu Sir Wilson.
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Das Leuchten Der Wüste
RomansaHazel Miller beginnt einen neuen Job bei der U.S Air Force. Doch dafür muss Sie die Grundausbildung der U.S Army erfolgreich absolvieren. Doch die Uhren ticken bei der Army ganz anders, als sie die Musterschülerin aus New York es gewohnt ist. Die Au...