Kapitel 85

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Zum Beginn der Osterpause und kurz bevor es mit meiner Freundin gemeinsam nach Lyon zum Besuch ihres Bruders geht, halte ich mit dem alten Passat von July auf dem Hof meiner Mutter, da ich sie heute für die Aktion abholen sollte, die die beiden unter sich abgemacht hatten. Zuerst wollte July mich auch gar nicht da mit reinziehen, aber immerhin ist es meinen Mama und meine Freundin, dann versuche ich mich auch an Gartenarbeiten, auch wenn das beinahe nur schief gehen kann.

Meine Mama sehe ich in ihrem Garten, da sie anscheinend noch ein paar Sachen zusammensucht und ich steige aus dem Auto meiner Freundin aus, sodass sie mich auch das erste Mal zu Gesicht bekommt und anfängt zu lächeln. Da wir uns nicht weit vom Wagen entfernen werden, lasse ich den offen und gehe nur über den kleinen Steinweg auf meinen Mutter zu, die ich zur Begrüßung auch erstmal umarme.
Hedi: Hallo Christian. Ich dachte, dass Juliette gekommen ist. Warum bist du nicht mit deinem Auto gekommen?"
Nachdem Mama mich wieder losgelassen hat, drückt sie mir im nächsten Moment auch bereits ein paar Sachen in die Hand. July hatte sich letzte Woche um die Wand in ihrem Haus gekümmert und danach haben die beiden einiges für den Garten eingekauft, worum sich meine Mutter hier nochmal kümmern wollte. Daher darf ich das ganze jetzt gemeinsam mit ihr abholen und zum Haus fahren.
Chris: July wollte nicht, dass ich mein Auto mit den Pflanzen dreckig machen würde und hatte mir daher gleich den Schlüssel für ihr Auto in die Hand gedrückt."
Lachend kommentiert sie diese Entscheidung meiner Freundin, da es mich nicht weiter gekümmert hätte, aber ich fange auch nicht an zu diskutieren. Anschließend zeigt sie mir, dass ich gleich bitte noch die zweite Plastikpalette mit Pflanzen holen sollte und das kleine Bäumchen, aber zuerst bringen wir die Dinge weg, die ich jetzt sowieso schon in der Hand halte, Mama nimmt danach gleich im Auto Platz und ich kümmere mich darum, dass auch der Rest einen Weg ins Auto findet und dann geht es wieder los.

Nachdem ich das erste Mal mit dem alten Auto von July gefahren bin, ist mir auch erstmal wieder bewusst geworden, dass ich mich an so manch modernes Schnickschnack schon gewöhnt habe und dass ich da jetzt wieder ein ganz einfaches Schaltauto vor mir habe, was mir nirgendwo Hilfe gibt. Zugleich denke ich dann aber wieder an meinen alten Golf, den ich, wen ich nicht diesen Unfall gehabt hätte, auch noch bis heute gefahren wäre.

An einem Bahnübergang muss ich halten, lasse mich etwas entspannter in den Sitz fallen und lasse meinen Blick einmal zu meiner Mutter schweifen, die vorerst noch auf das Feld am Rande der Straße schaut und ziemlich zeitig danach zu mir, weil sie gespürt haben muss, dass ihr Sohn sie angeschaut hat.
Chris: Du hast ein Plan, was wir da gleich machen müssen?"
Hedi: Sie hatte mir letzte Woche ein paar Bilde gezeigt und gemeint, dass ihr schon ein bisschen was machen werdet, bis ich heute komme."
Chris: Wurde so erledigt, wie du es gewollt hattest."
Jedes Mal, wenn Mama wieder lachen kann, habe auch ich ein Lächeln auf den Lippen. Nachdem das mit meinem Vater passiert ist, waren die kommenden Monate für uns alle der reinste Horror und das Weitermachen fühlte sich so unmöglich an. Jeden einzigen Moment, den ich mit meiner Familie haben kann, schätze ich heute noch mehr, als jemals zuvor und wenn immer ich wieder das ehrliche Lächeln meiner Mama sehe, heilt in mir auch irgendwas ein Stückchen mehr.
Hedi: Quasi ist das ja schon euer Garten, immerhin seid ihr ja schon eine Zeit zusammen."
Chris: Ähm...ja...was das angeht..."
Wo bleibt dieser verdammte Zug eigentlich? Nervös tippe ich auf dem Lenkrad herum, spüre die Blicke meiner Mutter, die auf mir liegen und ich weiß, dass ich mit dem letzten Satz sowieso etwas angefangen habe, was ich jetzt beenden muss.
Chris: July und ich sind erst im letzten Juli zusammengekommen."

Förmlich kann ich in ihrer Mimik ablesen, dass Andreas letztes Jahr zu Weihnachten doch gemeint hatte, dass ich jetzt mit jemanden aus der Firma ausgehe. Zu Ostern hatte ich mich vom Familientreffen ferngehalten, weil ich meinte, dass ich etwas mit meiner Freundin mache und jetzt will ich ihr sagen, dass ich da eigentlich keine Freundin gehabt habe? Das eine passt mit dem anderen natürlich gar nicht zusammen und die komplette Wahrheit werde ich ihr nicht so schonungslos sagen, wie meinem Bruder damals. Das wäre mir viel zu unangenehm und dann könnte ich meiner Mutter niemals mehr unter die Augen treten. Lieber würde ich dann auswandern.

Verkrampft umgreife ich das Lenkrad, halte meinen Blick starr nach vorne gerichtet und kaue auf meiner Lippe herum, weil ich mir gedanklich die Wahrheit so schön hinlegen muss, dass sie für meine Mutter angebracht sein würde.
Chris: Ich weiß, dass es schon damals zu Weihnachten hieß, dass ich wieder mit jemanden ausgehe, aber das stimmt so nicht, weil eigentlich...also wir beide...es ist so kompliziert!"
Meinen Körper schmeiße ich in den Fahrersitz, lasse das Lenkrad los, damit ich mir mit den Händen übers Gesicht gehen kann, damit ich zumindest innerlich einmal schreien kann, da wir uns damals nicht in diese ätzende Situation hätten bringen müssen. Ich hätte uns da nicht reinbringen müssen, wenn wir mal ehrlich sind.
Chris: Wegen Juliette habe ich mich damals von meiner Ex getrennt, weil ich Kim nie richtig geliebt habe. Aber sie war neu, eine Arbeiterin und hatte ganz andere Probleme. Irgendwie war das über drei Jahre so ein on-off Ding zwischen uns beiden und dann musste eine scheiß Zeitschrift ein Bild von uns veröffentlichen als wir miteinander ausgegangen sind. Es war zum Schutz, dass ich nicht so dumm in der Öffentlichkeit dastehe und damit wir einander weiterhin treffen können, aber eigentlich hatte sie sich erst im Sommer verliebt und daher sind wir auch erst im Juli echt zusammengekommen und-"
Ich stoppe im Satz, als meine Mutter eine Hand auf meine Schulter legt, sodass ich mit dem Gestikulieren aufhören und ruhig zu ihr rübersehe.
Hedi: Bitte atme erstmal wieder, Christian."
Ich lache, als sie mir ihr Lächeln wieder zeigt und atme danach auch erstmal wieder richtig durch, greife wieder nach den Lenkrad, da die Schranken wieder geöffnet werden.

Der Verkehr geht endlich weiter, wir sollten gleich auch beim Haus von July ankommen und gerade ist es mir viel zu still im Wagen. Daher werfe ich einen etwas hilflosen Blick zu meiner Mutter rüber, die aber die Ruhe selbst ist.
Hedi: Daher auch die ganzen seltsamen Ausreden, warum sie nie irgendwo mit bei war."
Ich nicke, weil ich immerhin nicht meine Freundschaft+ zu irgendwas familiären mitbringen wollte. Wäre ganz seltsam für uns beide gewesen.
Hedi: Und das mit Kim..."
Chris: Ihr alle habt mir immer wieder gesagt, dass wir etwas sooo großartiges miteinander haben und dass ich sie auf keinen Fall verlieren sollte. Ich dachte...weiß ich auch nicht..."
Hedi: Christian, es geht da doch nicht um uns, sondern um dich ganz allein. Du musst doch glücklich sein und nicht uns zufriedenstellen. Vergiss das bitte nicht und danke, dass du so ehrlich zu mir gewesen bist."
Dankend lächle ich sie an, weil ich die Angst hatte, dass sie es eben nicht verstehen würde. Aber hatte ich wirklich gedacht, dass meine Mama etwas dagegen sagen würde, wenn ich mit July jetzt einfach nur glücklich bin...

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