Königin des Lichts

Kapitel 2: schlechte Augen, schlechte Ohren

Gelangweilt tippt Ivetteimmer wieder mit dem Kugelschreiber gegen das noch immer makelloseBlatt auf ihrem Klemmbrett. Es sind jetzt schon einige Tage vergangenund es ist rein gar nichts passiert. Den ganzen Tag sitzt sie amFenster von Mephistos Schulleiter Büro in der Akademie und sieht ihmzu, wie er Berge von Papierkram abarbeitet. Unfassbar, dass sich derKönig der Zeit tatsächlich mit so etwas befasst.

„Mir ist es wichtig, michpersönlich um die Anliegen meiner Schüler zu kümmern. Egal obExorzist oder nicht.", summte er fröhlich, während er das Siegeldes Schulleiters enthusiastisch auf das Dokument vor sich hämmert.

„Mhm mhm...", brummtIvette gelangweilt und beginnt, kleine Comics auf das Papier zuzeichnen. Ihr war bewusst, dass Mephisto seine Geheimnisse um jedenPreis vor ihr verstecken wird, aber dass er die ganze Sache so ernstnimmt, hätte wohl niemand gedacht.

Irgendwann geschah danndoch etwas Unerwartetes. Der Paladin, Shiro Fujimoto, kam in dasZimmer gestürmt. Ohne zu klopfen oder Rücksicht auf irgendwelcheFörmlichkeiten zu nehmen, stampft er auf den Dämonenkönig zu,packt ihn am Kragen und zieht ihn von seinem Stuhl hoch. „Dusagtest, er sei ein Mensch! Sein Dämonenherz bleibt versiegelt, bisdas Siegel gebrochen wird! Waru-", Shiro stoppt. Mit weitaufgerissenen Augen schaut er herüber zu Ivette, die sichmittlerweile an die Kante des Fentserbrettes gesetzt hat und ihrenOberkörper neugierig nach vorn beugt. Er hat sie nicht bemerkt.Interessiert lauscht sie den Worten des Paladins, ohne dabei auch nurein Wort niederzuschreiben. Endlich wird es mal spannend.

Langsam lässt der Exorzistvon Mephisto ab. Dieser klopft sich den imaginären Staub vom Anzugund richtet den Stoff, so dass der Anzug wieder wie angegossen sitzt.Währenddessen entfläuscht ihn ein gespieltes Seufzen, als wäre manihm auf die Schliche gekommen. Aber Ivette erkannte sofort, dass alldies nur der Beginn eines langen, sehr mühsamen, Tests ist.

„Vater Fujimotot, das istIvette Quinn. Sie ist eine amerikanische Exorzistin, die damitbeauftragt wurde, mich zu überwachen.".

„Du verdammter...",grummelt der Paladin, als er seinen wütenden Blick zurück zuMephisto gleiten ließ. „Was spielst du für ein Spiel, Dämon?".Schützend hebt der Dämon die Hände vor seinen Oberkörper. „Aber,aber. Wie hätte ich denn mit so einem Verhalten rechnen sollen? Dusolltest vorsichtiger mit deinen Worten umgehen, Vater Fujimoto.".Der Paladin zischt genervt. Er wirft Ivette einen besorgten Blick zu,dann murmelt er noch etwas in seinen nicht vorhandenen Bart undstürmt, so schnell wie er auch gekommen ist, aus dem Zimmer heraus.

„Du hast also doch dasein oder andere Geheimnis, Mephisto.", murmelt Ivette nachdenklich,als sie sich wieder in eine bequemere Position begibt. Mit ihrenWorten wollte sie eigentlich eine Aktion des Dämons provozieren,doch er ließ seine sorglose Fassade nicht einen Moment bröckeln.Der Dämon setzt sich an seine gewohnte Stelle, hinter dem massivenSchreibtisch, und tut so, als wäre nie etwas gewesen. Er plantetwas, dachte sich Ivette und kritzelte weitere unerkennbare Comicsauf das Papier.

„Ich werde etwas essengehen.". Leise knacken Ivettes einzelne Knochen, als sie sich vomFensterbrett erhebt und ihren Körper einmal Richtung Himmel streckt.Wie lang hat sie jetzt schon dort gesessen? Es ist Mittagszeit. DerArbeitstag von Mephisto beginnt etwas gegen 8 Uhr. Also sitzt sie daschon eine gefühlte Ewigkeit. Ein Wunder, dass sie noch keinen Staubangesetzt hat.

Kurz bevor die Tür, ohneeinen laut von sich zu geben, in das gut geölte Schloss fiel, hörtesie Mephisto noch irgendetwas rufen. Wahrscheinlich wünschte er ihreinen guten Appetit oder er wollte sie nochmal an die Black Carderinnern, die er ihr gegeben hatte. Eine Karte, die sie alsAngestellte der Heilig Kreuz Akademie auszeichnet. Verpflegung istalso umsonst. Wenigstens etwas Gutes an dem ganzen Desaster hier.