Ich will - Richard

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„Euer rumgeschwule kommt gut an!" sagte Oliver während er durch sein Handy scrollte.
Wir saßen gemeinsam in der Lounge des Tourbusses, der uns von Tschechien nach Deutschland bringen sollte.
„Rumgeschwule?" wiederholte Paul.
„Hier schau mal!" lachte Oliver und drehte sein Handy in Pauls und meine Richtung.
Zu sehen war ein Zusammenschnitt der letzten zwei Bühnenküsse und meiner Berührung zu Paul auf dem zweiten Konzert in Prag, untermalt von sanfter Musik.
„Unglaublich." Ich schüttelte den Kopf.
Schneider blickte abwechselnd zu Paul und mir.

Wir hatten nun 3 Tage Zeit, ehe unser erstes Konzert in Deutschland, in der Red Bull Arena in Leipzig, gespielt wurde.
Mit Juliet traf ich mich bereits kurz nach Ankunft in Berlin. Ich hatte noch 3 Kartons belangloses Zeug bei ihr gelagert.
Es war schön, dass sich das Verhältnis zwischen uns gebessert hatte, auch wenn sie die erste Frau in meinem Leben war, die mir wirklich das Herz gebrochen hatte.
Das Highlight des Tages war, dass ich den mittlerweile 2-jährigen Elias wiedersah.
Er freute sich sehr, endlich seinen „Onkel" wiederzusehen.
Seine leuchtenden Augen, als er sein nachträgliches Geburtstagsgeschenk, ein großes Set einer Holzeisenbahn, auspackte, waren unbezahlbar.
Spontan schlug ich Juliet vor, Elias über Nacht mit zu mir zu nehmen, damit ich am Folgetag mit ihm in aller Frühe etwas unternehmen konnte.
Ich hatte keine Pläne für die nächsten drei Tage, und da sich meine Ex-Freundin Margaux, die Mutter meines dritten, und jüngsten Kindes mit meiner Tochter  im Urlaub in Frankreich befand, wusste ich nichts besseres mit meiner Zeit anzufangen.
Juliet nahm dankend an und packte Elias' Sachen für die nächsten 36 Stunden.

Ich hatte lange überlegt, ob ich Paul mit ins Boot holen sollte.
Schließlich wollte ich ihn nicht belästigen und auf den Gedanken bringen, ich könnte vielleicht doch etwas für ihn empfinden.
Ich schrieb ihm eine kurze Nachricht, dass Elias bei mir nächtigte, und wenn er Lust hätte, könne er gerne vorbeikommen.
Ich wünschte mir sehr, dass er sich blicken lies.
Mehr, als ich wollte, schaute ich beinahe alle 10 Minuten auf mein iPhone, doch die erhoffte Nachricht blieb aus.
Mit einem schweren Herzen im Körper spielte ich mit Elias und seiner Murmelbahn, kochte ihm einen Eintopf, welchen meine älteste Tochter damals über alles geliebt hatte, und schaute mit dem zweijährigen eine Kinderserie.
Es waren mittlerweile 5 Stunden vergangen, als es klopfte, während ich gerade dabei war, Elias in sein Reisebett, in meinem Schlafzimmer, welches ich mir extra angeschafft hatte, zu legen.
Ich öffnete die Tür und mein Herz ging, wie so oft die letzten Tage, in Flammen auf.
Mein Körper reagierte prompt mit unerträglichem Bauchkribbeln, als ich Paul sah, der mich angrinste.
Um seine Augen zogen sich zahlreiche Lachfalten.
Dieses herzliche Lachen habe ich in letzten drei Jahren zu schätzen lernen gewusst.
„Wo ist der kleine Chaot?" fragte er mich.
Ich deutete auf mein Schlafzimmer.
Er ging schnellen Schrittes nach oben, um seinem Patenkind eine gute Nacht zu wünschen.
Ich begab mich Richtung der hochglänzenden Designerküche und machte zwei Tequila mit Sekt gemischt, fertig.
Diese stellte ich wieder auf den Tisch vor der Sofagruppe und wartete auf meinen Bandkollegen.
Auch ich konnte einen Tequila gut vertragen, denn ich hatte gleich nach meiner Ankunft meine Beziehung zu Maddie beendet.
Sie war in Tränen aufgelöst.

„Hast du deine Sachen bei Juliet abgeholt?" fragte Paul mich, während er am Glas nippte.
Seine Adern traten an den Händen hervor.
Details, die ich nie bewusst wahrgenommen hatte.
Ich nickte und schaute ihm in die braun-grünen Augen.
Es lag eine unangenehme Stille in der Luft.
Aber über was sollte man auch schon großartig reden?
Ich legte den Kopf in den Nacken und starrte zur Decke.
Wie gerne würde ich diese angespannte Stimmung lösen.
„Was habt ihr beiden morgen vor?" fragte Paul vorsichtig.
„Weiß ich noch nicht", kam gleichgültiger aus meinem Mund, als ich wollte.
Paul atmete hörbar aus.
„Wir können ja seinen Geburtstag nachfeiern" schlug Paul vor.
„Klar, können wir machen." erwiderte ich.
„Soll ich Schneider auch fragen, ob er kommen möchte?"
Ich nickte.
Eigentlich wollte ich gerne jede freie Minute mit Paul alleine genießen, aber so war es nunmal.
Ich liebte Schneider genauso sehr wie die anderen Jungs, aber momentan wollte ich einfach niemand geringeren als meinen Paul.

Ich beugte mich etwas vor und legte meine Hand auf Pauls Knie. Ich hoffte, dass diese Berührung, die gerade das mindeste war, was ich brauchte, für ihn in Ordnung gehen würden.
„Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst in letzter Zeit extrem abwesend!" sagte ich.
Er zog die Luft scharf durch seine Nase ein, während er meine Hand auf seinem Knie unsicher betrachtete.
Scheiße.
Das war einer zu viel.
Ich ärgerte mich sofort über meinen Egoismus, Paul ohne Erlaubnis angefasst zu haben.
„Ja, alles gut!" holte er aus.
„Seitdem wir endlich wieder auf der Bühne stehen, geht es mir ehrlich wieder sehr gut." er lächelte mich an.
Dies tat ich ihm gleich.

Wir besprachen den morgigen Tag, wobei sich Paul noch zurückhielt.
Er war irgendwie nervös und angespannt.
Und so beschlossen wir, morgen einfach eine große Runde spazieren zu gehen. Größere Ausflüge waren aufgrund unserer Bekanntheit für uns schon lange nicht mehr machbar, wenn wir nicht von zahlreichen Fans belagert werden wollten. Und das mussten wir Elias nicht unbedingt zumuten.

Spätabends machte sich Paul wieder auf den Weg nach Hause.
Zu gerne hätte ich ihm angeboten, bei mir zu nächtigen. Jedoch hatte ich die Befürchtung, dass dies recht übergriffig wirken könnte.
Ich will ihn einfach nur in meiner Nähe wissen.

#Paulchard - Mein Herz brennt! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt