1. Angst

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Ich heiße Markus und bin 22 Jahre alt. Ich leide schon, seit ich ein Teenager bin, an Angststörungen. Sorgen, Probleme und Stress im Alltag überfluten mich, und ich fange an, mich nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Meistens schaffe ich es, damit umzugehen, doch oft übernimmt dann mein Geist die Kontrolle über meinen Körper. Viele wissen nicht, wie es ist, im Alltag zu leben. Es hindert einen nicht ganz am Leben, aber manchmal wünschte ich mir, es würde aufhören. Nun wurde ich gebeten, einen Brief an mich selbst zu schreiben. Ich sitze aktuell in einer Nervenheilanstalt, und man versucht, mir zu helfen. Es tut gut zu wissen, dass Menschen, die sich mit der Thematik auskennen, mir weiterhelfen. Da fühlt man sich schon in besseren Händen. Doch von Zeit zu Zeit werden meine Panikattacken nicht besser. Sie verschlimmern sich vielmehr. Es fängt mit einer Überforderung meines Gehirns an. Ich überdenke alles und beginne, alles stressiger und gefährlicher wahrzunehmen. Dann geht es mit der Dissoziation los. Meine Hände... Wer steuert sie im Moment? Wer sorgt dafür, dass ich jetzt genau das mache? Wieso habe ich das Gefühl, gleich mit voller Wucht aus meinem Körper herausgeschossen zu werden, wie jemand, der auf Drogen ist? Dabei hatte ich noch nie meine Finger an solchem Schmutz, und dennoch fühle ich mich manchmal so. Mir hat mal ein Freund erzählt, dass er sich so fühlt, nachdem er gekifft hat. Er sagt dann immer, er sei im Nirvana. Gut, ich denke, er übertreibt das manchmal etwas, und doch macht es mir Angst. Ist es normal, einfach dieses Gefühl zu haben? Die Ärzte haben mir immer gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen muss. Das sind nur die „Kampf- oder Flucht"-Gefühle, also quasi die Hormone, die einen dazu bewegen, sich so zu fühlen. Es beruhigt mich aber nur halbwegs. Denn wenn es so wäre und ich nach ein paar Minuten Beruhigung mich wieder gefangen habe, geht das Ganze irgendwann von Neuem los. Das kann doch nicht normal sein.

Das Schlimmste, was ich bislang erlebt habe und was die Ärzte als Einbildung abtun, geschah kurz bevor ich mich hier vorgestellt habe und ist auch der Grund, warum ich in dieser Anstalt bin.

Ich war mit meinen Kumpels draußen, und sie wussten Bescheid, dass ich Panikattacken bekommen könnte und waren direkt für mich da. Wir waren auf dem Feld, und ich sah hoch in die Sterne, es war nämlich kurz vor 12. Mein Blick schweifte nach oben, und ich sah die dutzenden Punkte am Himmel. Erleichtert stieß ich erstmal auf, und dann fing es an. Für einen Bruchteil einer Sekunde sah ich etwas in meinem Kopf aufblitzen. Ich wusste sofort, dass es wieder losgeht, nur diesmal mit so einem Anfang. Gleich sofort gab ich meinen Kumpels Bescheid und kuschelte mich ein. Ich war in Panik geraten. Ich drückte die Augen zu. Man sagte mir, dass ich aussehe, als würde ich einen Anfall haben. Doch was an diesem Abend geschah, wird mich bis ans Lebensende verfolgen. Mit dem einen Augenblick auf den nächsten sah ich etwas vor mir. Es war vielleicht eine Sekunde lang zu sehen und zu fühlen. Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle. Mein Körper gehörte mir nicht mehr. Alles um mich herum war weg. Schwarz. Meine Freunde weg. Das Feld weg. Die Stadt hinter uns, weg. Ich war weg. Mein Geist war plötzlich aus meinem Körper weg. Ich sah etwas und fühlte etwas anderes als das Gras auf meinem Nacken. Ich war in einer Röhre. Ich konnte nur fühlen, wie ich mich bewegte. Mir tat alles weh. Es verstörte mich, und das selbst nur für eine Sekunde. Als ich dann zu mir kam und meine Augen wieder öffnete, befand ich mich im Krankenwagen. Meine Kumpels hatten einen gerufen, und es war auch einer da. Die Zeit ist aber in der Abwesenheit natürlich schnell vergangen. Die Werte waren alle gut, und ich wurde auch direkt wieder nach Hause geschickt. Der Notarzt, der mich behandelt hatte, bat mich, bei der Anstalt, in der ich jetzt bin, mal vorbeizuschauen. Nun bin ich hier. Es sind jetzt 2 Wochen vergangen. Die Ärzte vor Ort stufen mein Problem als typische „Angststörung" ein. Viele Menschen haben das, und es kann auch geheilt werden. Seit 2 Wochen rede ich mit allen, um dieses Trauma zu verarbeiten. Für den einen oder anderen kann das nicht viel sein oder übertrieben klingen.

Doch was keiner wusste: Es war nie die Angst. Etwas über uns ist da. Es war lediglich eine Störung für sie. Mein „User", also der wahre Körper, in dem ich bin und in dem ich aktuell die Simulation erlebe, hat einen Defekt. Ständig versucht er, sich wieder in seine wahre Realität zurückzuholen und wird andauernd durch computerbasierte Befehle wieder zurückgeworfen. Wenn ich sage, dass ich mich fühle, als würde mein Geist den Körper verlassen, dann nicht, weil es die Angst ist. Es ist der Besitzer und ich sein Wirt. Er will entkommen und versucht, sich aus meinem nicht existierenden Körper zu befreien. Ich fühle es, wie ich die Welt durch ihn sehe. Da ist ein großer Raum um uns. Man ist eingekapselt. Schläuche und Maschinen befinden sich an einem. Man befindet sich wie in einer futuristischen Anlage wieder, und um einen herum sind Wesen, die man zuvor noch nie gesehen hat. Diese Bilder blitzen immer wieder auf, millisekundenschnell. Doch ich sehe es. Es macht mir Angst. Wer bin ich, und warum will mein echter Körper meinen Avatar jetzt verlassen? Das wird mir keiner glauben, und dass ich das alles noch aufgeschrieben habe, wird sich sicher nicht positiv auswirken. Am Ende werden die Ärzte es als Reaktion des Gehirns abtun, und man wird wie jeder andere behandelt. Ich kann es ihnen aber nicht übelnehmen. Schließlich wissen sie nicht, was ich durchmache oder was ich sehe. Ob es anderen Menschen auch so geht? Haben alle Menschen, die Panikattacken haben, einfach nur eine Störung im System? Also sind wir mit unserem Gehirn überfordert? Oder ist der User über uns einfach nur nicht in der Lage, weiterzumachen? Ganz egal, was ist: Man wird mich wegsperren für die Gedanken, denn sie zeugen von Wahn und Paranoia. Überwesen, die uns lenken, als wären wir in Avatar. Dennoch sehe ich ihn, und...

Er... hat... Angst.

Project Simulation StopWo Geschichten leben. Entdecke jetzt