Das atmen fiel mir ach so schwer - Richard

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„Was war denn das jetzt?" Schneider stand perplex im Türrahmen.
Er hatte Paul hinterhergerufen.
Vergebens.
Schon gestern Abend, als ich mich schlaflos in meinem Bett hin und her wälzte, war mir eingefallen, dass meine schnelle Notlüge, bezüglich Kate, nicht die allerbeste Idee gewesen war.
Zumindest wäre es besser gewesen, wenn ich mir nicht gerade die beste Freundin von den Frauen unseres Bassisten und unseres Schlagzeugers aussuchte.
Das konnte nur in die Hose gehen.
Früher oder später.
Es konnte nur deswegen sein.
Paul funkelte mich so gehässig an, bevor er rausstürmte, dass ich immer noch unfähig war, mich zu bewegen.
Elias auf meinem Arm wurde langsam unruhig.
Infolgedessen nahm ich die letzten Stufen und setzte Elias vor seiner Spielzeugkiste ab, welcher er sich auch sofort bediente.
Paul musste sich so hintergangen fühlen.
Er ist ein Mensch, der alles immer, bis zum-geht-nicht-mehr zerdenkt und meine Lüge auf sich selbst beziehen würde.
Und das nur, weil ich nicht wollte, dass er erfuhr, was ich wirklich für ihn fühlte.
Aber warum eigentlich?
Warum konnte ich mit niemandem darüber reden?
Wir setzten uns alle für Homosexualität ein und wir konnten immer über alles reden.
Wann hatte das aufgehört?
Schneider blickte mich wütend an.
Das ich nicht angeschrien wurde, war vermutlich nur Elias' Anwesenheit geschuldet.
Konnte ich mich Schneider anvertrauen?
Vermutlich wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt gewesen, denn eine andere Erklärung für mein Verhalten fand ich nicht.
Doch dazu sollte es nicht kommen.
„Ich habe deine Launen so satt! Ich weiß nicht, was momentan mit dir- nein, besser gesagt euch, los ist." raunzte Schneider mich an.
„Ich sehe dann mal zu, dass das hier nicht wieder in einer Katastrophe endet."
Damit spielte er auf Pauls Vergangenheit an.
Er ließ mir keine Zeit, etwas zu erwidern, denn er drehte sich um und verließ mein Apartment schnellen Schrittes.
Mein Kloß im Hals wurde immer größer und das atmen fiel mir ach so schwer.
Ich setzte mich auf den Zweisitzer vor den spielenden Elias, platzierte meine Ellbogen auf meine Knie und vergrub mein Gesicht in den Händen.
Ich hatte garkeine andere Wahl.
Ich wollte Paul nicht noch einmal anlügen müssen.
Zumal ich sowieso nicht der beste Lügner war.

Ich spürte eine kleine speckige Hand an meinem Handgelenk.
„Onkel Richa trauri?" wollte Elias wissen.
Sofort nahm ich die Hände von meinem Gesicht und schaute Elias an. Er wirkte unsicher.
Ich nahm ihn auf meinen Schoß und erklärte ihm: „Ja Elias, Onkel Richard ist traurig. Auch große Menschen dürfen traurig sein."
Ich drückte ihn und er strich mir über die Wange.
„Nicht trauri sei" versuchte er mich aufzuheitern.
Ich schenkte dem kleinen Jungen ein gespieltes Lächeln, mit welchem er sich vorerst zufrieden gab.
Danach setzte ich den Tagesplan eines großen Spazierganges, welchen ich mit Elias, Schneider und Paul machen wollte, in die Tat um.
Dieses Mal nur mit Elias.
Mein Herz lag noch immer schwer in der Brust.
Während der 2-jährige den Spaziergang mit vielen neuen Entdeckungen im Wald sichtlich genoss, fühlte sich die Stille für mich beinahe unerträglich an.
Ich konnte mit der Ungewissheit, wie es Paul gerade erging, nicht leben.
War mein eigener Egoismus größer als das Leben Pauls?
Andererseits: konnte es noch normal sein, keinen Fehler mehr begehen zu dürfen, ohne danach Angst haben zu müssen, dass Paul sich etwas antun würde?
Ich wusste nicht mehr, was in diesen Momenten richtig, und was falsch sein würde.
Wahrheit? Lüge? Ignoranz?
Die Wahrheit machte mit extrem großer Wahrscheinlichkeit die Band kaputt. Sie würden einer Beziehung, selbst wenn ich Paul dazu bringen könnte, etwas für mich zu empfinden, nicht zustimmen. Wenn diese nämlich in die Brüche gehen würde, wäre die Gefahr groß, dass mindestens ein sechstel von Rammstein auf Distanz gehen würde. Ja, dem war ich mir sicher.
Eine erneute Lüge brachte die Gefahr, dass Paul es erneut herausfinden würde. Dann wäre die Freundschaft endgültig vorbei, wenn sie es nicht jetzt schon war.
Es tat mir weh, mir das eingestehen zu müssen, aber für mich schien die pure Ignoranz zu Paul als die beste Entscheidung für uns als Freunde, aber auch für uns als Band zu sein.
Unsere Freundschaft würde definitiv leiden.
Aber vorallem litt auch ich.
In einem anderen, viel größeren Ausmaße als Paul.
Ich sah es als eine Art Bestrafung, mir selber die Nähe zu meinem Paul zu nehmen.
Es würde mich verrückt machen, ihn nicht zu berühren, zu küssen, anzuhimmeln.
Aber so sah ich auch die Chance, endlich meine Gefühle zu Paul zu verlieren.
Dann musste es auch niemand wissen.


Aber da hab ich die Rechnung nicht mit Schneider gemacht.

Worte von mir:
Danke für eure Geduld, bis hier hin zu lesen.
Ab dem nächsten Kapitel wirds dann langsam richtig spicy.
Ich will euch ja nicht zu lang hinhalten.
Vielen lieben Dank für die zahlreichen Bewertungen! ♥️
Saskia

#Paulchard - Mein Herz brennt! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt