Der Tod von Rosewood

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Ein stehender Geruch von Zigaretten, modriges, von Bier getränktes, weiches Holz,gepaart mit stechendem Schweißgeruch und einer genauso hohen Note Verzweiflung.Eine Biermarke, die billiger in der Lieferung nicht sein könnte, da es in der Gegendgebraut wird, ramponierte Einrichtung, ein Kellner, der auch schon mal bessere Tagesah. Die Musik ist nicht wirklich laut, sodass sich die Gäste untereinander verständigenkönnen – wenn man dieses Gelalle am Freitagabend um diese Uhrzeit so nennenmöchte. Die Leute sehen gefühlt aus, wie Statisten einer Kneipenszene, es ist nichtschwer herauszufinden, um wem es hier geht. Ein Mann mit weißem Hemd, schwarzerHose und blonden Haaren sitzt mit einer Zigarette an der Bar. Caleb Creed lautet seinName.

„Na darf's noch eines sein?" Die Stimme des Kellners ist genauso gedrückt, wie dieAtmosphäre in diesem Schuppen. Ich habe noch nicht mal mein Glas ganzausgetrunken, während schon das nächste Bier aus der Zapfsäule fließt.„Was würdest du tun, wenn ich nun nein sagen würde.?", erkundigt sich dergezeichnete Mann, während er seinen Stümmel in den Aschenbecher drückt, um dasFeuer seines Suchtmittels erlöschen zu lassen. Er sieht dabei nicht den servierendenMann an.„Ich würde es jemand anderen andrehen. Die da hinten sehen so aus, als würden dienoch eines vertragen.", lautet die recht simple Antwort. Stechend grüne Augen, siewandern zum hopfigen Getränk, bis der Entschluss kommt: „Dann gib es lieber mir.Wir wissen beide, dass die da hinten schon am Ende sind."

Die Herren am besagten Tisch liegen teilweise schon auf dem besudelten Holz, fürjeden Kellner, der noch ein bisschen Anstand hat ist dies ein Zeichen abkassieren,nicht weiter zum Abfüllen. Das weiß auch Caleb, welcher sich das kühl servierteGetränk zu seinen Lippen führt und ohne auch nur danke zu sagen einen kräftigenSchluck trinkt. Die Haare des Mannes fallen langsam nach vorne, da nach so langerZeit dann doch das Haargel nachgibt. Während er noch seinen Trunk hält, streicht erseine Mähne mit der anderen Hand nach Hinten, während er die nächste Zigarettebereits in der Hand hält. Kurz stoppt sein Blick bei dieser, bevor er sie mit seinen Lippenfesthält und mit seinem grauen Zippo in Brand setzt. Langsam kramt der blondeBesucher sein Portemonnaie hervor, da er sich sicher ist, dass er hier nicht längerbleiben möchte als nötig. Ein bereits abgenutztes, braunes Stück Leder, welches auchschon schönere Zeiten gesehen hat, liegt links von Caleb. 

„Reicht langsam mal, ich will zahlen.", meldet er sich dann, als er die letzte Lunte inseine Lunge zieht.
„Darf es nicht doch noch eines sein?", versucht es der schmierige Kellner, woraufhinsich die Augen des schick gekleideten Mannes zusammenziehen.
„Nein, ich habe mir genug schlechte Gesellschaft für heute geholt.", lautet die letzteAntwort, bevor der Angestellte mit grimmiger Miene einfach die Rechnung auf denUntersetzers des alkoholischen Getränks legt. Mit einem ordentlichen, prickelnden Zugund einem verbitterten Blick verschwindet die Flüssigkeit im Körper des schwarz-weißgekleideten Rauchers.
„Bis dann.", kommt von Caleb, welcher in Richtung Tür geht, die in der oberen Mitteein kleines Fenster hat.
„Bis Morgen, Caleb.", verabschiedet sich der Mitarbeiter, welcher augenrollend einWeinglas poliert.

Die Tür öffnet sich, das Erste, was zu sehen ist, wie jeden Abend ein Mann, welcherdurch ein Nickerchen die Treppe nach Oben versperrt. Immer wieder strandenAlkoholiker, die es übertrieben haben an dieser Treppe, um in ihrem eigenenerbrochenen ihren Rausch auszuschlafen. Mit einem großen Schritt tritt dergroßgewachsene Mann über die Alkoholleiche um seines Weges zu gehen. Nicht etwazu seiner Familie oder gar einer geliebten, noch nicht einmal in seine Wohnung. SeinTrip führt ihn weg vom „Broken Shark" direkt zu einem sehr zentralen Ort. EinGebäude, welches Rund um die Uhr besucht ist, 24 Stunden am Tag, 7 Tage in derWoche. Ein notwendiger Ort für Menschen. Die Tür der Unfallambulanz öffnet sich, mitleicht gebeugter Haltung trottet er zwischen den verletzten Wesen umher, ohne sichaufhalten zu lassen. Am Ende des Korridors biegt er dann nach links in Zimmer 9.

„Sind Sie ein Arzt?", fragt eine erschöpfte Stimme, zu einem blutüberströmten, mitScherben versehenen Mann gehörend. Bevor Caleb die Frage beantwortet klemmt ersich ein weiteres Mal eine Zigarette in den Mund. „Nein.", lautet die simple Antwort.Stille erfüllt den Raum, der blonde, leicht angetrunkene Typ mustert weiterhin dasUnfallopfer, welches verwirrt und bestürzt auf den rauchenden Herren schaut. „Siedürfen hier nicht rauchen, das ist ein Krankenhaus.", kritisiert der Patient mithochgezogener Augenbraue. Der Dampf der Stange wird aus der Nase geschnauft.„Ganz schön große Klappe für 'nen Toten, Lorenz. Ich darf rauchen, wo auch immerich will.", lautet die kühle Antwort. Ein unverständliches Stammeln entflieht demVerletzten, doch nach einigen Sekunden kommt dann doch ein Satz zustande: „Toten?Was meinen Sie damit?"
„Schau mal auf die netten Maschinchen an denen du angeschlossen bist."
Drei gerade Linien mit einem lauten piependen Ton erfüllen den Raum, ein Arzt stürmtin den Saal, nur um den Kopf zu schütteln und seinen Kollegen die traurige Nachrichtzu überbringen. „Unser Patient hat es leider nicht geschafft."

Lorenz kommt gar nicht aus dem Staunen hinaus und wird schon mit der nächstenunglaublichen Tat konfrontiert. Ein Schnippen verwandelt die Zigarette des blondenBargängers in eine große, sperrige Sense. „Na klingelt's wer ich sein könnte?" DerVerunglückte bekommt kein Wort heraus, hilfesuchend schaut er zum Arzt, welcherdurch ihn hindurchschaut. „Ich bin also wirklich gestorben." Fassungslosigkeit liegt inder bibbernden Stimme, während Caleb nicht einmal eine Miene verzieht. Für ihm istdas ja quasi Routine, Menschen die mit ihrem Tod konfrontiert werden ist sein Beruf.„Ist nicht immer leicht, vor allem nicht, wenn man leben wollte und Familie hat.", merktder blonde Sensenmann an, während er sich langsam seinem Opfer nähert. „Sieverstehen das nicht! Hatten Sie denn nicht auch Familie? Ich kann hier nicht sterben!Geben Sie mir noch eine Chance!", fleht der Familienvater.„An einem Punkt hatten wir alle mal irgendwo Familie oder Menschen, die einenliebten, so auch ich. Aber ich bin nicht verantwortlich für das Schicksal, sondern sorgenur dafür, dass der Tod sauber von der Hand geht.", erklärt der baumhohe Typ undpassiert den Toten. Rücken an Rücken stehen sie nun aneinander, während die Klingeder Sense am Hals liegt. „Guten Flug.", haucht er dann und zieht einmal heftig an, umden weinenden Menschen zu erlösen.  

Der Tod von RosewoodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt