Pov Fips
Ich hatte Cassy losgeschickt, um Zeke zu suchen. Es war die bessere Wahl – ehrlich gesagt, ich war mehr als froh, mich nicht mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Zeke war wie eine tickende Zeitbombe, und ich hatte nie die Geduld, seine launische Art zu ertragen. Also blieb ich mit Minty zurück, um das Hotel nach Hinweisen zu durchsuchen, wo Rhun stecken könnte.
„Es muss doch irgendetwas geben,“ murmelte ich und zog eine Schublade nach der anderen auf. Alle waren ordentlich, fast schon verdächtig ordentlich, und enthielten nichts weiter als Stapel von sauber gefalteten Taschentüchern, goldene Zahnstocher und kleine, auf Hochglanz polierte Zahnräder.
Minty war währenddessen an einem Bücherregal beschäftigt. Sie zog ein Buch nach dem anderen heraus, blätterte kurz darin und stellte es wieder zurück. „Rhun hat immer in dieses eine Buch geschrieben,“ sagte sie plötzlich und drehte sich zu mir um. „Aber ich weiß nicht, wo er es aufbewahrt.“
„Ein Buch?“ Ich richtete mich auf und warf einen skeptischen Blick auf das Regal. „Hier stehen Dutzende Bücher. Kannst du das ein bisschen eingrenzen? Größe? Farbe? Irgendwas?“
Minty zuckte die Schultern. „Es sah aus wie ein Tagebuch. Dunkles Leder, goldene Schnalle. Aber es könnte auch gut versteckt sein. Rhun war ziemlich paranoid in letzter Zeit.“
Ich stöhnte leise und fuhr mir durch die Ohren – das machte mich jetzt schon wahnsinnig. „Also suchen wir ein winziges Buch, das irgendwo in einem Hotel versteckt ist, das so groß ist wie ein verdammter Palast. Großartig.“
„Hast du eine bessere Idee?“ fragte Minty scharf.
Ich schüttelte den Kopf und machte mich wieder an die Arbeit. Wir durchkämmten Raum für Raum, vom Ballsaal bis zu den Personalräumen, aber überall war entweder gähnende Leere oder nichts von Interesse zu finden.
„Er hat es immer mit sich herumgetragen,“ sagte Minty plötzlich, als wir in Rhuns Büro standen, einem Raum voller Akten und Papierstapel. „Aber er hätte es nicht mitgenommen, wenn … wenn er verschwunden ist, oder?“
Ich hob ein loses Zahnrad von seinem Schreibtisch auf und warf es in die Luft, bevor ich es wieder auffing. „Wer weiß? Vielleicht hat er es in einem Anfall von Übervorsicht irgendwo vergraben.“
Minty seufzte und ließ sich auf einen der großen Polsterstühle sinken. „Das passt überhaupt nicht zu ihm. Rhun hat immer alles im Griff gehabt. Er war nie der Typ, der sich in Schwierigkeiten bringt.“
Ich hielt inne und sah sie an. „Jeder kann sich in Schwierigkeiten bringen, Minty. Vor allem, wenn es um diese … dunkle Seite geht, von der du geredet hast.“
Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie den Gedanken wegwischen. „Es macht einfach keinen Sinn. Selbst wenn er schwächer geworden ist, hätte er uns Bescheid gesagt. Oder zumindest mir.“
Ich spürte den Frust in ihrer Stimme, aber ich wusste nicht, wie ich sie beruhigen sollte. Stattdessen ging ich zu einem der Regale, die wir noch nicht durchsucht hatten, und begann, die Bücher und Ordner durchzublättern.
„Hier ist nichts!“ rief Minty nach einer Weile und stand auf. Sie wirkte fast wütend. „Das Buch ist nicht hier, Fips. Vielleicht … vielleicht hat es jemand mitgenommen. Oder es ist … verschwunden.“
Ich drehte mich zu ihr um. „Beruhig dich. Nur weil wir es nicht finden, heißt das nicht, dass es verloren ist. Vielleicht hat Rhun es an einem Ort versteckt, den nur er kennt.“
Minty sah mich an, ihre Augen voller Sorge. „Wenn das stimmt … was, wenn wir es nie finden?"
Ich wollte etwas Beruhigendes sagen, aber die Wahrheit war, dass ich genauso ratlos war wie sie. „Dann müssen wir uns was anderes überlegen,“ sagte ich schließlich und klopfte ihr auf die Schulter. „Aber eins nach dem anderen. Vielleicht hat Cassy mehr Glück bei Zeke.“
Minty nickte langsam, aber der Zweifel blieb in ihrem Blick. Wir verließen das Büro, ohne das Buch, aber mit einer wachsenden Gewissheit: Wenn wir Rhun finden wollten, mussten wir vielleicht mehr riskieren, als uns lieb war.
Mintys Worte trafen mich wie ein Schlag. „Er hat viel von euch Brüdern gesprochen,“ sagte sie, während sie ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte.
Ich wollte es abtun, wollte sie unterbrechen, aber sie sprach weiter: „Er hat sich gesorgt. Vor allem um dich.“
Ich erstarrte. Die Worte hallten in meinem Kopf nach, wie ein Echo, das nicht verschwinden wollte. Um mich? Rhun hat sich um mich gesorgt? Das klang wie ein schlechter Witz.
„Das glaub ich nicht,“ schnaubte ich schließlich, wandte mich ab und zog eine weitere Schublade auf, die leer war wie die letzten zwanzig.
„Doch,“ beharrte Minty, während sie mich mit ihrem Blick zu durchbohren schien. „Er hat oft von dir gesprochen. Dass du immer die Verantwortung trägst, auch wenn du es nicht zugeben willst. Dass du mehr auf deinen Schultern trägst, als irgendjemand ahnt.“
Ich konnte nicht anders, als ein bitteres Lachen auszustoßen. „Das klingt nicht nach Rhun. Wir haben uns nie besonders verstanden, weißt du? Er war immer der Glänzende, der Perfekte. Der, der alles richtig macht. Und ich … na ja, ich bin eben ich.“
Minty verschränkte die Arme. „Vielleicht hast du ihn unterschätzt. Vielleicht hat er mehr für dich empfunden, als du dir vorstellen kannst.“
Ich drehte mich langsam zu ihr um, bereit, etwas Scharfes zu erwidern, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Sie sah mich an, ohne Spott, ohne Zweifel. Nur mit einer Art von Überzeugung, die mich nervöser machte, als ich zugeben wollte.
„Weißt du was?“ sagte ich schließlich und zuckte mit den Schultern. „Selbst wenn das wahr ist, bringt es uns jetzt auch nicht weiter. Rhun ist verschwunden. Das verdammte Buch ist auch weg. Und ich hab keine Ahnung, wie wir das alles wieder hinbiegen sollen.“
Minty schwieg einen Moment, dann sprach sie leise: „Vielleicht solltest du ihm vertrauen. Er hat nicht ohne Grund an dich geglaubt, Fips.“
Ich schnaubte erneut und wollte gerade etwas schnippisches sagen, aber stattdessen schüttelte ich nur den Kopf. Vertrauen … an mich glauben? Das klang wie eine Sache für Märchen, nicht für jemanden wie mich.
„Lass uns weitersuchen,“ murmelte ich und machte mich wieder an die Arbeit. Aber Mintys Worte ließen mich nicht los. Auch wenn ich mir das nie eingestehen würde.
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Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...