Die Tage nach ihrem Treffen im Park flogen an Sami vorbei wie ein wirbelnder Herbstwind. Es war, als hätte sich etwas in ihm bewegt, als würde sich ein lang verschlossener Raum ein Stück weit öffnen. Doch gleichzeitig war er sich auch der Fragilität dieser Veränderungen bewusst. Er wusste, dass es leicht war, sich in einem Moment der Nähe zu verlieren. Doch nach einem Schritt, würde er wieder zurückweichen. Trotzdem, die Erinnerungen an Nathan begleiteten Sami durch die Wochen. Seine ruhige Stimme, seine geduldige Nähe, sie fehlten ihm. Diese Gedanken hatten einen festen Platz in seinem Kopf. Sie waren immer da, im Hintergrund, aber sie fühlten sich nicht mehr bedrohlich an. Eher wie ein sanftes Ziehen, ein nicht greifbares Band zwischen ihnen.
Es war einer dieser späten Herbsttage. Der Regen prasselte gegen das Fenster. Das Café war nur spärlich besucht. Da stand Nathan vor der Tür. Die Luft draußen war kühl und feucht, und er schüttelte sich das Wasser von seinem Mantel, als er eintrat. Sami bemerkte ihn sofort, auch wenn er versuchte, sich nicht zu sehr auf ihn zu fixieren. Doch er konnte das vertraute Gefühl nicht leugnen. Es durchzuckte ihn, als Nathan ihm ein fast unmerkliches Lächeln schenkte. Das Lächeln legte sich wie ein Funken in Samis Bauch.
„Kann ich dir etwas bringen?", fragte Sami, als er Nathan begrüßte. Seine Stimme klang rauer, als er beabsichtigt hatte. Doch Nathan hörte es nicht, oder er tat zumindest so, als hätte er nichts bemerkt.
„Ich nehme den üblichen", sagte Nathan ruhig und ließ sich an einen Tisch in der Nähe des Fensters fallen. „Und... vielleicht ein Gespräch, wenn du Zeit hast."
Sami nickte, sein Herz schlug plötzlich schneller. Er drehte sich um und ging zum Tresen, doch jeder Schritt fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Etwas zwischen ihnen hatte sich verändert. Es war nicht nur das vertraute Lächeln oder Nathans Blick. Es war das Gefühl, dass der Abstand zwischen ihnen immer kleiner wurde. Er schien unbewusst die Grenze zu überschreiten, die Sami so lange gewahrt hatte.
Als Sami ihm den Kaffee brachte, setzte er sich ohne ein Wort an den Tisch. Er starrte auf den Dampf, der vom Becher aufstieg. Es war, als würde die Luft zwischen ihnen schwerer. Sie war von unausgesprochenen Gedanken und Gefühlen durchzogen.
„Was ist los?", fragte Nathan nach einer Weile, seine Stimme ruhig, aber bestimmt. „Du hast dich verändert, Sami. Etwas ist anders. Du bist nicht der gleiche, der du am Anfang warst."
Sami zögerte. Er wollte nicht zu viel preisgeben, wollte nicht zu weit gehen und sich zu sehr öffnen. Doch gleichzeitig war da ein Verlangen, eine unkontrollierbare Neugier. Sie trieben ihn, sich diesem Moment hinzugeben.
„Es ist komisch", sagte er schließlich, „ich weiß nicht, was es ist. Es fühlt sich an, als würde ich... als würde ich anfangen zu fühlen, und das ist nicht immer einfach."
Nathan beobachtete ihn still, seine Augen schienen durch Sami hindurchzusehen. „Ich verstehe das. Aber du musst wissen, du bist nicht allein mit diesen Gefühlen. Du hast nichts zu verlieren, wenn du mir vertraust."
Sami atmete tief ein, dann brach die Stille zwischen ihnen. Es war, als hätte Nathan eine unsichtbare Barriere durchbrochen. Etwas, das Sami so lange in Schach gehalten hatte. Diese Worte, einfach und dennoch so mächtig, ließen ihn zögern. Er war sich nicht sicher, ob er bereit war, sich dieser Nähe hinzugeben. Doch, da war auch etwas anderes. Etwas, das ihn drängte, sich selbst zu erlauben, zu fühlen.
„Ich habe Angst", flüsterte Sami, ohne es wirklich zu wollen. „Angst, dass alles, was wir hier haben, nur ein weiterer Moment ist. Dass ich in die gleiche Falle tappen werde, die mich schon so oft verletzt hat."
Nathan legte seine Hand auf den Tisch, ein kleiner, aber bedeutungsvoller Schritt näher zu ihm. „Ich werde dich nicht verletzen, Sami. Du hast mein Wort."
Und etwas in Samis Innerem brach, als er diesen Satz hörte. Er wusste, dass Nathan es nicht leichtfertig sagte. Dass es mehr war als nur ein Versprechen – es war eine Wahrheit, die zwischen ihnen stand. Langsam schob Sami seine Hand über den Tisch, ein unbewusster Schritt, ein Risiko. Nathan ergriff sie, und als ihre Finger sich berührten, war es, als hätte der Raum um sie herum den Atem angehalten.
Es war ein stilles Einverständnis, ein Moment, der alles zwischen ihnen veränderte. Sami fühlte das Ziehen in seiner Brust. Er wollte sich Nathan nähern, ihm zu öffnen. Doch die Panik zog ihn immer wieder zurück.
„Du bist nicht allein", wiederholte Nathan leise, und seine Stimme war wie ein warmer Hauch. „Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken."
Sami sah in Nathans Augen. Die Kälte in ihm schmolz langsam. Ein kleiner, brennender funke entflammte in ihm. Es war, als würde etwas in ihm aufbrechen, etwas, das er so lange unterdrückt hatte. Ein Gefühl von Wärme, von Nähe, dass er nicht hatte zulassen wollen.
Ohne zu wissen, wie es dazu kam, beugte sich Sami vor und legte seine Lippen zögerlich auf die von Nathan. Es war ein vorsichtiger Kuss, ein Test, ein Abtasten. Doch als ihre Lippen sich berührten, fühlte es sich an wie eine Explosion, die durch seinen ganzen Körper jagte.
Nathan zog ihn sanft näher, als ob er wissen würde, dass dies der Moment war, den Sami brauchte, um sich zu verlieren. Der Kuss vertiefte sich. Seine Hände fanden ihren Weg in Samis Haar. Für einen kurzen Augenblick existierte nur dieser Moment, nur die Wärme zwischen ihnen. Keine Zögerlichkeit, keine Angst. Nur der Drang, sich hinzugeben und zu fühlen.
Sami keuchte, als Nathan ihn noch fester zog. Seine Hand fand den Weg zu Nathans Schulter. Seine Finger verkrampften sich an seinem Mantel. Der Kuss wurde intensiver und leidenschaftlicher. Der Raum zwischen ihnen war plötzlich viel zu klein.
„Ich... ich kann nicht...", flüsterte Sami, als sie sich lösten. Atem holend, hob und senkte sich seine Brust schnell. Doch Nathan sah ihn nur an. Seine Augen waren tief und dunkel. Es war, als würde er etwas in Sami sehen, das dieser selbst noch nicht ganz verstand.
„Du musst nicht mehr", sagte Nathan leise. „Lass es einfach geschehen."
Sami sah ihn an, unsicher, doch auch von einem Verlangen erfüllt, das er nicht mehr zurückhalten konnte. Es war, als hätte Nathan einen Teil von ihm entfesselt, den er so lange in Ketten gehalten hatte.
„Ich habe Angst", flüsterte Sami, „aber ich will es trotzdem."
Nathan lächelte sanft und beugte sich wieder zu ihm. „Du musst nicht perfekt sein, Sami. Du musst nur hier sein."
Und in diesem Moment, als sich ihre Lippen erneut trafen, war alles andere vergessen. Die Welt um sie herum schien zu verschwinden. Sie verloren sich immer mehr in der Leidenschaft und Nähe.
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Whisper of the Scars
Romance⚠ Trigger Warnung ⚠ Diese Geschichte ist nichts für schwache Nerven. Sie entführt dich in die dunklen Abgründe der Seele, wo Schmerz, Sehnsucht und Angst ein gefährliches Spiel treiben. Inhalte, die dich triggern könnten: Tiefe emotionale Isolation...