Chaos

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Es war ein grauer Nachmittag, und Ju saß schon seit einer halben Stunde im Aufnahme Zimmer. Die Luft roch nach abgestandenem Kaffee, und das leise Summen der Technik war das Einzige, was die Stille durchbrach. Er hatte die Kapuze seines Hoodies tief ins Gesicht gezogen und starrte auf den Tisch vor sich, seine Hände rieben unruhig aneinander. 

Die Tür öffnete sich, und Rezo trat ein, eine Tüte mit Snacks in der einen Hand und sein Handy in der anderen. Er schob die Tür mit dem Fuß zu und warf Ju einen prüfenden Blick zu. "Ey, alles klar bei dir?" fragte er, während er sich auf seinen roten Sessel fallen ließ. Seine Stimme war ruhig, fast beiläufig, aber Ju konnte die Besorgnis dahinter hören. 

"Ja, klar. Bin nur ein bisschen durch heute", murmelte Ju und rieb sich weiter die Hände. Seine Fingernägel waren abgekaut – ein untrügliches Zeichen dafür, dass seine Gedanken sich mal wieder im Kreis drehten. 

Rezo legte das Handy zur Seite und lehnte sich nach vorne, die Ellbogen auf die Knie gestützt. "Du weißt, du kannst mit mir reden, oder? Ich meine... so richtig." 

Ju zuckte mit den Schultern. "Es ist nichts. Nur... keine Ahnung. Manchmal fühlt es sich an, als würde alles zu viel werden. Die Videos, der Podcast, das ganze... Leben." Er versuchte zu lächeln, aber es wirkte gezwungen. 

Rezo sah ihn aufmerksam an. "Ey, ich kenn das. Vielleicht nicht so krass wie bei dir, aber ich hab auch Tage, wo ich alles hinschmeißen will. Aber dann erinnere ich mich daran, warum ich das mache. Und daran, dass ich nicht allein bin." 

Ju hob den Blick und begegnete Rezos Augen. In dem Moment schien es, als wäre der Raum plötzlich stiller geworden, als ob die Welt innehielt, um ihnen einen Moment zu schenken. 

"Danke", flüsterte Ju schließlich. 

Rezo grinste. "Dafür bin ich doch da. Und außerdem – wenn du zusammenbrichst, wer soll dann bitte unsere Hörer mit deinem schlechten Humor quälen?" 

Ju lachte leise, und für einen Moment fühlte er sich tatsächlich leichter. 

Das Gespräch war nicht tiefgründig gewesen, aber es hatte etwas zwischen ihnen verändert. Ju konnte es nicht benennen, aber als sie kurz darauf die Aufnahme starteten, fühlte er sich, als ob er einen Anker gefunden hätte. Einen Menschen, der nicht nur die Scherze und die glänzende Oberfläche kannte, sondern auch bereit war, das Chaos dahinter auszuhalten. 

Und vielleicht, dachte Ju, während Rezo den ersten Witz ins Mikrofon machte, war das genau das, was er brauchte. Einen Grund, nicht aufzugeben. 

Die Aufnahme lief. Der Podcast war längst Routine – ein Mix aus absurden Themen, spontanen Witzen und diesen seltenen, fast unmerklichen Momenten, in denen einer von ihnen eine persönliche Wahrheit durchsickern ließ. Heute jedoch war Ju abwesender als sonst. Rezo bemerkte es sofort. Er trug die Unterhaltung wie gewohnt, doch sein Blick glitt immer wieder zu Ju hinüber, der mehr in sich selbst versunken war als sonst.

Als die Folge vorbei war, lehnte Ju sich im Sessel zurück und zog die Kapuze wieder über den Kopf. „War okay, oder?" fragte er leise, mehr an sich selbst als an Rezo.

Rezo, der gerade seinen Kopfhörer abnahm, hielt inne. „War okay? Ju, das war eine der Folgen, wo man uns hört und denkt: 'Die Typen sind komplett durch.' Also ja, war gut." Sein Ton war leicht, aber sein Blick blieb ernst. „Was ist los? Immer noch das Gleiche wie vorhin?"

Ju zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Es ist einfach... manchmal fühlt es sich an, als wäre ich in so einem riesigen Labyrinth. Egal, was ich mache, ich komme nicht raus. Videos schneiden, Podcast aufnehmen, irgendwas anderes – es hält mich beschäftigt, aber es hilft nicht wirklich."

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