Grausame Realität

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Pov Cassy

Die Tränen rannen meine Wangen hinab, und ich schrie in den Knebel, aber es brachte nichts. Zeke kümmerte es nicht. Oder vielleicht hörte er es einfach nicht – so tief war er in seinem Vorhaben versunken. 

Die Erde unter uns erzitterte wieder, diesmal länger, und das unheilvolle Grollen, das dabei erklang, ließ mein Herz in Panik rasen. Der Raum schien mit jeder Sekunde instabiler zu werden, die Wände flackerten wie Schatten, die gleich in der Dunkelheit verschwinden würden. 

Zeke hob seine Hand, und der Sand, der auf dem Boden verstreut lag, erhob sich wie auf unsichtbaren Befehl. Die Körner begannen langsam zu wirbeln, als wären sie lebendig, und dann immer schneller, bis sie einen goldenen, glitzernden Strudel um Zeke bildeten. Er war bald nicht mehr zu erkennen, verborgen hinter einem dichten Wirbel aus Sand. 

„Zeke! Hör auf!“ wollte ich rufen, aber der Knebel ließ mich nur erstickte Laute von mir geben. Mein Körper war in den Fesseln gefangen, und meine Wut mischte sich mit Verzweiflung. 

Dann hörte ich seine Stimme – ruhig, fast geflüstert, aber in meinem Kopf laut und klar: 

„Es gibt keinen anderen Weg, Cassy. Das Traumland braucht mich mehr als alles andere. Mehr als ich mich selbst.“ 

Der Strudel begann sich auszubreiten, die Sandkörner schossen in alle Richtungen, doch sie trafen mich nicht. Stattdessen umgaben sie den Raum und schienen ihn zu stabilisieren. Das Grollen wurde schwächer, und die zitternde Erde beruhigte sich für einen Augenblick. 

Zeke trat langsam aus dem Sand hervor, seine Silhouette war kaum mehr die eines Menschen. Seine Haut begann, golden zu leuchten, als wäre sie selbst zu Sand geworden. Die schwarzen Linien auf seinem Gesicht und seinen Händen leuchteten nun wie Risse in einer glühenden Wüste. 

„Was … tust du?“ flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass er mich nicht hören konnte. 

Zeke hob beide Arme, und der Sand gehorchte ihm wie ein lebendiger Organismus. Er formte sich zu einer riesigen Welle, die über uns schwebte, bereit, losgelassen zu werden. 

„Das Traumland ist mein Zuhause, meine Aufgabe,“ sagte Zeke, diesmal laut, und seine Stimme hallte wie ein Donner. „Es hat alles gegeben, und ich werde alles geben, um es zu retten.“ 

Die Welle stürzte nach vorne, nicht auf uns, sondern hinaus in die Dunkelheit, dorthin, wo die Wände der Hütte ins Nichts übergingen. Sie breitete sich aus wie ein leuchtender Ozean, und überall, wo sie auftraf, begannen die Risse und das Dunkle zu verschwinden. 

Doch mit jedem Sandkorn, das er gab, schien Zeke schwächer zu werden. Sein Leuchten wurde gedämpfter, sein Körper begann fast durchscheinend zu wirken, als wäre er selbst Teil des Sandes, der ihn verließ. 

„Nein!“ schrie ich erneut, zerrte an meinen Fesseln, aber es war vergebens. 

Azhar, der irgendwo im Hintergrund gewartet hatte, flog plötzlich an Zekes Schulter. „Das reicht, Wächter! Du gibst zu viel!“ rief der kleine Drache, aber Zeke schüttelte nur den Kopf. 

„Nicht genug, Azhar. Nicht genug.“ 

Die letzten Sandkörner lösten sich von seinem Körper, und schließlich sackte er auf die Knie. Das Grollen hatte aufgehört, das Traumland schien gerettet, doch Zeke … 

„Nein, nein, nein!“ dachte ich panisch, und in meiner Wut und Verzweiflung geschah etwas Seltsames. Die Fesseln lösten sich plötzlich, und der Knebel fiel von meinen Lippen. Ohne nachzudenken, stürzte ich zu ihm, griff nach seinen Händen – doch sie fühlten sich an, als würde ich in Sand greifen. 

Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt