Wir erreichten endlich die Traumstadt. Hier, am Rand der Stadt, waren die Straßen leer und still, beinahe gespenstisch. Es war ein seltsamer Kontrast zu den wirbelnden Gedanken und der Anspannung, die sich in mir aufgestaut hatten.
„Ich versuche, Klaus zu erreichen,“ sagte Rhun plötzlich und entfernte sich in Richtung einer kleinen Seitenstraße. Seine Schritte verklangen schnell, und mit ihm verschwand auch der einzige Puffer zwischen Zeke und mir.
Eine unangenehme Stille breitete sich aus, dick und schwer wie Nebel. Zeke lehnte sich lässig gegen eine Häuserwand, seine Haltung betont entspannt.
„Ich dachte tatsächlich, deine Wut auf mich würde länger anhalten,“ sagte er schließlich, ohne mich anzusehen.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn kalt. „Du denkst, sie wäre vorbei?“
Er richtete seinen Blick auf mich, und für einen Moment blitzte echte Verwunderung in seinen Augen auf. „Ist sie nicht?“
Ich ballte die Hände zu Fäusten, spürte die Anspannung in meinem ganzen Körper. „Du hast mir einen Freund genommen und denkst, ich sei nicht mehr wütend?“
Er schnaubte und zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts. „Er war ein Traum. Träume können keine Freunde sein. Du solltest deine menschlichen Gefühle besser im Griff haben, um nicht diesen Frauenklischees nachzugehen.“
„Frauenklischees?“ Ich trat einen Schritt näher, meine Stimme schneidend wie eine Klinge.
„Ja, dieses Hormonding,“ sagte er trocken. „Ich meine, du heulst einem Haufen Sand hinterher. Ist das nicht ein bisschen... übertrieben?“
Mein Atem stockte vor Wut. Ohne nachzudenken, holte ich aus, bereit, ihm eine Ohrfeige zu verpassen, wie schon einmal. Doch diesmal war Zeke schneller. Bevor meine Hand ihn erreichen konnte, schoss sein Arm nach oben und packte mein Handgelenk mit einem eisernen Griff.
Mit einer fließenden Bewegung drehte er uns herum, und ehe ich mich versah, spürte ich die kalte, raue Oberfläche der Hauswand an meinem Rücken. Er drückte meinen Arm über meinen Kopf, seine Finger umschlossen mein Handgelenk wie ein Schraubstock.
„Hör auf, mich zu schlagen, und erst recht hier, vor meinen Träumen,“ zischte er, sein Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.
Ich wand mich in seinem Griff, versuchte, meine Hand zu befreien, doch er hielt nur noch fester. „Ich gehe nur dem nach, was meine Hormone mir sagen,“ fauchte ich. „Was willst du also dagegen tun?“
Sein Grinsen wurde breiter, gefährlicher. „Was ich dagegen tun will?“ murmelte er, während seine freie Hand langsam meinen Hals hinauf wanderte. Seine Finger strichen sanft über meine Haut, eine Berührung, die im krassen Widerspruch zu seiner aggressiven Haltung stand.
Seine Stimme war leise, beinahe ein Flüstern, und seine Worte ließen eine Gänsehaut über meinen Körper laufen. „Ich tue alles, um hier die Oberhand zu behalten. Wenn die Träume sehen, dass ein Mensch sich traut, mir gegenüber so aufzutreten, wäre das reinste Chaos los. Und sag mir, Cassy, was sind Menschen ohne Träume?“
Ich wollte antworten, wollte etwas sagen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Seine Nähe, seine Berührungen – es war alles zu viel. Es irritierte mich, wie ruhig und kontrolliert er wirkte, während ich innerlich kochte.
Er beugte sich näher zu meinem Ohr, und seine Hand wanderte von meinem Hals weg. Dafür spürte ich jetzt seinen Körper dicht an meinem, jede Bewegung seiner Muskeln, jede Nuance seiner Atmung.
„Ich wäre ohne meine Träume nichts,“ flüsterte er, und seine Stimme war jetzt so weich, dass sie fast wie ein Geheimnis klang. „Und der liebste Traum, der mich heimsucht, ist der, in dem ich deine Hände an meinem Körper spüre. Und daran bist du allein schuld.“
Ich schloss die Augen und spürte, wie Hitze in meinen Wangen aufstieg. Seine Worte trafen genau den Punkt, an den ich nicht zurückdenken wollte – als ich ihn geholt hatte, weil das Traumland drohte auseinander zu brechen hatte er schon einmal eine solche Anspielung gemacht. Nachdem ich ihn abgetastet hatte, auf der Suche nach seinen Händen.
Zeke trat einen Schritt zurück, sein Grinsen zufrieden.
„Hast du dein Vorspiel jetzt beendet?“
Ich blinzelte, um Rhun zu sehen, der genervt die Arme verschränkt hatte. Er sah Zeke mit einer Mischung aus Geduld und Ermahnung an.
„Ich hatte gerade meinen Spaß,“ antwortete Zeke leichthin und wandte sich ab, als sei nichts gewesen. „Gehen wir?“
Ich atmete tief durch und folgte ihm, obwohl ich wusste, dass diese Welt mit jedem Schritt gefährlicher wurde – nicht wegen der Maskenmänner, sondern wegen Zeke selbst.
Rhun bot mir erneut seinen Arm an, und ohne nachzudenken, hakte ich mich bei ihm ein. Seine Ruhe war ein Anker in dieser seltsamen Welt, in der nichts sicher schien – am wenigsten ich selbst.
„Alles in Ordnung?“ fragte er und warf mir einen kurzen, prüfenden Blick zu.
„Ja,“ antwortete ich schnell, zu schnell vielleicht, aber ich hoffte, er würde es nicht hinterfragen.
Rhun schmunzelte und ließ die Stille für einen Moment wirken, bevor er leise sagte: „Er war nicht immer so.“
Ich drehte mich leicht zu ihm um, überrascht von der plötzlichen Bemerkung. „Was meinst du?“
„So kontrollsüchtig,“ erklärte er, seine Stimme voller Nachdenken. „Eigentlich war ich immer sein Vorbild.“ Ein verschmitztes Grinsen zog sich über seine Lippen, als er diese Worte aussprach, voller offensichtlicher Selbstzufriedenheit.
Ich folgte seinem Blick, der auf Zeke ruhte, der ein Stück vor uns lief, lässig, beinahe zu lässig. Dann sah ich wieder zu Rhun und konnte nicht anders, als die Frage zu stellen, die mir auf der Zunge brannte. „Ach ja? Drückst du Frauen auch einfach so an Hauswände?“
Sofort bereute ich meine Worte. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, und wünschte mir, ich hätte den Mund gehalten.
Rhun lachte leise, ein tiefer, warmer Klang, der mir einen Schauer über den Rücken jagte. „Einfach so? Nein,“ antwortete er, und sein Tonfall war so entspannt, dass ich beinahe dachte, ich käme ungeschoren davon.
Dann sah er mich mit einem Funkeln in den Augen an. „Aber ich bezweifle, dass es bei Zeke einfach so war.“ Er machte eine kurze Pause, als wolle er sicherstellen, dass ich ihm zuhörte. „Wenn wir Fips gefunden haben, ergibt sich ja vielleicht mal der passende Anlass dazu.“
Und dann zwinkerte er mir zu.
Ich spürte, wie mein Herzschlag schneller wurde, und wandte schnell den Blick ab. Mein Fokus landete auf dem Sandsteinboden vor mir, der mir plötzlich das sicherste Ziel erschien. Die leise Hitze, die sich in meinem Gesicht ausbreitete, ließ sich nicht ignorieren.
Rhun und Zeke verlangten mir so einiges ab – und zwar auf einer Art und Weise, die mich gleichzeitig reizte und verwirrte. Da war eine ständige Spannung, ein Spiel, das ich nicht ganz verstand, aber das dennoch eine seltsame Faszination auf mich ausübte.
Fips hatte wahrscheinlich gewusst, was auf mich zukam, und mich deshalb immer von den beiden fernzuhalten versucht. Jetzt wurde mir klar, dass er ihre Spiele wahrscheinlich kannte und mich nur davor schützen wollte.
Zeke drehte sich kurz zu uns um, seine Augen blitzten wie die eines Raubtiers. „Wollt ihr da hinten trödeln, oder schaffen wir es heute noch?“
Rhun schmunzelte, ohne zu antworten, und ich sah nur starr zu Boden, bevor ich schließlich leise murmelte: „Ich hasse diese Welt.“
Aber die Wahrheit war: Ich hasste sie nicht – ich hasste, wie sie mich fühlen ließ.
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Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...