Kapitel 29 - hey Mom

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„Hey, Mom.“ Meine Stimme klang müde, als ich den Anruf entgegennahm.
Am anderen Ende erklang sofort ihre vertraute, warme Stimme, gefüllt mit Fürsorge. „Wie geht es dir, mein Liebling?“

Ich seufzte schwer, meine Schultern sanken ein wenig, und ich strich mir mit einer Hand über das Gesicht. „Es geht so“, gab ich leise zurück. Einen Moment lang zögerte ich, die Worte formten sich in meinem Kopf, doch das Aussprechen fiel schwer. „Megan und ich…“ Ich hielt inne, fühlte den Druck in meiner Brust steigen. „Wir haben uns getrennt.“

Am anderen Ende herrschte für einen Augenblick Stille, nur das leise Rauschen der Leitung war zu hören. Dann kam ihre Antwort, sorgenvoll und voller Mitgefühl: „Oh, mein Schatz. Wieso das denn?“

Ich schluckte hart, und meine Finger zitterten leicht, als ich das Handy fester hielt. „Sie…“ Ich schloss kurz die Augen, suchte nach Kraft. „Sie hat mich geschlagen, Mom.“ Die Worte fühlten sich schwer und unfassbar an, selbst jetzt, wo ich sie aussprach.

Ein scharfer Atemzug war die erste Antwort. „Oh mein Gott…“ Ihre Stimme zitterte vor Entsetzen und Schmerz. „Geht es dir gut, Liebling? Bist du verletzt?“

„Ja… ja, mir geht es gut“, sagte ich, obwohl die Worte hohl klangen, selbst für mich.

„Wo bist du jetzt?“ Ihre Stimme wurde drängender. „Bitte sag mir, dass du nicht mehr bei ihr bist. Du bist doch zu Lisa gegangen, oder?“

Ich schüttelte unwillkürlich den Kopf, obwohl sie das natürlich nicht sehen konnte. „Nein, Mom, ich bin nicht bei ihr“, sagte ich leise. Ich hielt inne, spürte, wie sich mein Magen bei dem nächsten Geständnis zusammenzog. „Ich bin aber auch nicht bei Lisa.“

„Wo bist du dann?“ fragte sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Ungeduld.

„Ich bin bei Mona“, gestand ich schließlich.

„Wann lerne ich sie kennen?“ Die Frage kam so unerwartet, dass ich einen Moment lang einfach nur schweigend dastand, das Handy in der Hand, unfähig, etwas zu sagen.

Ich seufzte schließlich tief und schüttelte den Kopf, als könnte sie das sehen. „Mom…“ Meine Stimme war ein leises, genervtes Mahnen, das mehr sagen sollte, als ich in Worte fassen konnte.

Am anderen Ende der Leitung erklang ein herzhaftes Lachen, das so typisch für sie war. Diese Art Lachen, das aus tiefstem Herzen kam und es schaffte, selbst in den schwersten Momenten Licht zu bringen. „Ich mach doch nur Spaß, Liebling“, sagte sie, ihre Stimme weicher jetzt, fast entschuldigend.

Trotzdem ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten, als könnte ich irgendwo eine Antwort finden, die all das einfacher machte. „Es ist einfach... kompliziert“, murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu ihr.

„Ich weiß, Schatz“, sagte sie schließlich, und ihre Stimme hatte diesen verständnisvollen Ton, der mir gleichzeitig Trost und das Gefühl gab, dass ich doch noch irgendwie alles erklären müsste. „Aber egal, wie kompliziert es ist – du bist nicht allein. Das weißt du, oder?“flötete sie in einem Ton, der so leicht und unbeschwert klang, dass es fast fehl am Platz wirkte.

Ich presste die Lippen aufeinander, unsicher, wie ich darauf reagieren sollte. Ihre Worte klangen wie ein Angebot, als wäre alles so einfach, als könnte ein Besuch jede Komplexität der Situation lösen. „Mom…“, begann ich schließlich, aber meine Stimme klang brüchig, und ich verstummte wieder.

„Nein, wirklich! Ich meine das ernst! Es wäre so schön, euch beide hier zu haben und sie kennenzulernen“, fuhr sie fort und ich konnte mir genau vorstellen, wie sie jetzt das Handy in der einen Hand hielt und mit der anderen wild gestikulierte, ganz in ihrem Element.

...

Ich trat aus meinem Zimmer, noch halb verschlafen, und sofort stieg mir der vertraute Duft von frischem Kaffee in die Nase. Es war beruhigend und irgendwie einladend. Während ich mir die Augen rieb, schlurfte ich den Flur entlang bis zur Küche.

Dort stand Mona. Sie hatte sich vor den Herd gestellt und rührte konzentriert in einer Pfanne. Ihr Rücken war gerade, ihre Bewegungen ruhig, fast schon routiniert. Aber was mich innehalten ließ, war ihr Anblick. Sie trug ihren Anzug, der perfekt an ihr saß, als wäre er für sie maßgeschneidert worden. Sie sah einfach umwerfend aus. Ich schluckte schwer, spürte, wie meine Gedanken in eine gefährliche Richtung abzudriften drohten. Mein Blick wanderte an ihr hinunter und ein Teil von mir – ein viel zu lauter Teil – stellte sich vor, wie es wäre, diesen Anzug von ihr auszuziehen.

Ich schüttelte den Kopf, fast ärgerlich über mich selbst, und zwang meine Gedanken zurück in die Realität.

„Ah, du bist wach!“ Monas Stimme riss mich aus meinem Tagtraum. Sie war rau, tiefer als sonst, und ich konnte hören, dass sie selbst wohl auch erst vor Kurzem aufgestanden war. Trotzdem lächelte sie, und das Lächeln ließ ihren ernsten Ausdruck etwas weicher wirken. „Ich habe uns Frühstück gemacht.“

Ich nickte nur, noch nicht ganz in der Lage, etwas zu sagen, und ließ mich auf einen der Stühle am Tisch sinken. Kaum hatte ich mich hingesetzt, reichte Mona mir eine dampfende Tasse Kaffee, die sie mit einer geübten Bewegung auf den Tisch stellte. Sie folgte mit einem Teller Rührei, den sie vor mir platzierte.

„Danke“, murmelte ich, meine Finger um die warme Tasse legend, während mein Blick kurz zu ihr wanderte. Sie sah so souverän und gleichzeitig so entspannt aus, als wäre das hier das Normalste der Welt.

Doch in meinem Kopf war nichts normal. Meine Gedanken schweiften zurück zu dem Telefonat mit meiner Mutter am Abend zuvor. Ihre Worte hallten noch immer in meinem Kopf, und ich wusste, dass ich das Thema ansprechen musste, auch wenn es mir schwerfiel, da ich nicht wusste wie Mona darauf reagieren würde.

Ich hob den Blick, sah Mona an, die inzwischen an ihrer eigenen Tasse nippte und sich dann wieder der Pfanne zuwandte. „Mona?“, sagte ich, meine Stimme leiser, als ich es beabsichtigt hatte.

Sie drehte sich zu mir um, eine Augenbraue leicht angehoben, als wollte sie fragen, worum es ging. „Hm?“

Ich räusperte mich, unsicher, wie ich es formulieren sollte. „Meine Mom… sie würde dich gerne kennenlernen.“

Einen Moment lang hielt sie inne, die Pfanne in ihrer Hand. Ihr Blick wurde nachdenklich, als würde sie die Worte in ihrem Kopf hin und her bewegen, bevor sie langsam ein kleines Lächeln aufsetzte. „Wirklich?“ fragte sie schließlich, ihre Stimme jetzt weicher.

Ich nickte, meine Finger spielten nervös am Henkel der Tasse. „Ja. Sie… sie hat gefragt, wann sie dich treffen kann.“

Mona lehnte sich gegen die Arbeitsplatte, ihre Arme vor der Brust verschränkt. Ein Ausdruck, den ich nicht ganz deuten konnte, huschte über ihr Gesicht. Aber dann nickte sie, fast so, als hätte sie gerade eine Entscheidung getroffen. „Na gut“, sagte sie schließlich, ihr Lächeln wurde etwas breiter. „Dann sollten wir das wohl irgendwann einrichten.“

Obwohl ihre Antwort so einfach und unkompliziert war, spürte ich ein seltsames Flattern in meiner Brust. Es war nicht nur die Erleichterung, dass sie zugestimmt hatte, sondern auch etwas anderes – etwas, das ich noch nicht ganz greifen konnte.

Die Professorin- Grenze Der MachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt