„Was tust du da?“
Rhun. Natürlich war er es. Seine Stimme, schwer vor Misstrauen, drang wie ein störendes Summen in meine Gedanken. Ich konnte ihn in der physischen Welt hinter mir stehen fühlen, konnte die Spannung in seiner Haltung spüren. Seine Unfähigkeit, die feinen Traumfäden zu sehen, machte ihn nervös, und er hasste es, wenn er nicht alles unter Kontrolle hatte.
„Ich beobachte,“ antwortete ich leise, ohne mich umzudrehen. Meine Augen wanderten weiter durch den Raum in Cassys Traum, über die gemalten Bilder an der Wand. Kindliche Kritzeleien, die nichts Besonderes zu sein schienen – außer einem kleinen, aber auffälligen Detail: Keine Sonne war darauf zu sehen. Nur Sterne. Sterne und ein Mond, die den Himmel jeder Zeichnung dominierten.
Unwillkürlich spürte ich, wie sich etwas in mir regte. Eine Erinnerung, die ich mit jeder Faser meines Wesens verdrängt hatte. Sterne und Mond. Die ewige Dunkelheit.
„Ich hoffe, dass du nur das tust,“ sagte Rhun und legte eine Hand auf meine Schulter.„Nur beobachten,“ murmelte ich, doch ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ohne ihn zu fragen, ließ ich die Traumfäden über seine Hand kriechen. Ihre Berührung war warm und lebendig, wie kleine elektrische Impulse, die sich sofort um ihn legten.
„Was soll das?“ fragte er scharf, aber da war es bereits zu spät. Die Fäden zogen ihn mit einem kräftigen Ruck hinein, direkt zu mir in Cassys Traum.
Rhun erschien neben mir und starrte irritiert auf die Szene vor uns: das Krankenhauszimmer, Cassy, ihre Mutter. Die Frau hielt Cassys kleine Hand fest, während Tränen ihre Wangen hinunterliefen.
„Sieh dir das an,“ flüsterte ich und deutete auf die Bilder an den Wänden.
Rhun betrachtete sie flüchtig und verschränkte die Arme. „Sie ist nicht Da Vinci, Zeke. Und?“
Ich warf ihm einen genervten Blick zu. „Sieh genauer hin.“
„Sie mag Sterne malen,“ sagte er trocken, ohne auch nur einen Hauch von Interesse. „Großartig. Können wir jetzt gehen? Wir sollten nicht hier sein.“
Ich biss die Zähne zusammen. „Ach, vergiss es.“
Ich ließ die Traumfäden abrupt los, ließ sie uns beide aus dem Traum werfen, ohne eine weitere Erklärung. Es war, als würde ein unsichtbarer Sog uns zurück in die Realität reißen, und die Bewegung war so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor.
Der Sturz war so schnell und chaotisch, dass ich erst begriff, was geschah, als ich bereits fiel. Mein Rücken krachte gegen etwas Festes – Rhun, natürlich, der hinter mir gestanden hatte. Seine Reflexe reichten nicht aus, um auszuweichen, und so landete ich mit einem schmerzhaften Geräusch direkt auf ihm.
„Verdammt, Zeke!“ knurrte er wütend.
„Hey, du hast mich nicht aufgefangen,“ konterte ich, während ich versuchte, mich aufzurappeln.
Bevor er antworten konnte, hörte ich ein Kichern. Ich blickte hoch und sah Cassy, wie sie sich amüsiert über den Rand ihres Bettes lehnte. Ihr Haar war zerzaust vom Schlaf, und ihre Augen funkelten vor Belustigung.
„Macht ihr das öfter?“ fragte sie grinsend.
„Absolut,“ murmelte ich und richtete mich endlich auf. „Wir nennen das Teamarbeit.“
Rhun sah mich an, seine Augen schmal vor Zorn. „Wenn du mich nochmal in einen Traum ziehst, ohne es zu sagen, schwöre ich dir–“
„Schon gut, schon gut,“ unterbrach ich ihn und hielt abwehrend die Hände hoch. „Ich dachte, du würdest es interessant finden.“
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Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...