Endlose Zeit

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Die Zeit auf der Insel zog sich wie Kaugummi. Die Sonne wanderte am Himmel, das Meer rauschte monoton, und der feine Sand schien endlos zu sein. Ich hatte das Gefühl, dass wir schon seit Wochen hier waren, obwohl es wohl nur Tage gewesen sein konnten.

Rhun und ich hatten nichts zu tun, außer zuzusehen, wie Fips versuchte, sich die Zeit zu vertreiben. Er baute Sandburgen mit bemerkenswerter Geduld, nur um sie dann in einem plötzlichen Anfall von Frustration wieder einzureißen. Einmal wagte er sogar einen Versuch, ins offene Meer zu schwimmen – eine Unternehmung, die kläglich scheiterte, als die Wellen ihn gnadenlos zurück ans Ufer spülten.

Es tat mir weh, ihn so zu sehen, auch wenn er nie zugeben würde, wie schlecht es ihm ging. Doch Rhun war unnachgiebig, als ich wieder und wieder darum bat, etwas zu tun.

„Bist du dir denn sicher, dass überhaupt etwas passieren wird, das uns weiterbringt?" fragte ich seufzend und wandte den Blick von Fips, der sich gerade mit einem neugierigen Krebs unterhielt.

Rhun, der wie eine Statue dastand, den Blick unbeirrt auf Fips gerichtet, antwortete mit der gleichen Beharrlichkeit wie jedes Mal: „Irgendetwas wird uns weiterhelfen."

„Das sagst du immer," murrte ich und ließ eine Handvoll Sand durch meine Finger rieseln. „Aber alles, was bis jetzt passiert ist, wussten wir schon aus seinen Erzählungen."

Rhun schwieg. Natürlich.

„Und was, wenn nichts passiert? Was, wenn wir hier festsitzen, bis wir alt und grau sind? Wir könnten wenigstens Fips fragen, aber nein, das geht ja nicht, weil dieser Fips keine Ahnung hat, was sein Zukunfts-Ich durchgemacht hat."

„Wir können ihn nicht fragen," sagte Rhun ruhig, als hätte er diesen Satz schon hundertmal gesagt. Vielleicht hatte er das auch. „Sein Wissen aus der Zukunft würde diese Zeitlinie beeinflussen. Das ist zu riskant."

„Warum sind wir dann nicht einfach zu unserem Fips gereist?" Ich ließ mich in den Sand sinken, völlig entnervt von seiner stoischen Haltung.

„Das ist nicht so einfach möglich." Rhuns Stimme blieb ruhig, aber ich bemerkte eine winzige Spur von Geduld, die anfing zu reißen. „Um zu reisen, brauche ich den Ort, an dem er ist. Und da wir nicht wissen, wo unser Fips sich befindet..."

„Versauern wir hier auf dieser Insel, schon klar," unterbrach ich ihn gereizt und warf meine Arme in die Luft.

Ich ließ mich nach hinten fallen und starrte in den blauen Himmel. Die Wolken zogen gemächlich vorbei, als ob sie selbst keine Eile hatten. Die Sonne war warm auf meiner Haut, aber der Reiz dieser tropischen Idylle war längst verblasst.

Es war langweilig. Sterbenslangweilig.

„Rhun," begann ich erneut und hob den Kopf, um ihn anzusehen, „wir können doch nicht einfach hier sitzen und darauf warten, dass etwas passiert. Wir verschwenden Zeit!"

„Zeit ist relativ," antwortete Rhun, ohne den Blick von Fips abzuwenden.

Ich hätte schreien können. Stattdessen ließ ich mich wieder in den Sand sinken und schloss die Augen. Vielleicht, wenn ich lange genug still blieb, würde sich die Zeit schneller anfühlen.

In der Ferne hörte ich Fips lachen. Offenbar hatte der Krebs, mit dem er sich unterhielt, ihn auf irgendeine Weise erheitert.

„Er wird nicht lange lachen," murmelte Rhun plötzlich, und seine Stimme klang merkwürdig bitter.

Ich richtete mich auf und starrte ihn an. „Was meinst du damit?"

Rhun antwortete nicht. Stattdessen verschränkte er die Arme vor der Brust und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Fips.

Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt