Zwischen Ewigkeiten

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Wir saßen noch immer so da, mein Kopf ruhte auf seiner Schulter, während die Wellen leise gegen den Strand rollten. Meine Gedanken kreisten um das, was Rhun mir erzählt hatte, und auch das, was er nicht ausgesprochen hatte. Diese Brüder, die so mächtig und unantastbar schienen, waren durch etwas gezeichnet worden, das sie über Jahrhunderte hinweg geprägt hatte.

„Wie alt seid ihr eigentlich?" fragte ich schließlich, meine Neugier stärker als die Sorge, ihn mit meiner Frage zu bedrängen.

„Zu alt, schätze ich," seufzte Rhun. Seine Stimme war tief und klang beinahe müde, als trüge er eine Last, die zu schwer war, um sie jemals abzulegen.

„Du warst mit Fips bei Klaus gewesen, oder?" fragte er nach einem Moment der Stille.

„Ja, ganz am Anfang," bestätigte ich.

„Zu der Zeit waren wir einst Kinder," sagte Rhun, seine Worte schienen von irgendwo weit weg zu kommen, aus einer Zeit, die so lange vergangen war, dass sie beinahe unwirklich wirkte.

Ich hob den Kopf und sah ihn an, meine Augen weiteten sich leicht. „Dann seid ihr ja mehr als 500 Jahre alt!"

„Wenn du das so sagst, klingt das erschreckend alt," sagte er mit einem Hauch von Lächeln, das jedoch nur kurz auf seinen Lippen verweilte.

„Und wie alt bist du?" fragte er zurück, wobei er mich mit seinen durchdringenden Augen ansah.

„26," antwortete ich fast zaghaft. Neben seinem Alter klang das wie ein Wimpernschlag, kaum der Rede wert.

„Für 26 finde ich es aber ziemlich überraschend, wie gut du das hier alles meisterst," sagte er, und seine Worte klangen aufrichtig, warm, als wären sie ein seltener Moment von Lob aus seinem Mund.

Ich spürte, wie meine Wangen sich leicht erhitzten, überrascht von seinem Kompliment. „Ich hab ja keine andere Wahl, oder?" antwortete ich mit einem schiefen Lächeln.

„Vielleicht nicht, aber nicht jeder hätte es so weit geschafft," erwiderte er leise. Seine Worte ließen eine angenehme Stille zurück, die sich über uns legte, während ich meinen Kopf wieder an seine Schulter lehnte.

Es war seltsam beruhigend, wie sich die Ewigkeit in diesem Moment anzufühlen schien. Als hätte sich die Zeit für uns einen Augenblick lang aufgehalten. Ein Moment, der sich wie ein winziger Anker anfühlte, mitten in einem Meer aus Ungewissheit.

„Wer ist das?" fragte Rhun plötzlich. Seine Stimme war ruhig, aber seine Haltung veränderte sich in einem Augenblick – kontrolliert, wachsam, beinahe bedrohlich. Ich hob den Kopf und folgte seinem Blick.

Fips saß seelenruhig im Sand und bemalte Eier, wo auch immer er die her hatte. Doch dann bemerkte ich es auch: Eine Gestalt, die sich ihm näherte, langsam und kontrolliert.

Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und mein Herz setzte kurz aus. „Ich kenne den Mann," flüsterte ich, während ich mich ebenfalls aufrichtete.

Der Fremde trug schwarze, enganliegende Kleidung, sein Gesicht war hinter dunklen Stoffbinden verborgen. Er bewegte sich mit einer unheimlichen Leichtigkeit durch den Sand, wie ein Schatten, der lebendig geworden war.

„Wer bist denn du?" fragte Fips nun und sah den Fremden neugierig an, als wäre er ein Besucher auf einem lustigen Jahrmarkt.

„Ein alter Freund," antwortete der Fremde. Seine Stimme war ruhig, ein gefährlicher Kontrast zur Spannung in seiner Haltung. „Und wie ich sehe, brauchst du Hilfe."

Fips lachte laut auf, winkte ab und hielt eines seiner bemalten Eier hoch. „Hilfe? Pah, die Eier schaff ich schon allein anzumalen!"

„Ich spreche davon, von dieser Insel zu entfliehen," entgegnete der Fremde.

Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt