Ich saß in der Küche, die Hände um eine dampfende Tasse Tee geklammert, während ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Zeke lag immer noch im Bett, blass wie ein Geist, und die roten Striemen an seinem Hals waren ein stummer Zeuge dessen, was auch immer ihn beinahe das Leben gekostet hatte.
Azhar saß neben mir, ruhig wie immer, aber ich merkte an seinem gelegentlichen Flügelschlag, dass auch er nervös war. Auf der anderen Seite des Tisches hockte die kleine Drachendame, deren goldrosafarbene Schuppen im Licht funkelten, als wären sie aus Metall. Sie musterte mich mit durchdringenden Augen, die Intelligenz und, ja, eine gewisse Strenge ausstrahlten.
„Ich bin Azharanil von Eryndor, und das hier ist Cassy,“ stellte Azhar uns schließlich vor und verbeugte sich in einer fließenden Bewegung.
Die Drachenlady hob stolz den Kopf und erwiderte kühl: „Seraphine Aeloria von Lumineth.“ Dann verbeugte sie sich ebenfalls, bevor sie mich mit einem funkensprühenden Blick bedachte.
„Cassy ist ein Mensch und nicht mit unseren Gegebenheiten vertraut,“ fügte Azhar schnell hinzu, bevor Seraphine etwas sagen konnte, was mich wahrscheinlich hätte rot werden lassen. Er stupste mich leicht an. „Verbeug dich.“
Ich zögerte, folgte aber seinem Rat und neigte mich leicht vor, unsicher, ob ich es richtig machte. Irgendwie fühlte ich mich, als würde ich an einer höfischen Zeremonie teilnehmen, auf die ich nicht vorbereitet war.
Seraphine warf mir einen abschätzenden Blick zu, dann wandte sie sich wieder Azhar zu. „Du kannst mich auch Azhar nennen,“ sagte Azhar mit einem warmen Lächeln und streckte ihr freundlich seine Pfote hin.
Doch Seraphine ignorierte ihn völlig, woraufhin seine Pfote wieder traurig auf den Tisch sank.
„Sagt mir, Mensch,“ begann sie, und ihre Stimme war wie scharfes Glas, „wie habt ihr den Armreif abbekommen?“
Ich schluckte. „Ich … ich habe einfach daran gezogen. Er ist über Zekes Hand gerutscht und … abgegangen.“
Seraphine schnaubte. „Das hätte nicht passieren dürfen.“
Azhar hob eine Augenbraue. „Und warum nicht? Was macht diesen Armreif so besonders?“
„Nur Rhun hätte dieses Armband lösen können,“ erklärte Seraphine mit Nachdruck.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus. „Und … was, wenn Rhun tot wäre?“ wagte ich zu fragen, auch wenn die Worte schwer auf meiner Zunge lagen.
„Unmöglich!“ antwortete Seraphine sofort.
„Ausgeschlossen, dass der Armreif sich dann lösen würde,“ fügte Azhar hinzu.
„Und doch ist es geschehen,“ sagte Seraphine, und in ihrem Blick lag etwas Unbestimmtes, das ich nicht einordnen konnte – Sorge? Wut? Angst?
„Geht von Zeke wirklich so eine große Gefahr aus?“ platzte ich schließlich heraus, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Seraphine und Azhar wechselten einen Blick, der Bände sprach, bevor Azhar antwortete. „Rhun hat nicht ohne Grund so gehandelt und ihm diese … diese Qual angelegt.“
„Was für eine Qual?“ fragte ich vorsichtig.
„Der Armreif,“ begann Seraphine mit fester Stimme, „war nicht nur eine Einschränkung seiner Magie. Er war eine Bestrafung. Jedes Mal, wenn Zeke auch nur darüber nachgedacht hat, die ihm verbotene Magie zu nutzen, hat sich sein Körper angefühlt, als würde er verbrennen.“
Ich starrte sie entsetzt an. „Aber das … das ist doch unmenschlich!“
„Zeke ist kein Mensch,“ erwiderte Seraphine kühl.
„Das rechtfertigt so etwas trotzdem nicht!“ protestierte ich. Die Vorstellung, dass Rhun, der für mich immer wie der Fels in der Brandung gewirkt hatte, seinem eigenen Bruder so etwas antun konnte, ließ mich erschaudern.
Azhar legte mir beruhigend eine Pfote auf die Schulter. „Rhun hatte seine Gründe, Cassy. Zeke hat Dinge getan, die … Konsequenzen hatten. Dinge, die wir vielleicht nicht verstehen.“
Ich biss mir auf die Lippe. Was für ein Leben hatte er geführt, dass so etwas nötig gewesen war? Und was bedeutete es jetzt, dass der Armreif entfernt war?
Seraphine musterte mich, als hätte sie meine Gedanken erraten. „Der Armreif war nicht nur ein Siegel,“ sagte sie leise. „Er war ein Schutz – für ihn und für die Welt. Ohne ihn ist Zeke … unberechenbar.“
Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Was hatte ich getan?
„Mach dir keine Vorwürfe, Cassy. Es ist nicht deine Schuld. Um etwas so Mächtiges zu brechen, bist du viel zu schwach,“ sagte Azhar sanft und legte seine warme Pfote auf meine Hand.
Ich konnte nicht anders, als leicht zu schmunzeln, auch wenn die Situation alles andere als lustig war. „Danke, Azhar. Ich weiß nicht, ob ich mich jetzt besser oder beleidigt fühlen soll.“
Azhar lächelte nur, doch meine Gedanken kreisten weiter. „Aber was genau passiert jetzt, wo er das Armband nicht mehr trägt?“
Seraphine schnaubte leise, ihre kleinen Flügel bewegten sich unruhig. „Erst einmal nichts. Es dauert, bis die volle Macht wieder durch seine Adern fließt. Doch ab dann …“ Sie hielt kurz inne, bevor sie weitersprach. „Ab dann wird das niemand genau vorhersagen können. Deswegen will Zeke auch von hier weg. Er wird sich vor sich selbst fürchten. Vor allem jetzt, wo keiner seiner Brüder da sein wird.“
Ihre Worte ließen mich erschaudern. Plötzlich ergab es Sinn, warum Rhun und Klaus Zeke immer wie einen Welpen behandelt hatten – ein gefährliches, unberechenbares Wesen, das an einer viel zu kurzen Leine gehalten wurde.
„Was können wir tun?“ fragte Azhar schließlich, seine Stimme klang ungewohnt ernst.
„Das Siegel ist zerstört,“ sagte Seraphine. „Wir können es ihm nicht einfach so wieder anlegen. Das würde nur Rhun können, und wie du bereits gesagt hast, Cassy, Rhun wurde … niedergestochen.“
Ich zog die Beine an meinen Körper und umklammerte die Tasse in meinen Händen. „Aber ist das nicht alles merkwürdig?“ fragte ich, laut überlegend. „Erst verschwindet Fips, dann wird Rhun niedergestochen, Klaus ist los, um diesen Fremden zu suchen, Zeke wird von einem Albtraum angegriffen und … plötzlich bricht dieses Siegel.“
Seraphine und Azhar schauten mich aufmerksam an.
„Du meinst, da steckt mehr dahinter?“ fragte Azhar schließlich.
„Zufall kann das ja wohl nicht mehr sein,“ sagte ich und schüttelte den Kopf. „Aber was soll das alles bezwecken? Welchen Sinn hat dieses Chaos?“
Seraphine lächelte, wenn auch kühl. „Mir gefällt, wie du mitdenkst, Mensch. Die Wächter scheinen in der Tat gezielt angegriffen zu werden. Aber darum sollten wir uns kümmern, nachdem wir wissen, wie sich das mit Zeke weiterentwickelt.“
Ich nickte langsam, konnte aber die Unruhe in mir nicht abschütteln. Alles, was ich bis jetzt gehört hatte, klang düster. Vor allem, weil es offensichtlich war, dass das, was Zeke durchgemacht hatte – und vielleicht noch durchmachen würde – kein Zufall war.
Der Gedanke, dass das Siegel ein Schutz gewesen war, ließ mich schwer schlucken. Selbst Zeke hatte zugegeben, dass es berechtigt war.
„Und wenn wir es nicht schaffen, ihn aufzuhalten?“ fragte ich schließlich, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Azhar sah mich mit seinen tiefgoldenen Augen an. „Dann, Cassy, hoffen wir, dass Zeke sich selbst aufhalten kann.“
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Achtsam jammern mit dem Osterhasen | Eine Julien Bam FF
FanfictionKeine Panik, Leute - das hier wird kein Buch über Achtsamkeit. Ich weiß, der Titel klingt, als ob gleich Meditations-Tipps und Rezepte für Smoothies folgen würden. Keine Sorge, hab selbst keine Ahnung von dem Zeug. Aber irgendeinen Titel musste das...